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Ein Lasso fürs Auge: Für eine Galerie im Container müssen schon besondere Hingucker um Aufmerksamkeit buhlen.

© Andreas Klaer

Kultur: Mini-Oase zum Chillen

Am Tage ist er verwaist. Doch wenigstens abends soll im Schirrhof Leben einziehen. Trollwerks Sommeroffensive auf die Jugend

Stand:

Kein Baum, kein Strauch. Die Einöde eines verwaisten Exerzierplatzes. Die Vergangenheit lässt sich offensichtlich nur schwer abschütteln. Die Sanierung hat ihr Übriges getan, um den Geist des preußischen Militarismus zu konservieren. Dennoch gibt es unverzagte Optimisten, die in dieser Steinwüste des Schirrhofes in der Schiffbauergasse sogar einen Hauch von Woodstock hineinwehen sehen.

Galerist und Kurator Erik Bruinenberg erzählt am Rande der neuen Ausstellung, die derzeit von den Potsdamer Designstudenten Marstwo und Van Icon bestritten wird, von seinen Plänen. Er schaut dabei auf Sandkasten und Badewanne, in die er vor seinem geistigen Auge Kinder munter planschen und „moddern“ sieht, derweil die Eltern auf Lümmelkissen und roten Plastikstühlen chillen. Eine Mini-Oase, die helfen soll, dass junge Menschen wenigstens zum Teil den Weg in die Schiffbauergasse zurückfinden, nachdem der Schock der Renovierung vielen tief in die Glieder gefahren ist. Ganz offensiv geht Erik Bruinenberg auf Jugendfang und zwar mit dem, was dem Kurator am meisten liegt: die Bildende Kunst. Schließlich sorgte der Holländer jahrelang im Waschhaus für teils spektakuläre Ausstellungen und brachte seine Projekte auch ins Umland. Nun agiert er als Kurator des Trollwerk-Vereins und will mit den Angeboten im Schirrhof jedes traditionelle Galeriegetue durchbrechen. „Trollwerk besaß keine eigene Spielstätte und wir hatten auch keine Lust, irgendwo betteln zu gehen.“ Also orderten sie einen alten Container, der ihnen nun als „Galerie“ dient und den Sommer hindurch mit vier Ausstellungen zum Thema „Künstler und ihre Idole“ in der „Temporary Art Zone II“ gefüllt wird. Von der Stadt mit 10 000 Euro unterstützt.

Nun sind massive Container, selbst wenn sie Rostrot gestrichen und mit „Einhörnern“ dekoriert sind, noch lange kein Zaubermittel, um Beklemmungen angesichts lebloser Stille einfach abzuschütteln. Doch wenn Bilder, Musik und viele Leute auf ein Bierchen zusammenfinden, kann sich Starre durchaus lösen. „Am Tag ist hier tote Hose. Also muss man seine Angebote unterbreiten, wenn die Leute ohnehin auf der Piste sind“, so Erik Bruinenberg. Deshalb komprimiert Trollwerk sein Ausstellungsangebot auf die Tage von Donnerstag bis Samstag und das auch erst ab 20 Uhr. „Vorher liegen die Leute ohnehin am See.“ Immer wieder wird ausprobiert, verändert, das Konzept nach den Wünschen der jungen Leute umgestrickt. „Wir sind einfach am Experimentieren, schauen, welche Biersorte angesagt ist, ob die Gäste Kaffee aus der Maschine oder einfach gebrüht wünschen, welche Veranstaltungsform sie anspricht. Man kann Zielgruppen nicht bestimmen, aber auf sie hinarbeiten“, betont Erik Bruinenberg. Mit den beiden derzeit ausstellenden Künstlern, die in ihren Bildern das Thema Menschen mit Behinderung einfühlsam umgesetzt haben, zieht es weitere Leute von der Fachhochschule hierher, hofft er. „Mit der nächsten Ausstellung kommt ein schwuler Fotograf in unseren Container. Und mit ihm vielleicht auch das Szenepublikum aus Berlin.“ Peu á peu soll der Standort so wieder stärker von sich reden machen.

Trollwerk sieht sich bei der Bespielung des Hofes keineswegs als Alleinunterhalter. „Wir wollen mit Partnern zusammen arbeiten, wie wir es beispielsweise schon mit dem T-Werk praktizieren.“ Und wenn sich nach dem 17. Oktober die Bildende Kunst aus dem Container erst einmal zurückzieht, ist dennoch kein Winterschlaf angesagt. „Wir werden den Container weiter offen halten, ob für Kino, Konzerte oder Theater. Wir sind für gespannt, wer mit welchen Ideen an uns herantritt“, sagt Vereinsmitglied Wolfgang Hinze.

Das Image „totsaniert“ wollen die trollwerkenden Betreiber des „Mitteschön“-Containers ebenso wie die Anrainer jedenfalls irgendwann aus den Köpfen vertreiben. Heidi Jäger

Am morgigen Donnerstag um 21. 30 Uhr startet Trollwerk am Schirrhof-Container einen von nun an wöchentlich stattfindenden Kinoabend unter freiem Himmel. Zum Auftakt ist der preisgekrönte Dokumentarfilm über den niederländischen Künstler Jan Henderikse mit dem Titel „Alles ist Licht“ zu sehen. Der Eintritt ist frei

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