Kultur: Sendepausen
„Sehsüchte“ startete mit einigen Pannen und bekam dann doch die Kurve
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Man suchte lange an diesem Abend. Zum Beispiel nach einem Motto des diesjährigen Studentenfilmfestivals „Sehsüchte“ der Potsdamer Hochschule für Film und Fernsehen (HFF). Hatte man im vergangen Jahr die Sache irgendwo zwischen Russland und Wildwest etwas überreizt, war diesmal gar nichts dingfest zu machen. Es sei denn, das straff geschnürte Korsett der Co-Festivalchefin Linda Brezinski sollte mit den SM-Anspielungen im Programmheft korrelieren. Zusammen mit ihrer Kollegin Julia Schwartz gaben die beiden Chefinnen die ungleichen Schwestern, eine brav und devot, die andere züchtig-dominant.
Das große Kino im Thalia hatten die Studierenden mit ihrem Festival zur Eröffnung am Dienstag Abend locker voll bekommen. Die Erwartungen waren groß. Doch die Suche ging auch hier weiter. An diesem Abend wollte so gar nichts klappen. Die lässig auf die Bühne gesetzte HFF-Band brauchte zwei Anläufe zum Intro, das Moderatorenpaar Katharina Bergfeld und Julian Berner sollten den ganzen Abend über zahlreiche Anläufe brauchen, um eine Flut von Versprechern und Verwechslungen auf das Publikum loszulassen. Am Anfang schon war das Mikrofon tot, auch der Trailer lief erst im dritten Anlauf an und Oberbürgermeister Jann Jakobs musste beim Grußwort mit einem Mikro-Ständer kämpfen. „Das ist nicht improvisiert“, parliert er die peinliche Lage. Wie auch HFF-Student Julian Berner die dunkelsten „Sendepausen“ brillant zu überspielen vermochte. „Wir sehen den Trailer jetzt noch einmal ohne Ton und ohne Bild“, quittierte er die versagende Technik. Als dann auch bei ihm alles durcheinander ging, entschuldigte er sich äußerst liebenswürdig damit, dass er doch Wiener sei.
Wenn das Chaos Absicht war, dann war es verdammt gut gemacht. Manch einer in den Sitzreihen vermutete gar Profis am Werk, schließlich hat die HFF exzellente Schauspielstudenten in ihren Reihen. Dennoch, es war eine harte Prüfung für das Publikum. Da sah man schon einige Gestalten durchs Dunkle zum Ausgang fliehen. Der anfangs wohlwollende Applaus der Zuschauer schwand zusehendes dahin.
HFF-Präsident Dieter Wiedemann versprach, dass alles gut werde. Wurde es aber nicht. Doch auch dafür hatte Wiedemann eine Erklärung. Studenten dürfen noch daneben hauen, später im richtigen Leben dürfen sie es nicht mehr. Wie jedes Jahr gab Wiedemann dann noch eine Vision zum Besten, nämlich die von der „Filmuniversität Babelsberg“, mit der sich die HFF über den etwas banalen Titel der Hochschule erheben will.
Äußerst adrett gekleidet schoss dann Wissenschafts- und Kulturministerin Johanna Wanka (CDU) den Vogel ab. Wenn sie sich eine Innovation wünschen dürfe, dann wäre es der Verzicht auf die Grußworte. Damit bekäme das Eigentliche des Festivals, die Filme, mehr Gewicht.
Eigentlich sollte das Festival in diesem Jahr in einem Zelt vor der HFF unweit des Studiogeländes stattfinden. Ein lang gehegter Wunsch auch des HFF-Chefs Wiedemann. Dass dies an den Finanzen scheiterte, bedauerte das studentische Organisations-Team zwar sehr. Doch wollte man ihnen aus dem Publikum entgegen rufen, dass sie doch froh sein sollten über ein so tolles Festivalkino wie das nah am Stadtzentrum gelegene Thalia. Während andere Hochschulen und Institute der Stadt um die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit seit geraumer Zeit buhlen müssen, ist den Filmstudenten der Trumpf des zentralen Kinos geradezu in den Schoß gefallen.
Zum Schluss hatte die Suche an diesem Abend dann doch noch ein gutes Ende. Der Kurzfilm über die Jurys lief fehlerfrei über die Leinwand und war handwerklich durchaus gelungen. Filme machen können die Filmstudenten eben, wie auch die Band, die ihre Instrumente so lückenlos beherrschte, dass sie auch die gravierendsten Pausen mit lockerer Improvisation überbrückte. Ein sehr guter, abwechslungsreich zwischen emotionaler Tiefe und sehsüchtiger Bilderlust pendelnder Filmblock schloss sich an. Sehenswert auf jeden Fall der düstere polnische Film „Razem“ (Samstag, 19 Uhr Thalia 1) über ein Paar am Ende der Zeit oder auch „Nachtflattern“ aus der Schweiz (Freitag, 18 Uhr ,Thalia 2), wiederum über ein Paar, für das die Zeit allerdings noch einmal beginnt.
Die Suche nach der großen, sehr gelungenen und bisweilen auch ausschweifenden Eröffnungsparty im HFF-Bau war dann schließlich nur noch eine Kleinigkeit. Das von Berliner THFW-Studenten abgebrannte grandiose Feuerwerk mit Bombetten, Schweifaufstieg und Kometen sorgte in der lauen Aprilnacht für die nötigen Lichtblicke.
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