"Intersonanzen"-Festival: Nicht verpflichtet, jedem zu gefallen
Die „Intersonanzen“, das Festival für Neue Musik, gehen in diesem Jahr auch unter die Humboldtbrücke
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Töne, Geräusche, elektronische Effekte, Sprache, Stille und Echo: Konzerte der Kategorie Neue Musik, die sich durch klassische als auch unorthodoxe Bausteine und eine scheinbar anarchische Herangehensweise auszeichnen, ziehen stets ein besonderes Publikum an. Am morgigen Freitag werden zum 14. Mal die „Intersonanzen“, das Brandenburgische Fest der Neuen Musik, in Potsdam eröffnet. Bis zum 24. Mai finden zwölf Konzerte in Potsdam sowie vier im brandenburgischen Umland statt. Der Veranstalter, der Brandenburgische Verein Neue Musik, zählte im vergangenen Jahr etwa 550 Besucher. Die Kategorisierung als „exklusive Veranstaltung“ findet der neue Festival-Chef Ralf Hoyer, der diese Aufgabe von Susanne Stelzenbach im letzten Herbst übernahm, jedoch unpassend. „Wir sind nicht exklusiv, niemand ist ausgeschlossen – jeder darf zu uns kommen“, sagt der Komponist aus Berlin. Und ergänzt: „Wir sind aber nicht verpflichtet, jedem zu gefallen.“
Neue Musik unterliegt keinem Harmonie- oder gar Gefälligkeitsanspruch. Sie kann schwierig sein, komisch, provozierend oder unangenehm. Und es gab sie schon immer. Kirchenmusiker und Komponisten wandten sich gegen überkommene Strukturen und Hörgewohnheiten, experimentierten mit neuer musikalischer Sprache. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde der Begriff Neue Musik zunehmend für zeitgenössische, moderne Werke gebräuchlich, für Avantgardistisches in der Tradition Arnold Schönbergs, atonale Kompositionen und Zwölftontechnik, die ein neues Musikempfinden ausdrückten.
Die von Potsdam in diesem Jahr mit 20 000 Euro geförderten „Intersonanzen“, zu Deutsch: Zwischentöne, wollen an diese Tradition, diese fortlaufende Entwicklung, anknüpfen. Es ist ein Festival für Zuhörer, interessierte Fans, Kritiker sowie neugierige Gäste. Gleichzeitig ist es eine Plattform für Musiker und Komponisten, die Neues kennenlernen und ausprobieren wollen.
„Die Konzerte zeigen einen repräsentativen Querschnitt der gegenwärtigen Kompositionstätigkeit im Land Brandenburg“, sagt Ralf Hoyer. Etwa 50 Komponisten beschäftigen sich derzeit mit diesem bisweilen sperrigen Thema, schreiben Stücke, die oft schwer an den Mann zu bringen sind. Auch weil man diese Musik am besten live erlebt, sagt der Potsdamer Musiker, Komponist und Dozent Michael Schenk. Es ist ein visuelles Erlebnis, bei dem ungewöhnliche, experimentelle Wege der Klangerzeugung, das Miteinander der Musiker und deren Beziehungen zueinander eine Rolle spielen. Instrumente werden artfremd benutzt, Räume und die Umgebung einbezogen und für Effekte genutzt. Im vergangenen Jahr inszenierte Schenk ein Doppelkonzert, bei dem sich ein Ensemble am Ufer des Tiefen Sees und eines auf einem vorgelagerten Boot befand. Weiterhin wurde Musik mit Tanz kombiniert. In diesem Jahr liegt der Fokus darauf, dieses Genre weiter ins Land hineinzutragen, sagten die Veranstalter. Erstmals finden Konzerte in Eberswalde, der Stadt Brandenburg und auf Schloss Wiepersdorf statt.
Im Programm steht weiterhin Musik von Komponisten aus Rumänien, dem diesjährigen Gastland. Unter den Stücken Brandenburger Komponisten sind wie gewohnt viele Uraufführungen. Zum Beispiel „Modernes Blech“, eine Inszenierung von Klang, Objekt- und Lichtinstallation, bei der das Landespolizeiorchester Brandenburg unter der Humboldtbrücke spielt. „Das wird eine ziemlich schräge Nummer“, sagt Ralf Hoyer gespannt.
Zuvor gibt es am Samstagabend eine Begegnung von bildender Kunst und Neuer Musik. Das elektro-akustische Konzert mit Video und Kunstaktion des Potsdamer Malers Mikos Meininger findet im Kunsthaus Sans Titre statt.
Um sich auf solche Hörerlebnisse einzustellen, bietet Schenk wie in den letzten Jahren einen Hörspaziergang an. Die Klangexpedition führt vom Hauptbahnhof über und unter der Langen Brücke hindurch, dort gibt es Neue Musik für Saxophon. Dabei wird mit den Teilnehmern das aufmerksame als auch das selektive Hören geübt. „Eine Klanglandschaft im Kopf entstehen zu lassen – das ist ein synästhetisches Erlebnis, das man allerdings zulassen muss“, sagt Schenk. „Das angebotene akustische Material ist letztlich für alle Hörer dasselbe, doch jeder macht mit seiner eigenen Hörerfahrung etwas anderes daraus.“
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