
© Andreas Klaer
Von Dirk Becker: Neue Richtung
Zahlen sind das A und O von Peinke. Hier achtet einer eisern auf die Finanzen „Das weiße Rössl ist eine Inszenierung von der ich glaube, die geht“, sagt Peinke
Stand:
Die Absage kam überraschend, aber überrascht hat sie nicht.
Anfang März wollte die Potsdamer Oxymoron Dance Company einen Einblick in die aktuelle Produktion mit dem Titel „Die Heimsucher und der Kosmopolit“ geben. Ein Forschungsprozess von Tänzern, Schauspielern und Performancekünstlern, der auf der Bühne im T-Werk gezeigt werden sollte. Wenige Tage davor war eine Pressevorführung mit anschließendem Künstlergespräch geplant. Doch diese wurde kurzfristig abgesagt.
Von fehlenden Geldern war die Rede. Nicht nur der Pressetermin, auch die beiden Vorführungen im T-Werk standen vor dem Aus. Wilfried Peinke, Geschäftsführer der Waschhaus Potsdam gGmbH, zu der die Oxymoron Dance Company gehört, sagte damals gegenüber den PNN, dass er diese Entwicklung sehr bedauere. Er hoffe aber, dass Stadt und Land die notwendigen Gelder zur Verfügung stellen.
Kultureinrichtungen, die auf Förderung angewiesen sind, aber durch die immer knapper werdenden öffentlichen Gelder eine ständige Existenz am Rande des Zusammenbruchs führen, sind mittlerweile nicht mehr die Ausnahme, sondern Standard. Und so hätte die drohende Absage von „Die Heimsucher und der Kosmopolit“ zwar überraschen, aber dann doch nur als weitere Zuspitzung der Diskrepanz zwischen künstlerischem Anspruch auf der einen und dem Zwang durch geringe finanzielle Mittel auf der anderen Seite gelesen werden können.
Doch wie gesagt, es hat nicht überrascht, weil es in diesem Fall für mehr steht. Es war ein weiteres Signal dafür, dass im Gefüge der Waschhaus Potsdam gGmbH etwas in Bewegung geraten ist, das zu grundlegenden Veränderungen führt. Veränderungen, die nicht nur die Oxymoron Dance Company, sondern auch die Galerie Kunstraum betreffen. Die Gastspielen wie „Im weißen Rössl“ mehr Bedeutung einräumen als Eigenproduktionen. Veränderungen im künstlerischen Selbstverständnis dieses Veranstaltungshauses also, die hinter den Kulissen viele verärgert.
Wilfried Peinke nimmt sich Zeit für ein Gespräch über das Waschhaus. Anderthalb Stunden redet er über das, was unter dem schwammigen Begriff „Soziokulturelles Zentrum“ zusammengefasst wird. Die Vielfalt eines Hauses, zu dem neben dem Waschhaus und der Waschhaus Arena auch die Oxymoron Dance Company, das Tanzstudio im Studiohaus und die Galerie Kunstraum gehören. Das alles auf dem Gelände der Schiffbauergasse.
Im März 2009 hat Peinke die Geschäftsführung der Waschhaus gGmbH übernommen. Im Sommer davor hatte das bekannte Veranstaltungshaus, bis dahin jahrelang betrieben als gemeinnütziger Verein, wegen Überschuldung einen Antrag auf Insolvenzverwaltung gestellt. Das Programm des Waschhaus-Vereins hatte in seiner Vielfalt das Gelände der Schiffbauergasse vor der groß angelegten im Jahr 2003 begonnenen Komplettsanierung geprägt und Akzente gesetzt. Ein fahrlässiger Umgang mit den Finanzen brach den Machern dann das Genick.
