Von Heidi Jäger: Spiel mit dem Feuer
Bernd Krenkel beteiligt sich ab heute an der Ausstellung „Die vier Elemente“ im Pomonatempel
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Beim Eintreten in sein Arbeitszimmer müssen selbst kleine Menschen den Kopf einziehen. Doch sobald sie vor der Dachluke Platz nehmen, weitet sich der Raum. Unter den Holzbalken des umgestülpten „Bootes“ lässt es sich hinaussegeln. Der Wind säuselt zum Geläut der Kirchenglocken, der Himmel formt anmutige Wolkenfrauen. In Bernd Krenkels Refugium verdichtet sich die Landschaft. Blickgenau, mit dem Herzschlag des Suchenden.
Dass das allein für sich Entdeckte auch den Sprung hinaus schafft, spricht für das künstlerische Gespür des Fotografen. Er schaut tiefer in den Augenblick hinein. Vor seiner Kamera verwandelt sich brennendes Holz in goldiges Feenhaar, die vom Blesshuhn geschlagenen Wellen in glitzernde Augen einer Pfauenfeder. Poesie des Moments, unwiederholbar. „Man muss nur SEHEN“, sagt Bernd Krenkel, der Maler und Lichtbildner, der auf dem großzügigen Vierseitenhof in Marquardt mit seiner Frau und Kunstgefährtin Birgit Krenkel die kleinste Nische unterm Dach bewohnt. Und keineswegs hadert, wenn er die steile Holztreppe hinauf steigt: zu seiner Arche mit dem Blick auf die Störche, deren Balzen, Kämpfe und Futterflüge er akribisch in Tabellen festhält. Und dadurch im vergangenen Jahr zum Storchenretter wurde, der die Feuerwehr alarmierte, als die Eltern das nicht flügge gewordene Junge verließen.
Hier auf seiner Arche spürt er ihnen nach: den Elementen Wasser, Luft, Erde, Feuer. Zu allen gibt es Hunderte, ja Tausende von Bildern, die er im nahen Park und am Schlänitzsee aufnahm und in den Ordnern seines Computers verwaltet. Als der Kurator des Potsdamer Kunstvereins, Andreas Hüneke, auf ihn zukam und ihm anbot, gemeinsam mit Lutz Friedel, Harald Metzkes und Susanne Tischewski ab heute im Pomonatempel in einer Ausstellungsreihe den vier Elementen zu „dienen“, ging es für Bernd Krenkel „nur“ noch um die Auswahl. Er ist gespannt, wie seine Bilder nun ins Zwiegespräch mit den historischen Fotos der allegorischen Marmorskulpturen an der großen Fontäne im Park Sanssouci treten. Diese wurden wieder komplett als Kopien aufgestellt und sind Anlass für die „Vier Elemente“-Ausstellung am Pfingstberg. Mit dem „Feuer“ nimmt sie heute ihren Anfang.
Krenkels Spiel mit dem Feuer begann indes schon vor Jahren, becirct von dem Moment, als züngelnde Osterfeuer-Flammen sich wie Tänzerinnen wiegten und Funken schlugen. Doch vor dem Feuer kam das Wasser. „Am späten Nachmittag eines Sommertages im Jahr 1996 stand ich auf einem Steg am Schlänitzsee und sah zufällig ein Bündel Schilf und dessen langgeworfenen Schatten auf algengrünem Wasser.“ Er nahm seinen Fotoapparat und hielt diesen Augenblick fest, der sich nach wenigen Minuten in Nichts auflöste. Fortan war die kleine Olympus immer dabei, wenn er der Dauergeliebten Wasser fast täglich einen Besuch abstattete. Schon der Windhauch durch sein Bodenfenster verrät ihm, in welchem Zustand sie ihn empfangen wird. Als sich im vergangenen Jahr auch das Kulturland Brandenburg dem Wasser verschrieb, konnte er seine Geliebte im Alten Rathaus Potsdam vorstellen: in allen erdenklichen Facetten, doch nie ihrer Jungfräulichkeit beraubt. Denn Bernd Krenkel schießt zwar im digitalen Dauerfeuer auf sein Motiv, doch er wird es nie „verletzen“. Bearbeitungsprogramme sind ihm und seinem Computer fremd. Was niemand vermutet, der Bernd Krenkels Fotos sieht. Solche überwältigenden Sonnenuntergänge und bizarren Wasserspieglungen am Schlänitzsee? Ja! Man muss sie nur sehen.
