Mit Charme und liebenswürdigem Schalk im Nacken kam Alessandro Marchetti am Sonntag auf die Bühne. Man ahnte, dass ein amüsanter Abend im überfüllten T-Werk bevorsteht. Der Altmeister der Commedia dell’arte entführte die zumeist begeisterten Zuschauer mit dem Stück „La Maschera e il Volto“ (Die Maske und das Antlitz) auf eine tragikomische und geheimnisvolle Reise in die alte Theaterkunst, die als Stegreif-Spiele auf italienischen Straßen und Plätzen ihren Ursprung hat. Marchetti bot zugleich auch eine unterhaltsame Lehrstunde. Assistiert wurde er von David Matthäus Zurbuchen, der im Tessin, also in der italienischen Schweiz, zu Hause ist. Er ist ebenfalls ein prominenter Darsteller und Regisseur in Sachen Commedia dell’arte. Am Tag zuvor leitete er im T-Werk einen Workshop zu dieser Kunst und unlängst inszenierte er mit dem Potsdamer I-Confidenti-Ensemble die Farce „Hunger und Liebe“.
Initiatorin der Veranstaltung im T-Werk war die rührige Brandenburgische Gesellschaft der Freunde Italiens „Il Ponte“ und ihre Vorsitzende Maria-Luise Döring. Damit machte sie wiederum deutlich, dass sie eine unverzichtbare Brückenbauerin zur Kultur und zu den Menschen des mediterranen Landes in Potsdam ist, eine Stadt, die bekanntlich mit viel italienischem Flair ausgestattet ist.
Alessandro Marchetti und seine Frau Luisella Sala, als Schauspielerin in Italien bekannt, schrieben „La Maschera e il Volto“ nach einer historischen Vorlage. Man glaubt kaum, dass Marchetti bereits 84 Jahre alt ist. Mit dynamischem Temperament und spritzigem Witz beherrscht er immer noch die Bühne. Er spielt mit Leib und Seele, immer bemüht, mit dem Publikum in Kontakt zu bleiben.
Die Figuren Arlecchino, Brighella, Pantalone, Dottore oder Capitano wurden wunderbar lebendig, waren uns nicht mehr fern. Marchetti stellte die bedeutendsten Figuren in all ihrer Komik und Liebenswürdigkeit mit ihren individuellen Charakterzügen und überzeichneten, stereotypen Verhaltensmustern dar. Vor allem mit liebenswerten, doch auch knorrigen Geschichten, die der Schauspieler erzählte. Unter den kostbaren Halbmasken wurde das Überzeitliche der Commedia dell’arte deutlich: Die vermeintlich Dummen sind oft die Schlauesten. Oder anders gesagt: Es kommt nicht in erster Linie auf den Verstand, sondern auf das Herz an. Und da sind dann auch schlaue Umwege erlaubt. Marchetti wusste mit dem Wechsel von Masken und Attitüden, Körperhaltungen, Stimmen und Dialekten einen ganzen Kosmos von Bildern und Figuren zu verdeutlichen. Neben den Masken war auch die Fantasie des Publikums gefragt. Gemäß der uralten Kunst der Commedia dell’Arte variierte Marchetti dabei sein Spiel, improvisierte und schnitt die Texte auf das Publikum zu.
Nachdenklich entließ der Maestro das Publikum: Die Maske des Krieges und des gewaltsamen Todes sei in der Commedia dell’arte nicht erlaubt: die Gasmaske. Klaus Büstrin
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