Einen solchen fahrlässigen Umgang kann Wilfried Peinke von niemandem unterstellt werden. Zahlen, das wird in dem Gespräch deutlich, sind das A und O des Geschäftsführers. Hier achtet einer eisern auf die Finanzen. Denn leicht hat es Peinke damit nicht. Noch immer muss er mit logistischen Problemen kämpfen, die bei der Sanierung der Waschhaus Arena geschaffen wurden, weil hier nicht Bedürfnisse des Veranstalters, sondern denkmalpflegerische Aspekte im Vordergrund standen. Sind Veranstaltungen geplant, zu denen mehr als 700 Gäste erwartet werden, muss Peinke aus Brandschutzgründen die Feuerwehr engagieren und Dixie-Toiletten aufstellen lassen, weil die vorhandenen nicht ausreichen. Alles Kosten, die das Waschhaus zu tragen hat.
520 000 Euro erhält die Waschhaus gGmbH jährlich an öffentlicher Förderung, 340 000 von der Stadt Potsdam, 180 000 Euro vom Kulturministerium des Landes Brandenburg. Doch das sei nicht genug. „Die Zuwendungen, die wir kriegen, reichen noch nicht einmal aus, um die Betreiberkosten zu decken. Und das predige ich jetzt schon seit anderthalb Jahren, doch das scheint keiner so recht zu verstehen“, sagt Wilfried Peinke. Wem er da predigt und wer das nicht so recht zu verstehen scheint, das sind natürlich die Fördermittelgeber. Und bei denen stößt Peinke wohl auf taube Ohren.
„Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass ich jede Veranstaltung gewinnbringend machen müsste“, so Peinke. Wer den Veranstaltungskalender der Waschhaus gGmbH in den vergangenen Monaten verfolgt hat, wird feststellen, dass der finanzielle Druck in dieser Hinsicht recht groß sein muss.
Angeboten wird viel von dem, was Geld bringt. Spaßmacher sind im Waschhaus in der letzten Zeit so oft zu erleben, dass man manchmal das Gefühl hat, im Komödiantenstadl zu sein. Und auch musikalisch passiert auf der großen Bühne in der Waschhaus Arena nichts, was wirklich überrascht. Zuletzt waren hier Wir sind Helden aus Berlin zu erleben. Eine sichere Bank hinsichtlich der Einnahmen, denn das Konzert war ausverkauft.
Aber sage niemand, Wilfried Peinke wisse nicht zu überraschen. Das kann er schon, denn im Mai holt er „Im weißen Rössl“ in das Waschhaus. Ein Singspiel in drei Akten von Ralph Benatzky, eine Revueoperette mit musikalischen Schmankerln wie „Was kann der Sigismund dafür, dass er so schön ist?“, „Im Salzkammergut, da kann man gut lustig sein“ oder „Mein Liebeslied muss ein Walzer sein“. Nicht nur eine Aufführung wird hier zu erleben sein. Nein, gleich für drei Abende hat Wilfried Peinke das „event-theater“ aus Brandenburg gebucht.
Peinke rollt kaum merklich mit den Augen als er gefragt wird, was „Im weißen Rössl“ ausgerechnet im Waschhaus zu suchen hat. „Das weiße Rössl ist eine Inszenierung von der ich glaube, die geht“, sagt er. Als Konkurrenz zum Hans Otto Theater oder dem T-Werk versteht er dieses Angebot nicht, da er nie klassisches Theater anbieten werde. Wilfried Peinke spricht von neuen Zielgruppen, die er erreichen will. Dass das Waschhaus keine Jugendkultureinrichtung sei, wie es so oft noch immer gesehen werde, sondern eine soziokulturelle Einrichtung. Dass er auch gern Angebote für ältere Besucher machen möchte, Silvester- oder Weihnachtsveranstaltungen.
Es sind Veranstaltungen, bei denen er höhere Eintrittspreise verlangen kann. Veranstaltungen also, die sich rechnen. „Kunst ist ein Wert, muss Werte schaffen und zur Diskussion anregen, muss aber andererseits auch kaufmännischem Denken gerecht werden“, so Peinke.