Für die Krenkels war der Umzug aufs Dorf und ans Wasser ein Rettungsanker. Mühselig hatten der Maler und die Keramikerin zuvor ein Holländerhaus in Potsdams Mitte saniert. Oft sah man Bernd Krenkel mit Handwagen zur Baustoffversorgung ziehen, um Kalk oder Bretter zu besorgen. Eines Sonntagmorgens klopfte ein Fremder an die Tür und sagte: „Das Haus gehört mir“. Es begann eine Odyssee, die Bücher füllen könnte, sagt Bernd Krenkel und lässt sie besser ungeschrieben. Viel lieber erzählt er, wie seine beiden Söhne auf den Hinterhofbaustellen im Holländer Viertel Buden bauten und dabei ihr handwerkliches Geschick schulten. Bald wurden sie zu Handlangern des Vaters, als es galt, eine neue Bleibe auszubauen. Die fand die Familie auf einer ihrer Ausfahrten im Umland, die sie unternahmen, um ihre angespannten Nerven zu beruhigen. Der Vierseitenhof in Marquardt fiel ihnen sofort ins Auge. Und der Bürgermeister half dem Künstlerpaar, dort Fuß zu fassen. „Er sagte: ,Wir Ossis müssen zusammenhalten.“ So folgte dem Atelier im Schuppen bald eine feste Bleibe für alle vier. Erst recht großzügig, inzwischen auf engstem Raum, dafür von allem Ballast befreit.
So oft sich das Leben auch dreht, Bernd Krenkel, der Mann aus dem sächsischen Döbeln, der wie seine Frau in Potsdam an der Fachschule für Werbung und Gestaltung studierte, gibt nicht klein bei. Schon vor der Wende nicht, als man dem Autodidakten die Aufnahme im Berufsverband der Bildenden Künstler versagte. Er ging zum Zentralverband nach Berlin – und dort verordnete man den Potsdamern Krenkels Mitgliedschaft. Ein Politikum und wohl einmalig in der Verbandsgeschichte. Das war 1987. Fortan beteiligte sich der Maler, der lange Zeit als Farbgestalter versuchte, den Neubaugebieten im Bezirk Potsdam das Grau zu nehmen, an Ausstellungen. Erst in der Galerie Trapez in Potsdam, dann in Bonn, schließlich in Österreich, Polen, Holland, in den USA und sogar in China. Während für viele ältere Kollegen nach dem Mauerfall die Schwierigkeiten begannen, war er im richtigen Alter und in der richtigen Verfassung, das Nachwende-Kunstterrain erfolgreich zu beschreiten. Und immer wieder kommen neue Themen auf den heute 56-Jährigen zu, die er fest im Griff hält, bis er sie nach Jahren wieder freigibt.
Durch ein Arbeitsstipendium in Sachsen/Anhalt entdeckte er den Brocken für sich. In mehr als 100 Zeichnungen spürte er den Strukturen der Bäume auf dem viel besungenen Berg der Mythen nach. Schließlich malte er im Auftrag des Potsdamer Kunstvereins auch fünf große Ölbilder, wovon eines dem Potsdam-Museum geschenkt wurde. Neun Jahre hat er den Brocken malerisch erklommen, eine zusammenhängende Ausstellung wäre der Gipfel.
Es ist das Vergängliche, das Bernd Krenkel immer wieder anzieht und festhalten möchte. Als nächstes vielleicht in seiner eindrücklichster Ausformung. Als er 2007 vier Wochen in Österreich arbeitete, entdeckte er ein Beinhaus. Er hielt die Auftürmung der Totenschädel fest, mit dem Fotoapparat als Schutzschild. Wird er sich auch offenen Visiers dem „Totentanz“ nähern können? Mit den vier Elementen als Erdung und dem Dachboden als sicheres Seil schafft er vielleicht den malerischen Sprung auch ins zweite Leben.
Eröffnung „Vier Elemente“ mit dem Feuer als Auftakt heute 14 Uhr auf dem Pomonatempel am Pfingstberg.
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