Kultur: Sexy Ladies aus Porzellan
Potsdam-Museum zeigt ab heute Puppen-„Mode en Miniature“
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Potsdam-Museum zeigt ab heute Puppen-„Mode en Miniature“ „Donna Bella“ ist zweifellos die attraktivste in der feinen Damenriege. Nicht nur mit ihren Kleidern kann sie Staat machen, auch ihre Accessoires geben sich geradezu herrschaftlich. Da gibt es Visitenkarten und Briefpapier mit Monogramm, einen Binokel und einen „Spreizer“ zum Weiten der ledernen Fingerhandschuhe. Ja sogar eine homöopathische Reiseapotheke ist ihr eigen. All’ diese Raffinessen finden Platz in einer Glasvitrine und sind nur wenige Zentimeter groß. Denn Donna Bella ist eine Puppe und gehört zur Ausstellung „Mode en miniature“, die ab heute im Potsdam-Museum zu sehen ist. Donna Bella ist vor rund 135 Jahren in Paris geboren und hat über Amerika und zurück eine weite Reise nunmehr nach Potsdam angetreten. Dass sie jetzt die Ausstellung im Holländischen Viertel bekrönt, liegt an der Sammelleidenschaft von Hedwig Spuhler-Lüddecke, die mit ihren rund 50 Puppen, unzähligen Puppenkleidern, Modegrafiken und diversen Zubehör 14 Vitrinen geradezu szenisch gestaltet. Dass die Ausstellung nun prompt zur Weihnachtszeit kommt, ist ihr allerdings weniger sympathisch, wird doch die Puppe so eher zum niedlichen Spielzeug degradiert. Die Sammlerin möchte die Puppen und Kleider aber vielmehr als Ausdruck der Zeitgeschichte verstanden wissen – als Mode en miniature vom Biedermeier bis zum Jugendstil. Natürlich hat sie nichts gegen freudige Kindergesichter, die sich an der Vitrinenscheibe die Nase platt drücken. Aber eigentlich sei es eine Schau für Erwachsene, die in den Puppen sicher ihre eigene Kindheit erinnern. Sie werden aber auch erkennen, mit welcher Akribie die Kleider genäht und bestickt sind, dass die Nadelstiche fast übersehen werden dürften. Fast alle Exponate sind Originale aus ihrer Zeit, auch wenn hier und da die Sammlerin mit geschulter Hand zur Restauratorin werden musste. Hedwig Spuhler-Lüddecke nährt seit 30 Jahren ihre Leidenschaft. Der Anfang war gemacht, als sie bei einer Bekannten eine Puppe mit beweglichen Gelenken entdeckte. „Zu dieser Zeit unterrichtete ich als Kunsterzieherin an einem Berliner Gymnasium Bewegungsstudien. Als Modell diente uns eine stark stilisierte Holzpuppe. Eine richtige bewegliche Puppe war natürlich realistischer, und so kaufte ich das schöne Stück. Das war wie ein Steinwurf ins Wasser. Die Wellen breiteten sich immer mehr aus.“ Schließlich lernte sie einen Händler kennen, der einen ganzen Korb alter, kaputter Puppen hatte und dringend eine Restauratorin suchte. Ohne genau zu wissen, auf was sie sich einließ, übernahm sie diese Aufgabe – in der Hoffnung, mit Puppen entschädigt zu werden. „Es war damals fast ein Niemandsland, es gab wenig Literatur über Puppen-Stilkunde und vor allem auch keine Ersatzteile. Echte Seidenbänder, Knöpfe oder auch weißes Nähgarn, das nicht so glänzt wie unser heutiges, waren kaum aufzutreiben.“ Auf Auktionen in Westberlin erstand sie dann hier und da diese Raritäten, auch Puppenaugen vom Kunsthandel made in DDR. Als Kunsterzieherin im Nähen und Modellieren geübt, ging es nun darum, genau zu ermitteln, welche Puppen in welcher Zeit welche Kleider, welche Unterwäsche, Korsetts, Schuhe, Strümpfe, Hüte, Handschuhe oder Haare trugen. Denn die Zeitreise, auf die sie sich einließ, sollte so präzise wie möglich sein. In der Ausstellung kann man nun genau den dokumentarischen Wert nachvollziehen, denn neben den ausstaffierten Puppen, den man durchaus auch unter die Röcke schauen darf, liegen Bücher mit handcolorierten Abbildungen der jeweiligen Mode. Eine verspielte „Puppentante“ ist Hedwig Spuhler-Lüddecke also ganz und gar nicht und ihre empfindsamen Begleiterinnen tragen zumeist auch keine Namen. Ihr geht es um das Bewahren einer Alltagskultur, wie sie in bürgerlichen Häusern gelebt wurde. „Die Puppe war ein Erziehungsmittel, an ihr konnten die Mädchen trainieren, was gesellschaftlich erwünscht ist. Mütter konnten auch ihre Kinder im Spiel beobachten, um ihre Erziehungsmethoden zu überprüfen.“ Es gab für die Puppenmuttis alles, was auch der Hausrat der Erwachsenen hergab: Nähzeug vom Millimeter „großen“ Fingerhut bis zum Stickrahmen, Küchengeschirr mit Herd, der trotz Miniatur durchaus funktionierte. Diese Puppen aus Uromas Zeiten mit ihrer reichen Aussteuer waren die frühen Barbies. „Sie dienten zur Identifikation und waren die Sexy-Frau, die die Mädchen gern werden wollten“: eben „Donna Bellas“.Heidi Jäger Puppenmode und Modegrafik von 1830 bis 1910 bis 13. Februar 2005, Benkertstr. 3.
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