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Von Klaus Büstrin: „Markentreues“ für die Kurfürsten

Kunsthistoriker Bartoschek und Gemälderestauratorin Undine Köhler über die Cranach-Ausstelllung

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Der Ruhm des Wittenberger Künstlers Lucas Cranach (1472-1553), der Freund des Reformators Martin Luthers und kursächsischer Hofmaler, drang bis zu den brandenburgischen Hohenzollern. Zu den Kurfürsten Joachim I. Nestor (1484-1535) und seinem Sohn Joachim II. Hector (1505-1571), der sich, zwar zögerlich, zur neuen protestantischen Lehre bekannte. Am 1. November 1539 nahm der Kurfürst in Begleitung einiger Adliger erstmalig an einer Feier des lutherischen Abendmahls in beiderlei Gestalt in der Spandauer Nikolaikirche teil. Dieses Datum gilt als Beginn der Reformation im Kurfürstentum Brandenburg.

Einen eigenen Hofmaler haben sich die brandenburgischen Kurfürsten nicht gegönnt, sie liehen sich den Berühmten aus Kursachsen aus, der damals Kultstatus besaß. Der Wittenberger Mitbürger Cranachs, Andreas Bodenstein, genannt Karlstein, pries den Maler Lukas Cranach den Älteren und seine Kunst in einem Poem: „So groß ist der Ruhm, dessen sich Lucas erfreut: perspektivisch malt er den Menschen und hält es immer. Eine vortreffliche Kunst! Maler, bekränzt mit grünendem Efeu den Landmann aus Kronach, Hoffnung und Zierde des Landes, Hoffnung und Zier des Geschlechts.“ Das neue kurfürstliche Stadtschloss der Doppelresidenz Berlin-Cölln wurde mit Cranachs Bildern, mit Porträts, Szenen aus der Bibel und der antiken Mythologie ausgestattet.

Nun zeigt die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg im Neuen Flügel des Schlosses Charlottenburg eine Ausstellung mit mehr als 35 Gemälden von Lukas Cranach dem Älteren, seinem Sohn Lukas, von Zeitgenossen sowie der Cranach-Werkstatt. Diese Ausstellung wird verknüpft mit einer Präsentation unter dem Titel „Kirche, Hof und Stadtkultur“ in der St. Marienkirche Berlin-Mitte.

Lucas Cranach hinterließ ein umfangreiches Werk der Nachwelt. „Er hatte einen sehr guten Werkstattbetrieb in Wittenberg, um die umfangreichen Aufträge erfüllen zu können. Dabei ging er arbeitsteilig vor. Der Künstler lieferte die Entwürfe, malte selbst große Teile seiner Werke, doch manche konnten nur mit Hilfe der Mitarbeiter der ausgedehnten Werkstatt bewältigt werden“, sagte Gerd Bartoschek in einem Filmbeitrag für die aktuelle Ausstellung.

Das Thema Cranach beschäftigte den Potsdamer Kunsthistoriker in den vergangenen Jahren besonders intensiv. Mit Bildern dieses bedeutenden Renaissancemalers beendet der Kustos der Gemäldesammlung der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg Ende Januar 2010 auch als Kurator von Ausstellungen seine Tätigkeit. Mehr als vierzig Jahre lang war Bartoschek Mitarbeiter der Schlösserstiftung. Wichtige Expositionen vor und nach der Wende trugen die Handschrift seiner inspirierenden Konzeptionen, sei es zu den Künstlern Antoine Pesne, Anna Dorothea Teerbusch, Franz Krüger, Johann Heinrich Schröder oder auch zum Berliner Biedermeier. Zu den großen Expositionen, die sich beispielsweise mit Sophie Charlotte, Friedrich dem Großen, Friedrich Wilhelm II. und Friedrich Wilhelm IV. beschäftigten, war seine kunsthistorische Mitarbeit unentbehrlich. Neben dem Kuratieren von Ausstellungen zeugen die Texte in den Katalogen von seiner exzellenten Kennerschaft der Malerei, die die brandenburgisch-preußischen Kurfürsten und Könige in Auftrag gaben und sammelten. Ein Höhepunkt war sicherlich 1994 die Veröffentlichung des repräsentativen Bildbandes „Die königlichen Galerien in Sanssouci“ im E.A. Seemann Verlag Leipzig, bei dem der Fotograf Gerhard Murza mitwirkte. Intensiv hat sich der Kustos auch mit Gemälden beschäftigt, die in Folge des Zweiten Weltkriegs aus den Schlössern der Preußen-Könige verschwunden und bisher vermisst sind. 3027 waren in seinem Verlustkatalog verzeichnet. Fünf fanden bisher den Weg zurück in die Stiftung.

