Kultur: Lottokönige für ein Jahr
Verleihung der Lotto-Kunstpreise für Literatur und Fotografie im Potsdam-Museum
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Schon seit 1993 fördert die Lotto Gesellschaft Brandenburg die Künste des Landes. Bei über 200 Millionen Euro Spieleinnahmen fällt ihr das nicht schwer. Inhaltlich ist man im zweiten Jahr nach der Neuausrichtung, die weg von einer Stipendienvergabe und hin zu satten Preisgeldern führte, noch auf der Suche nach einer klaren und dauerhaften Kontur.
Auch dieses Jahr gab es in den beiden Kategorien Literatur und Fotografie wieder je 10 000 Euro zu gewinnen. Für die schreibende Zunft bedeutet das immerhin die höchst dotierte Auszeichnung im Land. Auch diesmal konnten sich die beiden dreiköpfigen Jurys nicht auf Einzelgewinner einigen. Je zwei Glückliche teilen sich nun das Preisgeld. Die Schriftsteller Rabea Edel und Arne Roß und die Fotografen Frank Gaudlitz und Oliver Kern dürfte die Wahl uneingeschränkt erfreuen.
Dem Preis selbst ist diese nun schon wiederholte Unentschlossenheit aber eher abträglich. Nährt sie doch die Vermutung, die geringe Qualität der Bewerberbeiträge ließe die Kür eines einzigen „Lottokönigs“ nicht zu. Bleibt so nicht die Ausstrahlung auf der Strecke? So spielt man wohl gezielt Regionalliga, denn die Auslobung berücksichtigt nur Bewerbungen aus der etwas schwammigen Begrenzung des Berlin-Brandenburger Kulturraums. Mit dem Ergebnis, dass nur ein Brandenburger aber gleich drei Berliner das Rennen machten.Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Zahl der Bewerber bereits vervierfacht. Nun hofften 250 Schriftsteller und 200 Fotografen darauf, ausgezeichnet zu werden. Der rasante Anstieg erklärt sich zum einen mit dem wachsenden Bekanntheitsgrad. Zum anderen sicherlich auch mit dem Umstand, dass diesmal kein Thema festgelegt wurde. „o.T“ – ohne Titel – mag zwar die Fluttore der Fantasie ganz weit öffnen, die völlige thematische Freigabe erschwert aber wiederum, Auswahlkriterien zu formulieren.
Die waren mit dem letztjährigen Thema „Spiel. Glück. Gewinn.“ begrenzter und deswegen auch nachvollziehbarer. So fanden sich nun neben bundesweit bekannten Autoren, die zahlreiche Veröffentlichungen vorweisen konnten, auch die Manuskripte von ambitionierten Amateuren. Bei denen ist es wie bei der Hoffnung auf einen Sechser. Die ist kurz vor der Auslosung riesig, obwohl man eigentlich keine Chance hat.
Auch bei der Ausrichtung der Preisverleihung ging Lotto neue Wege. Statt wie immer in der nüchternen Geschäftszentrale in der Babelsberger Steinstraße die unter Kennern wegen ihrer stets üppigen Gastlichkeit sehr beliebte Preisparty zu feiern, ging man bewusst wesentlich bescheidener in die Innenstadt. Diese Entscheidung ist wiederum gut für die prämierte Kunst, die nun im Potsdam-Museum in der Benkertstraße endlich auch ihr regelmäßiges Laufpublikum erhält.
Hier hängen nun die Fotografien der beiden Preisträger in drei Räumen des ersten Stocks. Dazwischen Tonsäulen, auf denen man die von Christian Brückner eingesprochenen Texte der beiden anderen Gewinner in Auszügen hören kann.
Oliver Kern, 1965 in Saarbrücken geboren, nährt zunächst mit seiner Serie „Die deutsche Aussicht“ die Zweifel, hier wäre Beliebigkeit belohnt worden. Denn seine Aufnahmen aus verschiedenen Orten in Ost und West wirken zunächst willkürlich. Keine strahlend warme Ästhetik, sondern leicht unterkühlter Alltag. Landschaft mit Menschen, die einfach „hinaus schauen“. Ein Mercedes, der bis zum Rheinufer vorgefahren ist. Schwäne laufen ungeniert vor dem Motor herum. Der korpulente Fahrer macht eine Pause mit einem Eisbecher. Hier wird eine deutsche Idylle mit genau beobachteter Gegenwärtigkeit aufgeladen.
Der einzige Potsdamer, Frank Gaudlitz, gewann mit seinen gestellten Ganzkörperporträts aus Rumänien. Er bat, sich in Sonntagskleidung in die „Gute Stube“ zu stellen und sammelte so nicht nur eine Vielzahl von fremden Gesichtern, sondern auch unbekannte Teppich-, Kleider- und Tapetenmuster. Manchen sieht man die Strapazen der Arbeit an, allen ist ein heimlicher Stolz eigen.
Die beiden Schriftsteller setzten sich in der mit Herta Müller hochkarätig besetzten Jury beide mit bereits als Buch veröffentlichten Texten durch. Rabea Edels Geschichte „Das Wasser, in dem wir schlafen“ als auch Arne Roß“ „Pauls Fall“ blicken ins Innere von heutigen Gefühlswelten. Die Gewinnerin des Open Mikes 2004 lässt eine Familie „an sich selbst zerbrechen“ (Begründung), Roß begleitet beinahe jede Bewegung eines alten Mannes an seinem offenbar letzten Lebenstag. Werden sich ihre Bücher nun mit einem Aufkleber „Gewinner des Lotto-Kunstpreises 2006“ zieren?
Ausstellung bis 5. Januar Di - So 10 bis 18 Uhr, Benkertstr. 3
Matthias Hassenpflug
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