Kultur: Tarkowskijsche Langsamkeit
„Freiheit der Bäume“ von HFF-Regiestudent morgen auf 3sat
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„Freiheit der Bäume“ von HFF-Regiestudent morgen auf 3sat Es ist, als würde man sich für ein paar Stunden aus der Welt verabschieden. Und in der Natur verschwinden. Wer sich mit Spaziergeh-Mentalität in den Kinosessel fallen lässt, wird die bildschönen Dokumentarfilme von Bernhard Sallmann, Regiestudent an der Filmhochschule „Konrad Wolf“ lieben. Lange hält die Kamera auf Landschaften und Menschen, lässt den Blick schweifen, heftet sich an ein neues Motiv und gibt ihm viel Zeit, sich in das Gedächtnis des Betrachters einzugraben. Um viel Natur drehen sich die zwei Premieren des Nachwuchsregisseurs, die am Donnerstagabend im Mekka des Off-Films, dem Filmkunsthaus Babylon in Berlin, vor nicht weniger als 200 Gästen präsentiert wurden. In der Branche stießen die Dokumentarfilme auf positive Resonanz. Für „400 Kilometer Brandenburg“, dem erst gezeigten Werk, wurde Bernhard Sallmann mit dem „Samsung Innovationspreis“ ausgezeichnet, für „Die Freiheit der Bäume“ hat der Regisseur einen Sendeplatz bei 3sat ergattert, der Film läuft auf dem öffentlich-rechtlichen Sender am Sonntag um 22.55 Uhr. Und auch in Berlin treffen die Werke auf ein wohlgesonnenes Publikum, dass offen ist für außergewöhnliche Formate. Der Filmemacher und seine Teams bekommen am Ende ihren verdienten Applaus. Der mehr als freundlich, aber weniger als überschwänglich ausfällt. Was daran liegen könnte, dass die Bilderreigen anstrengend sind. Der Zuschauer muss sich an die langen Einstellungen, die wenigen Schnitte, die sparsame Handlung gewöhnen. Bernhard Sallmann – ein Tarkowskij der filmischen Landschaftsbilder. Wie eine akustische Erlösung ist in „400 Kilometer Brandenburg“ das „Soll ich was sagen“ des Zeltbauers, dem die Filmemacher am Straßenrand begegnen. Bis dahin kommt aus den Lautsprechern mit Dolby Stereo Surround nicht mehr als Vogelgezwitscher, das Knarren von sich im Wind biegenden Bäumen, das laute Knirschen von Schuhen im Schnee. Zwei Monate wanderte der Filmemacher im Winter 2001 um Berlin herum. Faszinierend die Perspektive, mit der die Kamera die Landschaft einfängt, unterhaltsam die wie im Vorübergehen aufgenommenen Menschen. „Ich bin 5 und will Prinz mit Armbrust werden“, sagt Eric, der auf einem Fahrrad anbrausende Junge. Lange hat man Zeit, sich die Inschrift „3. Oktober 1990. Wiedervereinigung“ auf einem Grabstein anzusehen. Dazwischen immer wieder Bäume und Seen. Noch mehr Natur gibt es in „Die Freiheit der Bäume“. In poetischen Bildern, die wunderschön komponiert sind. Um die Geschichte des „Fürst von Pückler- Landschaftsgartens“ in Muskau an der deutsch-polnischen Grenze dreht sich der fotografische Film. Von der ersten Morgenstimmung bis zur Abenddämmerung geht die Führung durch den englischen Garten, begleitet von eingesprochenen Zitaten Pücklers und Erklärungen eines Erzählers. Der Architekt der Bäume hat sich der Aufklärung verschrieben, seine Wege laufen nie gerade, haben nicht das absolutistische Ziel: das Schloss. Sie leiten zu den schönen Orten im Grün. Der Film ist eine Liebeserklärung an diesen Park und zugleich eine Lektion in Geschichte der Landschaftsgärtnerei. Nur viel Zeit und Muße sollte man sich bei der filmischen Wanderung nehmen, so als würde man tatsächlich entspannt durch die Natur streifen – sonst kann der langsame Streifen langatmig werden. Marion Hartig
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