
© Andreas Klaer
Von Heidi Jäger: Nicht nur im eigenen Matsch waten
Die Neue im T-Werk: Suse Weiße bietet Theaterkurse für Kinder und Jugendliche an/ Heute gibt es eine Werkstatt
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Schattenmonster und Prinzessin begleiten sie an ihrem heutigen ersten Arbeitstag. Es ist Suse Weißes Einzug ins T-Werk als Theaterpädagogin. Ein Ende und zugleich ein Anfang. Denn ihre Vorgängerin Yasmina Ouakidi verlässt auf eigenen Wunsch die Schiffbauergasse und setzt künftig ihre Arbeit im Treffpunkt Freizeit fort. Mit Suse Weiße soll sich das theaterpädagogische Angebot des T-Werks nicht grundsätzlich verändern, aber vielfältiger werden, wie T-Werk-Sprecher Jens-Uwe Sprengel auf PNN-Nachfrage sagt. Und so wird es erstmals einen Kurs geben, in dem sich auch Kinder spielerisch die Welt der Bühne erschließen können.
Am Wochenende ist Gelegenheit, die offenherzige und couragierte Suse Weiße näher kennenzulernen: bei „Schattenmonster und Prinzessin“ für Kinder ab neun Jahren und „HeldenHaft“ für Jugendliche ab 14 . Workshops, in denen die Theaterpädagogin, Erzählerin, Regisseurin, Spielerin und Dozentin vor allem eines ist: Impulsgeberin. „Mir geht es nicht darum, kleine Schauspieler auszubilden. Ich möchte, dass sich eine Gruppe findet, in der sich alle frei fühlen, sich selbst auszuprobieren.“
Die 47-jährige gebürtige Ostfriesin ist kein unbeschriebenes Blatt in der Theaterpädagogik: Am Kammertheater Neubrandenburg baute sie nach der Wende ein Amateurtheater auf, in dem 10- bis 60-Jährige gemeinsam ein Gespür für die Gesetze und Magie der Bühne entwickelten. Diese Gruppe gibt es noch immer, während Suse Weiße der Liebe wegen die Stadt verließ und 2001 nach Potsdam-West zog, „das damals noch nach Ofenheizung stank und nicht so teuer und chick wie heute war. Dennoch habe ich es nicht bereut, dass ich hierher kam.“
Ihre Koffer sind indes immer griffbereit. Gerade kommt sie von einer Märchentour aus Luxemburg zurück und ist noch ganz übernächtigt von der Zugfahrt. Doch wenn sie über die Möglichkeiten des Theaters spricht, werden die müden Augen hellwach. Sie reist viel durch Europa, nach Irland, Belgien, Finnland und gibt an Schulen Erzähl-Workshops. Dabei stellte sie fest, dass die Jugendlichen dort viel angepasster und nicht so leicht aus der Reserve zu locken sind wie in Deutschland. „Hier sind sie eher bereit, etwas auszuprobieren,“ so ihre Erfahrung. Diese Lust möchte sie auch in dem Workshop „HeldenHaft“ und dem sich daran anschließenden ständigen Kurs herauslocken. „Bei Jugendlichen geht es oft um das Spannungsverhältnis Macht und Solidarität. Sie stehen vor der Entscheidung, folge ich dem Mainstream oder dem eigenen Gewissen. Doch was passiert, wenn sich alle anpassen?“ Fragen, die nicht theoretisch analysiert, sondern auf der Bühne lustvoll erfahrbar gemacht werden sollen.
