
© Manfred Thomas
Kultur: Nah am Leben
Der Filmregisseur Günter Reisch begeht am heutigen Samstag seinen 85. Geburtstag
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„Junges Gemüse“, „Maibowle“, „Silvesterpunsch“, „Ach, du fröhliche“, „Anton der Zauberer“ oder „Jungfer, sie gefällt mir“ sind Titel, die Heiterkeit und Wohligkeit versprechen. Dahinter verbergen sich Filme, die die Defa in den 50er bis 70er Jahren produzierte. Als Regisseur fungierte Günter Reisch, der am heutigen Samstag seinen 85. Geburtstag begeht. Als 1956 „Junges Gemüse“ in den Kinos der DDR anlief, atmeten die Kulturfunktionäre auf: Nun habe die Defa endlich den Anschluss an den unterhaltsamen Gegenwartsfilm gefunden. Die Werbeabteilung des Filmproduktionsbetriebes änderte spaßeshalber das Firmenkürzel in „Deutsche Fröhlichkeitsanstalt“ um. Reisch wurde in den kommenden Jahren einer der maßgeblichen Regisseure für die Filmkomödie in der DDR, in der er direkt und mit einer großen Portion Humor DDR-Gegenwart aufarbeitete, nie vordergründig, sondern auch nachdenklich. Auf so manche satirische Seitenhiebe, die dem Opportunismus, Duckmäusertum oder einer selbstgerechten Überheblichkeit galten, hat er nicht verzichtet, doch Reisch achtete darauf, dass sie nicht platt daherkamen. Wohlige Heiterkeit zu verbreiten – das war seine Sache nie.
Von Hans Rodenberg, Hauptdirektor der Defa, Dekan der Filmhochschule Babelsberg, Mitglied der Volkskammer, stammt der oft zitierte Satz: „Unter keinen wie auch immer gearteten Umständen erscheint dieser Film in meinem Studio.“ Es ging um Günter Reischs sechstes Filmopus „Ach, du fröhliche “, das mit DDR-kritischen Äußerungen aufwartet, zwar nicht verboten, aber während seiner Entstehung schon äußerst aufmerksam unter die Lupe genommen wurde. Die geäußerte Meinung eines Filmhelden: „Ich kann sie nun mal nicht leiden, diese Funktionäre, die für alles eine Schublade haben, und Kader denken, wenn sie Menschen sagen“ war sehr gewagt. Das drohende Filmverbot wurde nur durch ein besänftigendes Gespräch des Hauptdarstellers Erwin Geschonneck mit dem SED-Generalsekretär Walter Ulbricht abgewendet, der von der tschechischen Theatervorlage Vratislav Blazeks „Und das am Heiligabend“ sehr angetan war.
In Berlin am 24. November 1927 geboren, in Potsdam als Sohn des Bäckermeisters Julius Reisch aufgewachsen, erlebte Günter Reisch als Soldat der Wehrmacht das Grauen des Zweiten Weltkrieges, denn kurz vor dem Ende wurde er eingezogen und kam anschließend in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Im Herbst 1945 wieder auf freiem Fuß, engagierte sich Reisch im Theaterensemble des Antifa-Jugendausschusses in Potsdam. Von 1947 ließ er sich im Defa-Nachwuchsstudio zum Regisseur ausbilden. Bereits im März 1948 absolvierte er die Prüfung und wurde Regieassistent bei der Defa in Babelsberg. Da war er gerade mal 20 Jahre alt. In Martin Hellbergs „Das verurteilte Dorf“ sowie in Kurt Maetzigs „Der Rat der Götter“ und den Thälmann-Filmen wurde er als Regieassistent verpflichtet. Bei „Das Lied der Matrosen“, einem Film über die Novemberrevolution 1918 in Deutschland, war er Co-Regisseur von Maetzig. Dabei lernte Günter Reisch vor allem den Umgang mit Massenszenen kennen, der ihm später in seinen eigenen Arbeiten bei „Solange Leben in mir ist“ oder „Trotz alledem“, Filme, die sich mit dem Leben Karl Liebknechts auseinandersetzten, zugutekam. Ulbricht war übrigens mit „Solange Leben in mir ist“ sehr zu frieden. Reisch wollte in ihm Linien in die Gegenwart von 1965 ziehen. Er meinte: „Den eigentlichen Schluss unseres Filmes zeigen wir nicht: dass wir aus dem Kino auf die Straße treten und uns in dem Staate Liebknechts befinden“
Einer seiner größten Filmerfolge wurde 1980 „Die Verlobte“. Die Kritik bezeichnete den Film, den er gemeinsam mit Regisseur und Drehbuchautor Günter Rücker verwirklichte, als eine „ergreifende ,Passionsgeschichte‘ einer schutzlosen, aber mutigen, schwachen und doch unbeugsamen Frau im Räderwerk des Strafvollzugs im Dritten Reich“. Besonders wurde das Spiel von Jutta Wachowiak als herausragende Leistung gewürdigt. Nach der politischen Wende widmete sich der Filmemacher vor allem der Lehrtätigkeit. Und das Filmmuseum Potsdam konnte sich freuen: Als Vorlass übergab er der Einrichtung im Marstall sein umfangreiches Dokumentenarchiv.
Auf seiner Website nennt Reisch einige seiner Freunde, mit denen er besonders verbunden ist: die Schauspieler Erwin Geschonneck, Eva-Maria Hagen, Ulrich Thein sowie den Regie-Altmeister Kurt Maetzig. Auch Andreas Dresen. Der Potsdamer Erfolgs-Regisseur erlernte bei Mentor Günter Reisch wichtige Schritte des Filmemachens und dass man mit seiner künstlerischen Arbeit nah am Leben dran sein solle. Klaus Büstrin
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