Werner Scholl war in Sachen Musik stets im Rundum-Einsatz. Nicht nur, dass er am Klavier oder an der Orgel Werke interpretierte. Er war sich auch nie zu schade von Zeitungsredaktion zu Zeitungsredaktion, von Geschäft zu Geschäft zu eilen, um Einladungen für seine Konzerte an die Frau und an den Mann zu bringen. Dabei hatte er immer ein herzlich-offenes Wort parat und konnte in Gesprächen sofort musikgeschichtliche Beiträge auf Nachfrage liefern.
Der Pianist Werner Scholl hatte mit dem von ihm bald nach der politischen Wende gegründeten Verein zur Förderung der Kammermusik in Potsdam eine große Anzahl von Konzerten zunächst im Alten Rathaus später im Treffpunkt Freizeit organisiert. Mit renommierten Künstlern aus Berlin und anderswo präsentierte Scholl ein vielfarbiges Programm, das die Facetten der Klavier- und Kammermusik vor allem der Klassik und der Romantik veranschaulichte. Und natürlich war er auch immer wieder selbst mit seinen Mozart-, Beethoven- oder Schubert-Interpretationen zu hören. Das von ihm geleitete Mendelssohn-Trio gab eine ganze Reihe beachtlicher Konzerte auch außerhalb der Landeshauptstadt. Besonders gern erinnert man sich auch an jene Veranstaltungen, die von der brandenburgisch-preußischen Musiktradition getragen wurden. Dabei konnte der Pianist so manche Anekdote mit einflechten.
Neben Rundfunk- und Fernsehaufnahmen führten ihn Konzertreisen unter anderen nach Japan, Brasilien, Syrien, Jordanien, Polen, Ungarn, Österreich, Schweiz, in die ehemalige Sowjetunion und in viele deutsche Städte.
Der umtriebige Pianist hatte auch immer die Orgel im Blick, ob in der Schlosskirche in Köpenick oder in der Französischen Kirche auf dem Potsdamer Bassinplatz. Hierbei bestach ebenfalls die große Vielfalt, mit der er Programme zusammenstellte.
Der 1937 in Potsdam Geborene, der an der Staatlichen Akademischen Hochschule Berlin (heute UdK) bei Rudolph Schmidt studierte, schaffte es gerade noch vor dem Mauerbau, in Westberlin sein Examen abzulegen. Danach nahm er intensiven Unterricht bei dem Leipziger Pianisten Amadeus Webersinke. Doch Scholl blieb immer seiner Heimatstadt treu. In ihr kam er bereits zu DDR-Zeiten als Pianist zu Wort. Als die Leitung des Collegium musicum Potsdam vakant wurde, agierte Scholl für mehrere Jahre als Dirigent.
Der Musiker war ein begeisterter Potsdamer. Nicht nur, dass er sich in der Stadt für ein farbiges Konzertleben als Interpret einsetzte, als SPD-Mitglied engagierte er sich auch in der Kommunalpolitik. Anfang der neunziger Jahre wählte man ihn in die Stadtverordnetenversammlung. Sein großes Thema war auch dort die vermehrte Förderung von Kunst und Musik in Potsdam, frei von Gängelung und Anpassung. Eine Herzensangelegenheit war ihm die Wiedergewinnung der historischen Stadtmitte und vor allem des Stadtschlosses.
Am 26. Juni ist der Pianist Werner Scholl nach kurzer schwerer Krankheit mit 78 Jahren überraschend gestorben.
Klaus Büstrin
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