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Sie hat sich von den Schatten ihrer Vergangenheit gelöst. Die Songs von Soname entspringen alle ihrer tibetischen Kultur. Doch sie hat viele westliche Einflusse hineingewoben.

© promo

Kultur: Musik aus den Wolken

Die tibetanische Sängerin Soname Yangchen singt am morgigen Samstag in der Nikolaikirche

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Yoga, Thai Chi, Feng Shui, die Sehnsucht der westlich-zivilisierten Welt nach den Weisheiten und der Erlösung, die hinter dem Wohlklang fernöstlicher Lebensart vermutet wird, ist groß. Wenn dann auch noch eine wunderschöne, alterslose Frau mit langem schwarzem Haar, eingewickelt in ein blutrotes, traditionelles Gewand, geheimnisvoll lächelt, schmilzt man dahin.

Doch Soname Yangchen, die am morgigen Samstag mit ihren sechs Musiker-Kollegen in der Nikolaikirche auftritt, mochte sie manchmal selbst nicht mehr beantworten, die Frage nach ihrer Herkunft. „Was glaubst du?“, stellte sie die Gegenfrage und gab sich zufrieden, wenn man ihre Wurzeln in der Mongolei, Japan oder China vermutete. Tibet, das Land über den Wolken, ihr Heimatland, an dem natürlich ihr Herz hängt, ist eben leider auch eine Schublade für Klischees, entsprungen dem Halbwissen um politische Vorgänge, die mit Schlagwörtern von Kulturrevolution, Verfolgung und Dalai Lama bedient werden. „Und dann reden die Europäer ständig von ihrem eigenen Stress und wie deprimiert sie sind – im Tibet benutzen wir diese Begriffe nur unter ganz schlimmen Umständen.“

Sie hat solche Umstände erlebt, die Frau mit dem Flüchtlingsschicksal, wie es so viele überall trifft. Soname, geboren 1973 in einer verfolgten, altadeligen tibetischen Familie, hat dennoch Glück, irgendwie schafft sie es, Kinderarbeit, Flucht und Vergewaltigung zu überleben und gelangt nach Europa, wo sie sich anpassen kann. Sie streift ihre Vergangenheit ab wie ihre alten Kleider, kürzt das lange Haar, bis sie eines Tages ihre Kultur neu entdeckt: Auf einer Hochzeit beginnt sie, für die Gäste zu singen, die verzaubert sind von Sonames Stimme, ein Musikproduzent nimmt sich ihrer an – aus der Flüchtlingsfrau wird eine Künstlerin.

Jetzt hat sie das dritte Album produziert, „Natural Mind“, wieder sind es eigene Songs, die alle ihrer tibetischen Kulturquelle entspringen, in die sie aber viele ethnische und westliche Einflusse hineingewebt hat – sehr bewusst.

Es geht hier nicht darum, tibetische Musik in Reinkultur zu präsentieren. Was zu allererst auffällt, ist die Stimmlage Sonames. Sie pendelt – angenehm für das abendländische Hörverhalten – zwischen dezentem Obertongesang und Singer-Songwriter-Habitus. Asiatische Melodiebögen verschmelzen mit Country, Blues, Jazz, den Rest an Akklimatisierung erledigt die experimentierfreudige Band, wenn man das bunte Ensemble so nennen darf: Die Sängerin hat die Mitglieder nach ihrer Vorliebe zusammengesucht. Wer sich mit ihren musikalischen Vorstellungen anfreunden, sich auf ihre Ideen einlassen konnte, der war drin. Und so finden sich auf dem dritten Album und auf der Bühne neben zwei Gitarren, einem Cello und diversen Bass-Trommeln auch eine afrikanische Harfe, die Kora, sowie ein Tablas-Spieler, der arabische Trommeln bedient. Soname singt fast ausschließlich in ihrer Muttersprache, die Texte werden aber im Begleitheft der CD übersetzt.

Am Samstag wird es Musik des neuen als auch der Vorgängeralben geben. Darunter auch Stücke, die Soname lediglich für Singstimme und Gitarre geschrieben hat. Wer sich auf diese Musik einlässt, könnte vorübergehend dem Drang widerstehen, seine Schubladen zu befüllen, Tibet, China, Mongolei. Yoga oder Thai Chi. Manchmal ist das alles so egal. Sonames Musik lädt ein in eine Auszeit – wovon auch immer.

Samstag, 3. November, 20 Uhr, Nikolaikirche, Am Alten Markt. Karten zwischen 19 und 26 Euro, zzgl. Vorverkaufsgebühr, unter Tel.: (030) 323 30 20

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