In Hinblick auf das kaufmännische Denken scheint Wilfried Peinke der richtige Mann zu sein. Sieben Mitarbeiter, plus eine halbe Stelle, stehen ihm in der Waschhaus gGmbH zur Verfügung. Mit ihnen werden in der Schiffbauergasse 6500 Quadratmeter Fläche bespielt. Im vergangenen Jahr zählte Peinke bei den unterschiedlichsten Veranstaltungen 110 000 Besucher. Damit ist das Waschhaus der größte Veranstalter auf dem Gelände, so Peinke. Und vielleicht gelingt es ihm in diesem Jahr sogar, Gewinne zu erzielen.
Aber es ist nicht nur das kaufmännische Denken, das hier zählt. Wer Kultur anbietet, zeichnet sich durch sein Programm aus. Und das ist auch eine Entwicklung der letzten Jahre: Dass Kultureinrichtungen, trotz immer geringerer Förderung, Angebote machen, die deutlich zeigen, dass es hier noch Ideen gibt, denen nicht sofort das Diktat der Wirtschaftlichkeit anzumerken ist. Noch zählt, auch wenn es immer schwerer wird, der Inhalt. Dafür stehen in der Waschhaus gGmbH die Galerie Kunstraum, die Musikreihe „Rubys Tuesday“, die Ausstellungen im Waschhaus-Flur unter dem Titel „Red Wall“ und die Inszenierungen der Oxymoron Dance Company. Doch es sind gerade diese Bereiche, die es unter Wilfried Peinke immer schwieriger haben.
„Rubys? Wo kann denn da von gewinnbringend und kostendeckend die Rede sein“, sagt Peinke.
Und die Galerie Kunstraum? „Die Ausstellungen im Kunstraum können wir uns so nicht leisten. Darüber müssen wir mal reden. Was machen wir jetzt eigentlich mit dem Kunstraum? Ist der Anspruch überhaupt zu halten? Sollten wir uns vielleicht nicht doch mit vielen Vereinen in Potsdam, die Ausstellungsmöglichkeiten suchen, zusammentun und denen eine Heimstätte geben? Ich bin langsam soweit, dass ich ernsthaft darüber nachdenke. Und es gibt genug Leute, die gern bei uns ausstellen würden.“
Ähnliches sagt Wilfried Peinke auch, wenn er auf die Oxymoron Dance Company angesprochen wird. „Da drüben ist die Tanzfabrik, die selbst Geld braucht“, sagt Peinke und zeigt aus dem Fenster seines Büros. „Und jetzt muss man einfach mal miteinander reden. Denn ich habe nicht den Eindruck, dass die Stadt zu viel Geld hat, das sie ins Waschhaus stecken will. Das Kurssystem Oxymoron ist in Ordnung, aber alles, was darüber hinaus geht, also eigene Produktionen, das hat entweder den Charakter von freien Theatern oder man will eine professionelle Oxymoron Dance Company. Dann müssen wir mit Stadt und Land noch einmal darüber reden, ob das überhaupt erfüllt werden kann. Aus dem Waschhaus-Volumen ist das auf keinen Fall ableistbar.“
Es ist diese Einstellung, mit der Wilfried Peinke die grundlegenden Veränderungen im Gefüge des Waschhauses vorantreibt. Eine Einstellung, die von nicht wenigen sehr kritisch und auch mit Unmut beobachtet wird. Bei Gesprächen in der Potsdamer Kulturszene war und ist da durchgängig immer wieder Kritik an Wilfried Peinke zu hören. Fragt man nach, reden die meisten nur unter der Bedingung, nicht zitiert zu werden. Dann aber fallen harte Worte. Keine Ideen, keine Visionen, nur das ständige Klagen über zu wenig Fördergelder und darüber, was nicht geht. Was an dieser Kritik vor allem verwundert, ist nicht deren Inhalt, sondern wie viele diese durch eigene Erfahrungen und Erlebnisse mit dem Waschhaus-Geschäftsführer teilen. Einhelliges Urteil: Wilfried Peinke ist eine Fehlbesetzung.
