Kultur: Musikalische Tribute an Friedrich
Die Eröffnungskonzerte der Musikfestspiele Potsdam Sanssouci 2012
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Mit gleich vier Aufführungen an historischen Orten wurden die Musikfestspiele Potsdam Sanssouci am Sonnabend eröffnet. In der Friedenskirche präsentierte die Akademie für Alte Musik ein Konzert unter dem Titel „Verliebt in Europa“, im Ehrenhof von Schloss Sanssouci konnte man „Preußische Stars“ bewundern und beim Mühlenfest gab es ein Spiel für Kinder rund um den schlauen Müller von Sanssouci. Im Schlosstheater des Neuen Palais wurde erneut die erfolgreiche Neuinszenierung der Oper „Montezuma“ gegeben. Auch in den kommenden zwei Wochen bieten die Musikfestspiele ein abwechslungsreiches Programm mit neuen und bewährten Veranstaltungen.
Vom Fahrradkonzert über die Landpartie bis zum Diplomatendiner, vom Klaviermarathon über Jazz in the Garden bis zur Opera seria dürfte für jeden etwas dabei sein. Leichte Unterhaltung wechselt mit Tiefschürfendem ab, etwa einem Gespräch über Musikausübung und Hirnforschung. Intime Kammerkonzerte finden sich ebenso wie großformatige Veranstaltungen. Es gibt eine Aufführung von Händels Messias in der rekonstruierten Fassung von Johann Adam Hiller mitten in Potsdam auf dem Bassinplatz, an der nicht weniger als vier große Potsdamer Gesangs- und Musikvereinigungen beteiligt sind, sowie das große Sanssouci Prom-Konzert vor dem Neuen Palais zum Abschluss.
Keine Frage, dass auch die Musikfestspiele dem alles überstrahlenden Potsdamer Jahresthema Tribut zollen. Das dreihundertjährige Geburtsjubiläum des Großen Friedrich hinterließ im diesjährigen Programm tiefe Spuren. In Potsdam dreht man gerne die Zeit zurück, auch gehört das 18. Jahrhundert zum Kernbereich der Musikfestspiele seit jeher. Dabei zeigt man sich wie zu Friedrichs Zeiten weltoffen und knüpft Netze in ganz Europa und sogar bis nach Nord- und Südamerika. Beim alten Fritz sprach man französisch, Opernlibretti wurden von Hofdichter in italienische Verse gesetzt, Sänger stammten aus Italien, die Tänzerinnen meistens aus Frankreich.
Welch große Wertschätzung Friedrich für die Künste hegte, zeigt die Epistel an Sweerts, den ersten Intendanten des Königlichen Hoftheaters. Mit Auszügen aus diesem im Original ellenlangen Lobgedicht eröffnet Klaus Büstrin das Konzert in der Friedenskirche in Gegenwart von Honoratioren und gemeinem Publikum. Doch ob die altertümlich-geschwurbelte Sprache heutige Adressaten erreichen konnte, bleibt offen. Für die lange Dauer von zweieinhalb Stunden war das Konzert erstaunlich wenig abwechslungsreich und besaß kaum Höhepunkte. Der didaktische Anspruch überwog den künstlerischen Ertrag bei weitem.
Präsentiert wurde ein Potpourri der Hofmusik aus Friedrichs Epoche mit kleinen Abstechern nach Frankreich und Italien. Bernhard Forck als Konzertmeister und die Sängerinnen Sunhae Im und Raffaella Milanesi servierten häppchenweise Ausschnitte aus Oper und Konzert. Das Ideal jener Zeit einer „galanten Lebensführung“ und galanter Musik fand sich kaum überzeugend gespiegelt. An diesem Abend pflegte die Akademie für Alte Musik einen statischen, feierlichen, ausgesprochen trockenen, durchhörbaren Stil, dem es an Eleganz, Schwung und Leichtigkeit mangelte. Selbst das verspielt turtelnde Flötenpaar (Jana Semeradova, Christoph Huntgeburth) in Johann Joachim Quantz’ Doppelkonzert konnten den herben, derben quasi „preußischen“ Duktus nicht kompensieren. Erst recht das Violinkonzert L’amoroso von Antonio Vivaldi entbehrte Feuer, Finesse und Poesie so vorher hörbar war jeder Ton, jede Phrase. Alle Solisten stützten sich auf Noten, was der Aufführung etwas Schülerhaftes verlieh.
Dass sogar Friedrich II. höchstpersönlich kompositorisch tätig war, zeigte sich in der Pastorale „Il Re pastore“ zum Geburtstag der Königin Mutter 1747 mit einer majestätischen Ouvertüre und preziösen Arien verschiedener Komponisten. Während Sopranistin Sunhae Im einen fehlerlosen, braven Gesangsstil kultivierte, brachte einzig Raffaela Milanesi in der Hosenrolle des Kastraten Porporino Glanz und Bewegung in die leuchtenden Gesangslinien ihrer Da-Capo-Arien.
Dass beim Umgang mit historischen Material und historischer Musikpraxis auch etwas sehr Lebendiges, Ansprechendes herauskommen kann, zeigte sich anschließend beim Open-Air-Konzert im Ehrenhof von Schloss Sanssouci. Unter Leitung von Werner Erhardt spielte das Ensemble L’arte del mondo so inspiriert, spritzig und originell, dass es eine Freude war. Mit seinen „Wortschätzen“ brachte Klaus Büstrin die Zuhörer zum Lachen. Und die ausgezeichneten Sänger, der Mezzo-Sopran Valer Barna-Sabadus, die Sopranistin Julia Lezhneva, Altus Florin Cezar Ouatu sangen auswendig, was so viel mehr ausdrucksvoller und authentischer wirkt. Dabei waren durchweg Bravour- und Klage-Arien auf höchstem Niveau zu hören.
Ein liebevoll-humoristisches Highlight gab es mit der Ballett-Pantomime von Pygmalion durch die Barocktänzer Sarah Edgar und Justin Coates. Welch ein großartiges, zu Unrecht in Vergessenheit geratenes Talent Friedrich an seinem Hofkapellmeister Carl Heinrich Graun besaß, zeigte sich bei diesem dramaturgisch ausgewogenen und musikalisch mitreißenden Konzert, das als eigentliches Eröffnungskonzert erinnert werden sollte.
Babette Kaiserkern
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