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Jutta Hoffmann. In dem Film „Kleiner Mann was nun?“ (1967).

© Karin Blasig, FMP

Kultur: „Sie wirkt so zart und ist so zäh“

Ein Fotobuch über Jutta Hoffmann: Am Dienstag kommt die Schauspielerin ins Filmmuseum

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Die Wahrheitssucherin mit den fragenden Augen und dem melancholischen Lächeln, die ihren Figuren immer etwas Zartes und zugleich Zupackendes verlieh – wo ist sie geblieben? Wenn man den gerade erschienenen Fotoband über Jutta Hoffmann durchblättert, der am kommenden Dienstag im Filmmuseum vorgestellt wird, ist das wie eine große Eröffnung und zugleich ein Zurückkommen. Und auch eine Enttäuschung. Denn natürlich würde man diese großartige Schauspielerin nicht nur im Rückblick, sondern gern in immer wieder neuen Rollen sehen. Woran mag es liegen, dass sie seit 1997, als sie in Katja von Garniers „Bandits“ spielte, nicht mehr auf die Leinwand kam? „Vielleicht an dem Mitspracherecht, das Jutta Hoffmann einfordert? Ja, sie ist unbequem, stellt Fragen zum Buch, macht Vorschläge zur Haltung ihrer Figuren. Jüngere Regisseure sollten das nicht als Last, sondern als Glück empfinden“, schrieb Filmwissenschaftler Ralf Schenk im Vorwort zu dem sehr ansprechenden, lesenswerten Buch, das von den Filmmuseums-Mitarbeitern Peter Warnecke und Birgit Scholz herausgegeben wurde.

Ihre Abstinenz als Schauspielerin schmälert keineswegs die Freude über die erste Regiearbeit Jutta Hoffmanns am Hans Otto Theater. Dort brachte sie Ende März die Marivaux-Komödie „Das Spiel von Liebe und Zufall“ auf die Schlosstheater-Bühne: luftig-leicht, feinnervig in den fast 400 Jahre alten Text hineinhörend. Sie brachte den Schauspieleleven das bei, was sie ein Leben lang selbst von sich verlangte: eine klare Haltung zum Text, fern aller Klischees. Und ihre Studenten, die sie auch an der Theaterhochschule in Hamburg unterrichtete, lieben sie dafür, wie man in dem Fotobuch mehrfach nachlesen kann. Briefe, Rezensionen und eigene Gedanken betten die Fotografien von ihren unzähligen Film- und Bühnenrollen wie eine Sommerwiese ein, lassen sie noch einmal erblühen: als Lämmchen in „Kleiner Mann – was nun?“, als Karla, Wanda, Stella, Fräulein Julie ... Noch einmal schaut man in dieses so vielsagende, unverstellte Gesicht, mit dem sie den Zuschauern beängstigend nahe auf den Leib rückte. Da gab es nichts Papiernes, Behauptetes.

Zu ihrem 70. Geburtstag 2011 richtete das Filmmuseum eine Ausstellung für Jutta Hoffmann aus, die seit 2005 in Potsdam lebt. Dieses Buch ist die Spätlese. Es folgt ihr an Spielorte im Osten und Westen und wieder zurück. Egon Günther, Frank Beyer, Luc Bondy, Peter Zadek, Einar Schleef gehörten zu ihren Wegbegleitern, Regisseure, mit denen sie gemeinsam um jede Nuance ihrer Rollen rang. „Die Schauspielerin Jutta Hoffmann ist nicht unterdrückbar. Falsche Autoritätsansprüche durch Texte oder Anweisungen der Regie weist sie zurück, verbal oder durch entsprechendes Spiel auf den Proben ... Aus Identifikation und Opposition entsteht ihre Leistung. Ich halte sie für beträchtlich“, schrieb Egon Günther, der mit ihr „Junge Frau von 1914“, „Der Dritte“ oder „Lotte ihn Weimar“ drehte. Vor allem mit „Die Schlüssel“ gab es Probleme. „Die Polen intervenierten, wir hätten ihre Dreckecken fotografiert“, schrieb Jutta Hoffmann. Als sie mit Egon Günther einen neuen Film drehen wollte, war die Antwort der Defa-Studios: „Wir vertrauen euch nicht“. „Für Egon und für mich war damit unser gemeinsamer Versuch, ein anders Kino zu machen, erledigt.“

Verbote, Einschränkungen, Kleinlichkeiten, Bevormundungen und persönliche Schäbigkeit gegenüber Künstlern und anderen Intellektuellen haben Jutta Hoffmann oft deprimiert. Und trotzdem hatte sie nach allen Verboten, vor allem, als sie die Petition gegen die Biermann-Ausbürgerung unterschrieb, immer die Hoffnung, irgendwann wieder den Fuß in die Tür zu kriegen. „Einen Entschluss, die DDR zu verlassen, gab es nicht, auch keinen Zorn oder Hass auf das Land. Aber ganz allmählich wurden München und später Hamburg die Orte, an denen ich arbeite und lebe“, ist in dem Buch rückblickend zu lesen. Immer wieder riss die Schauspielerin ihre Kritiker zu euphorischen Beschreibungen hin. Treffend heißt es da: „Sie wirkt so zart und ist so zäh. Sie erscheint nahbar und ist unnahbar wie jeder große Künstler. Sie geht zu Fuß durchs Leben, aber gewissermaßen: hoch zu Fuß.“ Heidi Jäger

Buchpräsentation und Gespräch mit Jutta Hoffmann am kommenden Dienstag, 20 Uhr, Filmmuseum, Breite Straße 1A. „Jutta Hoffmann. Schauspielerin“ ist im Verlag „Das Neue Berlin“ erschienen und kostet 19.95 Euro

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