Bis 1995 betreute der Kunsthistoriker ausschließlich den Potsdamer Gemäldebestand, also denjenigen, der in den Schlössern Potsdams zu finden ist, vorwiegend Werke aus dem 17. und 19. Jahrhundert. Nach Umfang und Rang kann er sich zweifellos mit anderen namhaften Galerien vergleichen. Nach dem Zusammenschluss der beiden Schlösserverwaltungen Berlin und Potsdam in den neunziger Jahren erweiterte sich die Gemäldesammlung mit dem des Schlosses Charlottenburg. Dies bedeutete auch für Gerd Bartoschek eine Herausforderung. Natürlich war der größte Teil des dortigen Bestandes ihm nicht unbekannt. Aber nun galt es sich auch den Malern der Renaissance zu stellen, also auch Lucas Cranach. Bilder des Künstlers der Reformation sind nach seiner Sanierung und Restaurierung am authentischen Ort, im Renaissance-Schloss Grunewald zu sehen.

Der Gemälde-Bestandskatalog, der von der Schlösserstiftung herausgegeben und ab 2010 in mehreren Bänden im Akademie Verlag erscheinen soll, wird auch die neuesten Forschungsergebnisse zu den Cranach-Bildern berücksichtigen. Gerd Bartoschek ist natürlich nach seinem Ausscheiden aus der Stiftung an dem großen und zeitaufwendigen Projekt maßgeblich beteiligt.

Nun kann man auch an den Weihnachtsfeiertagen die Cranach-Ausstellungen im Schloss Charlottenburg und in der St. Marienkirche besuchen. Neben den Gemälden sind eine Fülle weiterer Dokumente wie Skulpturen, Druckgrafik, Kunstgewerbe, Archivalien und Bücher ausgestellt. Damit werden der kulturgeschichtliche Kontext der Gemälde umrissen und die politischen Ambitionen und Leistungen ihrer für den Aufstieg Brandenburgs maßgeblichen fürstlichen Auftraggeber eindrucksvoll dargestellt.

Neben Gerd Bartoschek arbeitete auch die Kunsthistorikerin Elke Anna Werner an der wissenschaftlichen Konzeption mit. Die Cranach-Bilder wurden in den vergangenen Jahren von ihnen genauer betrachtet, von den Gemälderestauratoren der Stiftung präzis „unter die Lupe“ genommen.

Mit Undine Köhler gehen wir durch die Ausstellungsräume im Schloss Charlottenhof, um mit der Brille der Gemälderestauratorin die Werke zu betrachten. Sie erzählt, dass der Renaissancekünstler bemerkenswerte Kopier- und Maltechniken anwandte, um die zahlreichen Aufträge – nicht zuletzt die der Hohenzollern – in künstlerisch hoher Qualität und auch in kurzer Zeit erledigen zu können. Dabei benutzte man heutige technische Hilfsmittel, so Röntgenaufnahmen, Stirnlupen oder Stereomikroskopen. So entdeckte man beispielsweise feine Linien auf den Gesichtern. „Der Meister muss die Umrisse vorgezeichnet haben. Mit Hilfe einer Folie, eine Art Blaupause, konnten sie von ihm und durch andere seiner Mitarbeiter kopiert werden“, erzählt Undine Köhler. Und die Restauratorin macht auf die Bilder der beiden Kurfürsten Joachim I. und II. aufmerksam, bei denen das Verfahren angewandt wurde. Auch wohl beim Luther-Porträt, das im Schloss jedoch ein wenig stiefmütterlich gehängt wurde. Bei der „Quellnymphe“ oder der „Lukretia“ hat er ebenfalls mit zeichnerischen Vorskizzen gearbeitet. Dazu benutzte er Kohle oder Rötel.

Die auf Linden- oder Buchenholztafeln gemalten Gemälde Lukas Cranachs sind nach 470 Jahren immer noch von großer Farbintensität. Der Meister verfügte, da er auch eine Apotheke besaß, über wertvolle und stabile Farben. „Bei den Untersuchungen war es toll zu erleben, wie der Maler die Farben mischte, mit ihnen spielte.“ Obwohl viele Hände in der Cranach-Werkstatt an einem Bild beschäftigt waren, konnten die Auftraggeber immer mit „markentreuen“ Ergebnissen rechnen. Und auch der Betrachter von heute hat seine Freude diesen Bildern aus der Renaissancezeit.

Bis 24. Januar im Schloss Charlottenburg täglich von 10 bis 17 Uhr geöffnet, außer dienstags, in der St. Marienkirche, montags bis samstags, 10 bis 18 Uhr und sonntags 12 bis 18 Uhr

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