Kultur: Sanssouci, zerschnitten
Ausstellung mit Sieger- und Finalisten-Entwürfen zur „Kunst am Bau“ für das neue Landtagsgebäude
Stand:
Für die einen wird die Brechung nicht radikal genug sein, für die anderen viel zu groß. Auf jeden Fall wird dieser Siegerentwurf des Wettbewerbs „Kunst am Bau“ für den Innenhof des Landtagsneubaus polarisieren. Das spürte bereits Gerrit Große, Vizepräsidentin des Landtages und Vorsitzende der Kunst- und Ausstellungskommission, heftig, wie sie am gestrigen Dienstag zur Eröffnung einer Ausstellung im Landtag betonte. Diese zeigt auf dem langen schmalen Flur in der ersten Etage Fotos und Dokumentationen der elf Sieger- und Finalisten-Entwürfe, die aus 100 eingereichten Arbeiten hervorgegangen sind. Realisiert wird indes nur der Siegerentwurf des in Köln lebenden gebürtigen Berliners Florian Dombois und eventuell die Arbeit der Zweitplatzierten, Annette Paul, aus Potsdam. Für ihren vergoldeten, etwa sieben Meter langen Schriftzug „Ceci n’est pas un chateau.“ (Dies ist kein Schloss), der an der Fassade des Ostflügels angebracht werden könnte, macht sich die Jury ebenfalls stark, greift diese kleine Irritation doch die endlose Debatte um den Wiederaufbau des Stadtschlosses auf. „Es ist schön, dass die Arbeiten etwas Provozierendes haben“, betonte Gerrit Große. Die Kunstwerke führen zu Fragezeichen und mitunter zu völligem Unverständnis, ja bei manchen Abgeordneten sogar zur Erschrockenheit bis hin zur Kritik: „Was habt ihr denn da ausgewählt?“
Ja, und was hat diese vielköpfige Jury unter dem Vorsitz der Rektorin der Kunsthochschule Berlin-Weißensee, Leonie Baumann, nun nach langem Prozedere schlussendlich ausgesucht? Eine „Zugabe“, so der Titel von Dombois Siegerentwurf. Eine Zugabe zum Disneyland Potsdam, wie der Künstler diese Stadt bezeichnet, ein Disney des 18. Jahrhunderts. „Aber hier steht diese Illusion brutal neben einer anderen, der sozialistischen Utopie, und das finde ich prima.“ Das Mercure als Schlossnachbarn betrachtet er mit großer Freude.
Auf dem ersten Blick sieht man in den beiden illusionistisch-kulissenhaften Pavillons von Florian Dombois, die in ihrer Gestaltung vom Zentraloval des Schlosses Sanssouci abgeleitet sind, noch mehr Historie zum ohnehin historischen Nachbau des einstigen Schlosses. Hätte es nicht etwas Moderneres, Verrückteres, etwas die barocke Architektur stärker Konterkarierendes sein können? Nimmt man das Augenzwinkern, das Brutale, wie der Künstler es sogar bezeichnet, dieser Sanssouci-Adaption wirklich wahr? „Wir sind es gewohnt in der Kunst, sofort unser Urteil zu fällen“, sagt Leonie Baumann. Und dieses sofortige Urteil könnte schnell vernichtend ausfallen. Doch man spürt beim genaueren Betrachten zumindest der Fotos und des kleinen Modells, dass mehr dahinter stecken könnte. Eine Irritation, eine Täuschung, eine Verzerrung der Perspektiven, ein Nichts hinter güldenfarbiger Kulisse. Natürlich muss erst das fertige Kunstwerk der Betrachtung standhalten und bis dahin gilt die Schutzklausel.
Also warten wir ab, ob diese sieben und fünf Meter hohen Pavillons, die Dombois aus Einzelteilen zusammenstecken will wie künstliche Weihnachtsbäume, halten, was er und die Jury versprechen. Florian Dombois, der in Berlin Geophysik und Philosophie studierte und seit einem Jahr an der Zürcher Hochschule der Künste den Forschungsschwerpunkt Transdisziplinarität leitet, ist jedenfalls kein Freund des Wiederaufbaus der historischen Fassade des Stadtschlosses, obwohl er mit Friedrich groß geworden sei. „Das war unsere preußische Muttermilch, auch wenn ich als Westberliner nur bis zur Glienicker Brücke kam.“ Anfangs habe er jedenfalls stark überlegt, ob er sich überhaupt an dem Wettbewerb beteiligen solle. „Aber es ist ein politischer Raum und da kann man sich nicht so einfach vom Acker machen. Und wenn das Volk sich entschließt, ein Schloss hinzustellen, muss man das ernstnehmen. Deshalb wollte ich auch keine offensichtlich andere Form.“ Also auch kein kontrastierendes Kunstwerk wie etwa die Glaspyramide im Innenhof des Louvre. „Das ist Architektur aus den 80er Jahren und inzwischen wie die sozialistisch geprägte Bauweise konservativ.“ Er arbeitet lieber mit Photoshop, befragt Perspektivverschiebungen bei Google-Earth und will dem Historismus etwas Surreales entgegen stellen. Zugleich hinterfragt er die Sehnsucht der Menschen nach dem vermeintlich Authentischen. „Das Schloss Sanssouci ist immer wieder restauriert worden und nicht mehr das Schloss aus Friedrichs Zeiten. Und dieser Schlossnachbau in Potsdams Mitte entspricht nicht mal mehr dem historischen Volumen. Um zusätzlich Platz für die Parlamentarier zu schaffen, baute man einfach eine Rittersport-XXL-Variante.“
Seine Pavillons kommen vielleicht ein bisschen harmlos daher, „aber alles ist gezogen und gezerrt in seinen Perspektiven, sogar den Schriftzug habe ich rausgenommen. Es ist eben nicht Sanssouci“, so der Künstler. Und Annette Paul, die als Schlossführerin in Sanssouci arbeitet, stimmte geradezu ein Lobgesang auf den Sieger an. „Florian hat sich getraut, einen fast heiligen Raum zu zerschneiden, das Oval im Marmorsaal, das Herzstück von Friedrichs Tafelrunde. Und das mit einem Kreuz. Das ist schon gewagt.“
Noch sind nicht alle Fragen geklärt, wie die „Zugabe“ genau aussehen wird. „Ich muss erst wirklich in dem Innenhof stehen, in ihm herumlaufen und ihn nicht nur als Animation auf dem Bildschirm sehen. Auf jeden Fall werde ich ein 1:1-Modell bauen, bevor ich richtig zu Werke gehe.“ Ziemlich sicher ist schon, dass die auf einem Stahlskelett zusammensteckbaren Platten aus Aluminium sein werden. Ob sie der Künstler bemalt oder mit Siebdruck überzieht, ob die Oberfläche glänzend oder stumpf sein wird – das alles ist noch offen. Sicher ist nur: In diesen Pavillons gibt es kein Dahinter. „Hier kann ich mich nicht verstecken, nicht mal pinkeln gehen oder heimlich rauchen.“
Im Oktober gibt es ein erstes Treffen des Künstlers mit Vertretern des Finanzministeriums als Bauherren des Stadtschlosses. Dann werden die genauen Schritte zur Umsetzung von Florian Dombois „Zugabe“ besprochen. Das Spiel „Alles kann verschoben werden“ beginnt erst richtig.
Bis 21. Dezember, montags bis freitags, 8 bis 17 Uhr im Landtag, Flur der Vizepräsidentin, erstes Obergeschoss, Eintritt frei
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: