Kultur: Legenden sind stärker als Akten
Eine perspektvische Bestandsaufnahme: Tagung gab Auftakt zu neuen Forschungen über Friedrich II.
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Als 1781 die sterblichen Überreste der Hohenzollern in den neuen Berliner Dom überführt wurden, ließ Friedrich II. den Sarg des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm öffnen und sprach: „Messieurs, der hat viel getan.“ Eine der Aktenlage widersprechende Legende, die die Kontinuität preußischer Herrschaft verdeutlichen sollte, erklärt dazu Jürgen Kloosterhuis, Direktor des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz. Prinzessin Amalie, die Schwester des Königs überwachte den Transport der Särge, Friedrich war gar nicht dabei.
Kloosterhuis zählte zu den 13 Historikern aus England, Österreich und Deutschland, die am Wochenende im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte mit ihren Vorträgen die wissenschaftliche Tagung „Friedrich der Große 1763 - 1786. Eine perspektivische Bestandsaufnahme“ bestritten. Und wenn der Archivar auch ironisch-resignierend meinte, Legenden seien stärker als Akten, so lieferten die Referenten doch eine Fülle von Anregungen, wie ausgehend vom jetzigen Forschungsstand die zweite Hälfte der Regierungszeit des Königs präziser dargestellt werden kann. Alle trafen das Thema punktgenau, und so sprach der wissenschaftliche Leiter Jürgen Luh, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, PNN gegenüber von einem „erfreulichen Erfolg“ der Tagung, die von der Stiftung Preußische Seehandlung unterstützt wurde. In seinem Beitrag über die Größe Friedrichs hatte er auf dessen militärischen Erfolge hingewiesen, denen der König den ehrenden Beinamen verdankte, aber auch seine Leistungen auf nahezu allen gesellschaftlichen Gebieten. Ob sie ebenfalls den Namen „der Große“ rechtfertigen, werde zunehmend kritisch hinterfragt.
Dies spiegelte die Tagung wieder. So erklärte Michael Eckert, Deutsches Museum, der König habe wenig naturwissenschaftliches Verständnis gehabt. Das machte er an den Wasserspielen in Sanssouci fest. Sie konnten zu Friedrichs Zeiten nicht zum Springen gebracht werden. Dem von Eckert daraus abgeleiteten Unverständnis und Desinteresse des Alten Fritz an technischen Neuerungen widerspricht allerdings, dass Friedrich noch 1781 den Bergassessor Karl Friedrich Bückling nach England schickte, um dort die neuesten Entwicklungen der Dampfmaschinentechnik auszuspähen und danach für das Mansfelder Bergbaurevier die erste deutsche „Feuermaschine“ zu bauen. Bücklings Modell ließ er sich sogar zur Begutachtung nach Berlin bringen.
Ein fehlerhafter Ansatz scheint zu sein, den König nur an seinen persönlichen Leistungen, nicht aber an seiner Rolle als Ideengeber zu messen. Den „König überall“, der jedes Detail selbst entschied, habe es nicht gegeben, stellte dazu Frank Göse, Unversität Potsdam, fest. Er habe keine „absolute Richtlinienkompetenz“ besessen, vielmehr seinen Amtsträgern eine gewisse Eigenständigkeit eingeräumt.
Auf der Tagung wurde auch versucht, zum persönlichen Wesen des Königs vorzudringen. Dies habe er stets verborgen, die Nachwelt messe ihn ausschließlich an seinen Wirkungen, meinte dazu Jürgen Luh. Einen Blick in Friedrichs Innenleben könnte neben seinen Gedichten beispielsweise sein Umgang mit den Baumeistern sein. Darüber sprach Volker Thiele, Bereichsarchitekt für Sanssouci. Als Bauherr habe sich der König als „beratungresistent“ erwiesen und durch selbstherrliche Änderungen noch während der Bauzeit die Architekten mehrfach vor technisch kaum zu lösende Probleme gestellt, die beispielsweise bei der Restaurierung des Neuen Palais bis heute nachwirken. Erhart Hohenstein
Erhart Hohenstein
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