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Kultur: Streicheln und kritisieren

Am Montag beginnen die Klavier-Meisterkurse

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Bis in die Fingerspitzen wollen sie sich zwirbeln lassen. Junge Musiker mögen solche Manöver, sie wollen auf ihre Schwächen unnachgiebig hingewiesen werden – wenn es auch Streicheleinheiten gibt. Man hat den Eindruck, dass derartige Lektionen vor Zuhörern notwendig sind. Denn wer nur im Kämmerlein musikalische Höchstleistungen zuwege bringt, sollte seinen Berufswunsch überdenken. Der Unterricht bei einem bekannten Musiker oder Pädagogen liest sich schließlich gut in der Biografie und beflügelt das Selbstbewusstsein.

Die Potsdamer Edwin-Fischer-Akademie lädt seit nunmehr sechs Jahren hochbegabte Studierende eine ganze Woche zu Klavier-Meisterkursen in das Schinkel-Schloss Glienicke ein. Bewerbungen sind natürlich notwendig und ein Salär von einigen Hundert Euro aus eigener Tasche ebenfalls. Im klassizistischen Schloss werden vom kommenden Montag an bis zum Samstag zehn Nachwuchskünstler aus Finnland, Frankreich, Litauen und Russland mit der großen Lehrerpersönlichkeit Pascal Nemirowski intensiv zusammenarbeiten und sich seinem strengen Urteil stellen. Die Kurse können von der Öffentlichkeit besucht werden. Dies erhöht den Stress für den Nachwuchs – und der ist erwünscht.

„Bilden, ausbilden kann man nur schon Vorhandenes, und so ist es ein Teil meiner Aufgabe, alle Hemmungen, alle Verkrampfungen, alle Widerstände zu beseitigen, die sich der Auswirkung aller in Ihnen liegenden, zum Teil noch schlummernden Kräfte entgegenstellen“, sagte der Pianist Edwin Fischer bei der Eröffnung der Meisterkurse des Deutschen Musikinstituts für Ausländer 1939 im Marmorpalais im Neuen Garten.

Den guten Geist der Meisterkurse, die mitten im Ungeist nationalsozialistischer Diktatur für mehrere Jahre dort stattfinden konnten, und die von solchen Berühmtheiten wie dem Pianisten Wilhelm Kempff, dem Geiger Georg Kulenkampff, dem Cellisten Gasparo Cassado oder dem Komponisten Max von Schillings gestaltet wurden, hat 2009 der aus Wien kommende Potsdamer Pianist Alexander Untschi aufgegriffen. Er belebte die Meisterkurse wieder und gab ihnen den Namen Edwin-Fischer-Sommerakademie. Bald wurde auch ein Verein gegründet, der vor allem die finanziellen und organisatorischen Aspekte der Kurse im Blick hat.

Untschi sagte während eines PNN-Gesprächs: „Ich bin glücklich, dass ein Verein mit engagierten Mitgliedern hinter mir steht. So ist es auch möglich, dass die Kursteilnehmer bei Gastfamilien wohnen können – unentgeltlich.“ Auch der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten ist der Pianist Alexander Untschi dankbar. Von Anfang an hat sie ein offenes Ohr für die Belange der Meisterkurse gehabt. So können sie seit sechs Jahren im edlen Rahmen des Schlosses Glienicke durchgeführt werden.

Untschi holte für die bisherigen Klavier-Lektionen Meisterpianisten und renommierte Klavierpädagogen wie Paul Badura-Skoda, Elisabeth Leonskaja, Dmitri Bashkirow und Karl-Heinz Kämmerling ins Schloss Glienicke. In diesem Jahr kommt Pascal Nemirowski nach Potsdam.

An der Royal Academy of Music in London ist er ein sehr gefragter Lehrer. Es sei nicht verwunderlich, dass einige seiner Schüler ihm auch nach Potsdam folgen, um mit ihm hier intensiv und ohne den universitären Ausbildungsstress arbeiten zu können, so Untschi. Für die Teilnehmer ist kein Pflichtstück vorgesehen. Jeder wählt nach eigenen Belieben Werke für den Kurs aus. Es sei aber anzunehmen, sagt Untschi, dass mancher Studierende Musik des russischen Klavier-Papstes Alexander Skrjabin mitbringt. „Sie wissen, dass Nemirowski eine große Liebe zu dem Komponisten des Übergangs vom 19. zum 20. Jahrhundert hegt“.

Zum Abschluss des Meisterkurses findet traditionell ein Abschlusskonzert statt, in dem die Studierenden das Erlernte der Öffentlichkeit präsentieren. Das Abschlusskonzert mit Diplomverleihung findet am Samstag, 11. Juli, 19.30 Uhr, in der Orangerie des Schlosses Glienicke statt. Alexander Untschi ist dabei in den vergangenen Jahren aufgefallen: „Bislang waren die Besucher aus Berlin viel zahlreicher – ich würde mich besonders freuen, wenn ich mehr Klavierfreunde aus Potsdam begrüßen könnte.“

Auch das kommende Jahr ist mit zwei Meisterkursen bereits in Planung. Einer soll traditionell im Juli im Schloss Glienicke stattfinden. Im Oktober wird erstmals ins Palais Lichtenau eingeladen. Klaus Büstrin

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