Sie selbst ist sehr früh eigene Schritte gegangen. Suse Weiße, deren Eltern zum Bildungsbürgertum gehören, wollte sich schon als Jugendliche einmischen und verändern helfen. „Ich war total naiv, aber ich wolle raus aus Deutschland, wo gerade die SPD abgewählt und der Nato-Doppelbeschluss gefällt wurde. Nichts war von Revolution zu spüren.“ Also arbeitete sie nach dem Gymnasium ein Jahr in der Industrie, um sich Geld für ein freiwilliges soziales Jahr im Ausland zu verdienen. Dann fuhr sie, ganz allein, nach Chile: in das Apartheid-Regime von Pinochet. Ohne Handy und Internet. „Drei Mal im Jahr konnte ich nur mit meinen Eltern telefonieren und hatte natürlich Heimweh. Ich war blauäugig, setzte mich Gefahren aus, was ich heute so nicht mehr machen würde.“ In den Slums von Santiago spielte sie mit Kindern Theater, während eine Mauer des Schweigens und des Todes über der Stadt lag. „Auf einmal flammten die Proteste auf, getragen von Angst und Euphorie.“ Nachts hörte sie das aufbegehrende Topfschlagen in den Slums und jede Beerdigung ermordeter Chilenen wurde zu einer neuen Demonstration, in die sie sich einreihte. „Ich habe mich als Teil des Ganzes empfunden.“
Sie freut sich, dass heute auch in Deutschland wieder etwas bröckelt, sich öffentlicher Widerstand formiert. „Ich mache aus meiner politischen Haltung nie einen Hehl. Aber ich stelle sie zur Disposition und die Kinder sollen meine Meinung nicht übernehmen.“ Sie plädiert aber dafür, dass sich Kinder und Jugendliche mit der Gesellschaft ins Verhältnis setzen, sich nicht nur pausenlos selber spielen.
Dabei arbeitet Suse Weiße gern mit Geschichten, die eine zeitliche Distanz haben. Egal ob Science Fiction oder Stoffe, die 300 Jahre alt sind. „Wenn man zu nah dran ist, sieht man oft zu wenig“, so die Diplompsychologin, die sich bewusst gegen eine Arbeit als Therapeutin entschieden hat, weil sie im Theater viel mehr geben könne als in einer Zweier-Konstruktion. „Wir watschen auf der Bühne nicht nur im eigenen Matsch, sondern setzen uns mit der Welt ins Verhältnis. Und dabei soll der Spaß nicht zu kurz kommen,“ so die in fröhlich bunten Farben gekleidete Theaterpädagogin, die an der Universität der Künste in Berlin studierte und heute dort selbst „Erzählen“ unterrichtet. Wie auch an der FU Berlin und an der Universität in Erfurt. „Ich picke mir jetzt aber die Rosinen heraus, denn ich will mehr in Potsdam arbeiten, um näher bei meinen Kindern zu sein.“
Sohn Mike will unbedingt auch in ihrem Workshop mitmachen, doch da muss sich der Achtjährige noch ein Jahr gedulden. „Erst soll sich die Gruppe richtig finden. Mit eigenem Sohn ergibt sich wieder eine andere Beziehungsdynamik.“ Verwehren möchte sie es ihm natürlich nicht. Ebenso wenig wie dem fünfjährigen Marcel, der vielleicht eines Tages auch Interesse anmeldet. „Ich freue mich, dass ich sesshafter werde“, und vielleicht auch Zeit bleibt, mit ihrem Mann Frank Zimmermann, der nicht nur Naturwissenschaftler, sondern auch Cellist ist, Projekte anzuschieben.
Der Dienstag gehört aber dem T-Werk und ihren vorerst zwei Kursen, die sich nach dem jetzigen Workshop-Wochenende formieren sollen. „Es wird spannend für beide Seiten. Ich bin zwar teamfähig, aber auch sehr dominant. Deshalb bin ich dafür, die Aufgaben im Haus genau zu verteilen.“ Da Suse Weiße schon als Gast in der Inszenierung „Der Fischer und seine Frau“ von Jens-Uwe Sprengel im T-Werk mitspielte, werden beide Seiten wissen, worauf sie sich einlassen. Auf jeden Fall auf „Schattenmonster und Prinzessin“.
T-Werk-Theaterworkshop für Kinder ab neun Jahren heute und morgen, 13 bis 16 Uhr, für Jugendliche ab 14 Jahren 17 bis 20 Uhr, Teilnahme kostenlos.
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