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Klaus Arlt, Potsdamer Historiker, begeht seinen 90. Geburtstag.

© Andreas Klaer

Potsdams ganzheitlicher Heimatforscher: Klaus Arlt wird 90 Jahre alt

Er weiß, wie man in Archiven recherchiert, wie man alte Akten und Stadtpläne liest. Genauso wichtig ist dem Potsdamer Historiker, mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Am Sonntag feiert Klaus Arlt seinen 90.

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Wenn Klaus Arlt als Potsdamer Bürger und Hobbyhistoriker den Kulturausschuss zu Straßennamen beriet, konnte es dauern. Er nahm sich seine Zeit, gründlichst biografische, regionale, gesellschaftspolitische oder kulturelle Aspekte aller potenziellen Namensgeber zu erläutern. Und man hätte ihm gerne ewig zugehört, wenn da nicht eine Tagesordnung gedrängt hätte.

Am Sonntag (4. August) wird Klaus Arlt, der sich, was Potsdam betrifft, bescheiden Heimatforscher nennt, promovierter Biologe, Buchautor, fünf Jahrzehnte Vorsitzender der Studiengemeinschaft Sanssouci und nach wie vor gefragter Ratgeber in Sachen Regionalgeschichte, 90 Jahre alt. Mit der Familie geht es dann auf eine Rundfahrt mit der MS Sanssouci, „dann kann keiner von der Feier abhauen“, sagt Arlt mit dem für ihn typischen trockenem Humor.

Geboren wird Klaus Arlt 1934 in Babelsberg und wächst im Kiez am Findling in einer Arbeiterfamilie auf. Der Vater ist Schriftsetzer und SPD-Mitglied, der Onkel ist Dachdecker. Im Keller liegen stapelweise Fachzeitschriften, das findet der Junge sehr interessant, ebenso wie dem Onkel dabei zuzusehen, wie er am Auto schraubt.

Klaus Arlt will die Schule vor dem Abi abbrechen und einen technischen Beruf erlernen, denn „als Geselle oder Meister war man wer“. Er bleibt dann doch auf der Schule und nimmt in den kommenden Jahren alles mit, was seine Neugier und seinen Entdeckungsdrang befriedigt. Wenn der Kulturbund Heimatkundliche Wanderungen anbietet, ist er dabei. Hier kommt alles zusammen, Geschichte, Geologie, Tiere und Pflanzen, das gefällt ihm. Er geht zu Stadtgeschichte-Vorträgen und darf sich im Archiv im Stadtmuseum da umsehen, wo andere nicht hinkommen. Die Eltern fürchten schon, er könnte „so ein Museumfritze werden“, sagt Klaus Arlt heute amüsiert.

Frechheit, eine meiner Tugenden.

Klaus Arlt, Autor, Biologe und Heimatforscher aus Potsdam

Erst einmal meldet er sich beim Landestheater, das Mitwirkende für eine Aufführung von „Emil und die Detektive“ sucht. Prompt darf er den „Professor“ spielen, im Schlosstheater, einmal kommt Erich Kästner persönlich und legt ihm beim Schlussapplaus auf der Bühne den Arm um die Schulter. Nach der Schule studiert er weder Schauspiel noch Geschichte, sondern Biologie, denn seit der ersten Volkskammerwahl 1950, „eine undemokratische Zettelwahl“, ist ihm klar, wo die Reise hingeht in der DDR. Da kann man nicht Geschichte studieren, dann lieber Tiere und Pflanzen. Später wird die Staatssicherheit versuchen, ihn zur Mitarbeit zu werben. Wie er das abgewehrt hat? „Mit Frechheit, eine meiner Tugenden“, sagt Arlt. Als Biologe arbeitet er gerne, zuletzt an der Biologischen Zentralanstalt Berlin in Kleinmachnow.

Genauso wissenschaftlich präzise wie als Biologe erforscht er seine Heimatstadt. Er weiß, wie man was in Archiven und Bibliotheken findet, wie man alte Akten und Stadtpläne liest. Und er weiß, wie wichtig Feldforschung ist: „Man muss raus zu den Orten, auf alten Fundamenten stehen. Auch mal über eine Mauer klettern. In die Kneipe gehen und mit den Leuten reden.“

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Sein immenses Wissen fließt in Publikationen, unter anderem in die regelmäßigen Hefte für die Studiengemeinschaft Sanssouci, Verein für Kultur und Geschichte Potsdam, dessen Arbeit er maßgeblich prägt.

Während die DDR solche kulturpolitischen Ambitionen unterstützt, ist Forschung zum jüdischen Leben nicht erwünscht. Dazu haben wir nichts, sagt man ihm, wenn er in Archiven nachfragt. Vermutlich fürchtete man Rückübertragungsforderungen, glaubt Arlt. Erst nach der Wende wird hier Forschung möglich. 2006 wird er dafür mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

Und auch mit 90 Jahren hat Arlt noch Pläne. Eine neue Auflage seines Buches „Die Straßennamen der Stadt Potsdam, Geschichte und Bedeutung“ wäre vonnöten, sagt er ambitioniert. Dazu hätte er große Lust.

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