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Kultur: Ohne Heiligenschein

Claudia Blut zeigt ab heute in der Galerie Töplitz „Götter meiner Wahl"

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Claudia Blut zeigt ab heute in der Galerie Töplitz „Götter meiner Wahl" Von Heidi Jäger Die Ernte ist eingebracht. Mit der vierten Ausstellung geht das Töplitzer Galeriejahr zu Ende und trumpft zugleich noch einmal mit reichen Früchten „götterhaft“ auf. Allerdings sind die übersinnlichen Schöpfer der Natur von ihrem Sockel gehoben und mischen sich sehr lebendig mit ein. Die Berliner Künstlerin Claudia Blut malt beschädigte Schönheiten ohne göttlichen Heiligenschein. Aus den Gesichtern dieser geerdeten Wesen spricht eine kraftvolle Vitalität, aber auch Verletztheit und eine leise Melancholie. Obwohl mit Öl auf Leinwand gemalt, wirken ihre Körper auf dem ersten Blick wie Plastiken. Die Bilder sind von subtiler Tiefe, verharrend in der Bewegung. Marianne Kreutzberger vom Verein Havel-Land-Art hat wieder einmal ein glückliches Händchen bei der Künstler-Auswahl gehabt. In diesem Fall eine sehr persönlich gefärbte. „Die Göttinnen von Claudia Blut guckten mich von den Flurwänden des Klinikums Steglitz trotzig an und machten mich kämpferischer, als es galt, mit einer schweren Krankheit fertig zu werden.“ Marianne Kreutzberger suchte nach der Genesung ihres Sohnes zielgerichtet die Künstlerin auf – und brachte sie nach Töplitz. Nun hängen die kaputten Körper mit den gealterten und wissenden Gesichtern an den morbiden Wänden der Galerie und raunen dem hellhörigen Besucher leise ihre Geschichten zu – kunstvoll versteckt natürlich auch die von Claudia Blut. Die 53-jährige Berlinerin ist eine „späte“ Künstlerin. Mit 35 Jahren legte sie ihren Beruf als Rechtsanwältin erst einmal ad acta, um sich Zeit für ihre zwei Kinder zu nehmen. Sie nutzte diese Pause aber auch, um sie sich mit Kunst zu versüßen – und studierte kurzerhand an der HdK Kunstpädagogik. Die Kunst blieb an ihr hängen. Aus der Pause wurde eine neue Weichenstellung. Seit 1990 ist Claudia Blut freiberuflich. Obwohl sie durchaus immer mal wieder Bilder verkauft, muss sie ihre Haushaltskasse aber durch Auftragsarbeiten in der Wandmalerei aufbessern. Fast jedes Jahr wartet sie mit einer neuen Ausstellung auf, zumeist in Berlin – über die dortigen Bezirksämter vermittelt. Auch im Hamburger Bahnhof Berlin war sie in einer Gemeinschaftsausstellung mit anderen Frauen vertreten – „Erhobenes Hauptes“ – auch wenn sie diese Schau heute versucht, niedrig zu hängen. Die Töplitzer Ausstellung zeigt zwei ganz verschiedene Seiten dieser einst frauenbewegten Künstlerin, die sich sowohl im gedämpften Blau, vor allem aber in der Farbe Rot wohl fühlt und ihre „Götter“ gern darin eintaucht. Sie mag aber auch Spiegel – verziert mit allerlei Finessen, glitzernden und barocken Attitüden, oder schlicht in ein altes Holzgestell eingelassen. Woher diese Liebe für ihre Spiegeleien kommt, kann sie nur mutmaßen. „Meine Eltern hatten in ihrem Schlafzimmer viele große Spiegeltüren. Darin konnte man sich von allen Seiten betrachten. Das hatte einen richtigen Moulin-Rouge-Effekt“ – und zog das kleine Mädchen magisch an. Mit offensichtlich kreativen Folgen. „Basteln ist der Aufstand der Sinne gegen die Theorie“, ist ein Ausspruch, den sie an ihre Ateliertür geheftet hat und der vielleicht unterschwellig die sinnliche Brücke ist zwischen ihren Göttern und Spiegeln. Claudia Blut findet ihre Inspiration auf der Straße, in den Menschen, die ihr täglich begegnen: der Postbote am frühen Morgen, Studierende in der Bibliothek. Sie werden von ihr skizziert, fotografiert. Und die Künstlerin zieht''s mit Leidenschaft auch immer wieder nach Venedig, um die Häuser mit ihren bröckelnden Fassaden, die Schwemme von Marmorbüsten oder Stuckwerk zu bestaunen und sie zu eigenen Motiven werden zu lassen. In Venedig fand sie auf dem Trödelmarkt auch eine kleine biegsame Puppe, wie sie sie aus Kindertagen kennt. Sie verewigte sie in dem wohlige Wärme atmenden Bild „little fellow“: eine große Hand hält die kleine Puppe wie einen trost- und kraftspendenden Begleiter zärtlich fest. Eine „Gottheit“ der besonderen Art. Vor der heutigen Eröffnung um 17 Uhr gibt es um 16 Uhr in der Dorfkirche neben der Galerie ein Konzert mit Werken von Bach, Händel, Haydn u.a. Es spielt das Duo Ying Guo (Cello) und Julia Suslov (Geige).

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