Aber was soll man von solchen Äußerungen halten, die nur hinter vorgehaltener Hand gesagt werden, auch wenn sie von noch so vielen kommen? Prallen hier vielleicht nur unterschiedliche Vorstellungen darüber aufeinander, wie ein solches soziokulturelles Zentrum zu betreiben ist? Und was spricht dagegen, wenn ein Geschäftsführer sein Hauptaugenmerk auf die Wirtschaftlichkeit richtet und statt roter lieber schwarze Zahlen schreiben möchte?
Nichts. Aber wenn dieser Wirtschaftlichkeit Herzstücke des Waschhauses wie die Galerie Kunstraum und die Oxymoron Dance Company zum Opfer fallen könnten oder neue Reihen wie „Rubys Tuesday“ und „Red Wall“, die von jungen Mitarbeitern entwickelt wurden und dem Waschhaus eigene und individuelle Facetten hinzufügen, vielleicht bald auch zur Disposition stehen, dann darf und muss eine solche Entwicklung hinterfragt werden.
Denn dann stellt sich auch die Frage, ob die Waschhaus gGmbH überhaupt noch ihrem Prädikat „gemeinnützig“ gerecht werden kann? Gemeinnützig im Sinne der Definition, das allgemeine Wohl zu fördern und dabei keine eigenen Interessen in materieller und wirtschaftlicher Hinsicht zu verfolgen? Ob das, was in Zukunft im Waschhaus angeboten werden soll, weiterhin auch durch Stadt und Land gefördert wird? Denn das ist ja Sinn und Zweck öffentlicher Kulturförderung: Dass dadurch künstlerische Projekte wie Ausstellungen in der Galerie Kunstraum, Eigenproduktionen der Oxymoron Dance Company oder andere Ideen verwirklicht werden können, ohne dass diese dem Diktat der Wirtschaftlichkeit unterworfen sind. Die Stadt Potsdam, die das Waschhaus jährlich mit 340 000 Euro fördert, hat dazu eine klare Meinung.
„Der Tanzbereich mit der Oxymoron Dance Company und dem Kursprogramm sowie der Bereich Bildende Kunst mit den Ausstellungen und Begleitveranstaltungen im Kunstraum gehören zum festen Veranstaltungsprofil des Waschhauses“, sagt Birgit-Katharine Seemann, Fachbereichsleiterin für Kultur und Museum, den PNN auf Nachfrage. Galerie Kunstraum und Oxymoron Dance Company seien fester Bestandteil des Waschhaus-Konzepts, auf dessen Grundlage die Förderung basiere. Dieses Konzept war es auch, das 2008 den Ausschlag gegeben habe, dass beim Auswahlverfahren für den neuen Betreiber nach der Insolvenz des Waschhaus-Vereins jene Waschhaus gGmbH den Zuschlag erhielt, deren Geschäftsführer Wilfried Peinke bis heute ist. Die recht deutlichen Überlegungen Peinkes über die Zukunft der beiden Einrichtungen kommentiert Birgit-Katharine Seemann wie folgt: „Dies widerspräche dem gültigen Konzept der Waschhaus gGmbH, auf dessen Basis die Einrichtung gefördert wird.“ Eine grundlegende Änderung des Kunstraum-Profils sei nicht möglich, ohne die Förderung zu gefährden. „Derzeit findet ein Abstimmungsprozess mit dem Geschäftsführer hinsichtlich des inhaltlichen Profils des Waschhauses statt“, so Birgit-Katharine Seemann.
„Ich habe nicht den Eindruck, dass jemand ernsthaft an uns zweifelt“, sagte Wilfried Peinke in dem Gespräch mit den PNN. Es sind viel mehr, als Wilfried Peinke wohl ahnt.
Dirk Becker
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