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Mit den Füßen am Boden nach den Sternen greifen. Freie Künstler sind immer in der Zwickmühle: Großes schaffen, etwas, in dem Herz und kluge Gedanken stecken, oder lieber den Lebensunterhalt verdienen. Die Tänzerin Laura Heinecke (o.) kennt das.

© Bernd Gurlt

Kunst-Förderpreis Brandenburg: Potsdamer Künstler bekommen Geld für ein Stück Identität

Neun Potsdamer Künstler erhalten den Kunst-Förderpreis des Landes Brandenburg. In welche neuen Projekte fließen die Gelder?

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Potsdam - Kunst ist der Kuchen, glauben viele. Schmeckt gut, macht aber nicht satt. Und: Kunst kostet. Muss das wirklich sein, fragen manchmal stumm Politiker und Bürger, wenn Künstler mal wieder teure Projekte planen. Dabei ist die Antwort eigentlich klar: „Manchmal muss man daran erinnern, dass Kunst nicht etwa die Hand aufhält, wenn sie Unterstützung sucht, sondern hochwirksam Identität stiftet, die wir dringend brauchen, damit wir nicht am Ende ganz falschen Identitätsversprechen auf den Leim gehen.“ Mit diesen Worten lobte Gerrit Gohlke, künstlerischer Leiter des Brandenburgischen Kunstvereins, am Montagabend eigentlich nur die Künstlerin Susken Rosenthal, die neben fünf Kollegen mit dem Brandenburgischen Kunst-Förderpreis im Bereich Bildende Kunst ausgezeichnet wurde. Gleichzeitig steht der Satz natürlich programmatisch nicht nur für den Zweck des Abends, sondern für das Verhältnis von Kunst und Politik.

Die Kunst-Förderpreise, die Kulturministerin Sabine Kunst im T-Werk an 18 Männer und Frauen vergab, verschaffen den so Ausgezeichneten immerhin ein wenig Spielraum, Luft zum Arbeiten: Die Preise für Literatur sind dotiert mit monatlich 830 Euro, die über einen Zeitraum von je vier Monaten ausgezahlt werden, für die Bereiche Bildende Kunst, Musik und Darstellende Kunst werden einmalig 2200 Euro vergeben. Zuvor hatten die Potsdamer Preisträger und Stipendiaten Projekte umrissen, die sie mit den Fördermitteln umsetzen wollen.

Die Tänzerin und Choreografin Laura Heinecke etwa will mit dem Geld ihr nächstes Stück vorbereiten. Für freischaffende Künstler wie sie sind gerade diese Planungsphasen finanziell immer herausfordernd: „Man ist ja sonst eigentlich nie bezahlt, solange man noch Anträge schreibt und recherchiert nach Leuten, mit denen man zusammenarbeiten will“, sagt Heinecke. Was sie vorhat? Diesmal will sie Musik und Tanz auf der Bühne verschmelzen, ein Gesamtkunstwerk nennt sie es selbst. Als Musiker hat sie sich schon das renommierte Pulsar-Trio herangeholt, das Potsdamer Ensemble aus Sitar, Schlagzeug und Klavier. Premiere von Heineckes neuem Stück soll Ende 2016 sein. Im Bereich Darstellende Kunst war sie die einzige Ausgezeichnete, in den anderen Kategorien gab es jeweils mehrere Preisträger.

MUSIK

Im Bereich Musik kommen die drei Gewinner ebenfalls aus Potsdam: Max Punstein ist Jazz-Schlagzeuger und noch nicht lange in der Stadt, trotzdem hat er die Jazz-Szene hier ziemlich aufgemischt. Vor fast genau einem Jahr hat er die monatliche Reihe „JazzTime in Babelsberg“ im Kulturhaus Babelsberg ins Leben gerufen – aus den Begegnungen der Musikern soll jetzt ein Album entstehen.

Mark Eisenschink hingegen könnte man fast schon als Etablierten bezeichnen. Der Gitarrist hat an zwei Produktionen von Christoph Schlingensief mitgearbeitet und ist heute musikalischer Leiter am Hans Otto Theater. Sein Preisgeld will er in sein Projekt „Spielräume“ stecken, für das er die Akustik von 15 bis 20 Orten in Brandenburg untersuchen will: Abbruchhäuser, das Mini-U-Boot auf dem Helenesee, aber auch Kirchen oder die Ruine der ehemaligen Klinik in Beelitz-Heilstätten. Aus den Aufnahmen soll eine etwa 30-minütige Komposition entstehen.

Ein Auslandsstipendium erhielt Knut Andreas, seit 1998 Künstlerischer Leiter und Dirigent des Sinfonieorchesters Collegium musicum Potsdam.

BILDENDE KUNST

Anna Werkmeister arbeitet sich gerne an Fassaden ab – und damit zugleich auch gegen die immer glatter werdenden öffentlichen Oberflächen an. Für Potsdam plant sie nun eine Arbeit im öffentlichen Raum, die ihre Fassadeninterventionen mit der Malerei verbinden soll.

Mit Malerei, dem so oft totgesagten Medium, beschäftigt sich auch Andreas Hildebrand. In seinen Bildern lässt er Gesten, Formen und Zeichen sich überlagern bis hin zur Unübersichtlichkeit oder er reduziert Formen zu minimalistischen Bildern. Grundlagenforschung an unserer immer stärker durch virtuelle Welten geprägten Wahrnehmung.

LITERATUR

Carolin Lorenz befragt gerne die Vergangenheit: Die Potsdamer Autorin hat für das Theaterstück „Vom Widerstehen“ ihre ganz persönliche Geschichte aus der Zeit vor und während der Wende erzählt. Jetzt hat sie sich Interviews vorgenommen, die Frauen der großen Sarah Kirsch einst aufs Tonband sprachen. Aus diesen Monologen hat Lorenz Dialoge über die DDR geschrieben.

Weniger historisch, sondern durch und durch lyrisch sind die Arbeiten von Christiane Schulz, die sich in ihren Gedichten stets der Natur widmet: nie missionarisch, nie thesenhaft. Der Preis soll sie bei der Arbeit an einem neuen Band unterstützen.

ISTANBUL

Zum ersten Mal wurden zudem zwei Stipendien für einen zweimonatigen Aufenthalt in Istanbul vergeben. Aus Potsdam ist die bildende Künstlerin Beret Hamann dabei. Sie will mithilfe von Interviews herausfinden, wie Frauen dort zwischen Tradition und Moderne leben, lieben und arbeiten.

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