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Kultur: Toleranz kann man nicht von oben befehlen

Buch und Diskussion zu „Fremde in Brandenburg“

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Buch und Diskussion zu „Fremde in Brandenburg“ Am 29. Oktober 1685 veröffentlichte Brandenburgs Großer Kurfürst Friedrich Wilhelm das „Edikt von Potsdam“, in dem er den französischen Glaubensflüchtlingen, den Hugenotten, alle erdenkliche Hilfe zusicherte. Er verfügte, dass den Fremden nicht das „geringste Übel, Unrecht oder Verdruss zugefügt“ werden darf, „sondern vielmehr im Gegentheil alle Hülfe, Freundschaft, Liebes und Gutes erwiesen werden“. Nach mehr als drei Jahrhunderten liest sich das Edikt von Potsdam nicht ohne Bewegung. Brandenburg – ein kleines, armes und zerrissenes Land beinahe am Rande der europäischen Zivilisation, vom Dreißigjährigen Krieg verwüstet und kaum erholt, erhebt seine Stimme gegen Gewalt und Verfolgung. Und spricht von Toleranz. So manche Prediger auf der Kanzel stimmten aber auch andere Töne an, besonders dann, wenn der Zank um Konfessionen entfacht werden sollte. Dagegen schritt der Monarch rigoros ein. Sebastian Haffner schreibt: „Die religiöse Toleranz, die uns heute als ein Ruhmestitel Preußens erscheint, war für seine Untertanen im 17. Jahrhundert und noch lange Zeit, bis ins 18. Jahrhundert hinein, ein harter Zwang, härter und weniger begreiflich als Militarismus, Steuerdruck und Junkerherrschaft“. Toleranz von oben, verordnet vom Monarchen. Dies betraf damals nur Christen. „Heute dagegen begegnen uns Menschen unterschiedlicher Religionen und Kulturkreise. Die Toleranz ist nunmehr nicht von oben zu befehlen, sie muss wachsen“, sagte die Ausländerbeauftragte des Landes Brandenburg, Almuth Berger, bei der Präsentation des Buches „Fremde in Brandenburg – Von Hugenotten, sozialistischen Vertragsarbeitern und rechtem Feindbild“ am Mittwoch im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte. Das Buch ist das Siebzehnte in der Reihe Region-Nation-Europa, die von Prof. Heinz Kleger, Universität Potsdam, verantwortet wird. Für „Fremde in Brandenburg“ fungierte die Potsdamer Historikerin Birgit Kletzin als Herausgeberin. Politikwissenschaftler, Historiker und Studierende der Potsdamer Universität sind tief in das Thema eingedrungen und haben Texte verfasst. So stellten die Autoren fest, dass das menschenarme Brandenburg auf die Einwanderer aus Frankreich, der Schweiz und Böhmen dringend angewiesen war. An dem wirtschaftlichen und kulturellen Aufstieg Brandenburg-Preußens konnte man auf die Hugenotten nicht verzichten. Sie haben ihrer neuen Heimat tüchtige Handwerker, Kaufleute, Unternehmer, Beamte und Offiziere gestellt, Gelehrte und Künstler nicht zu vergessen. Mit der oftmals unbefriedigenden preußischen Judenpolitik, die eine Gleichstellung mit den Christen erschwerte, beschäftigt sich das Buch, auch mit der offenen Judenfeindschaft in Potsdam während der Nazizeit. Der Umgang der Juden in der frühen DDR wird thematisiert sowie die „sozialistischen Vertragsarbeiter“. Ab den siebziger Jahren wurden „Gastarbeiter“ aus Vietnam, Kuba, Algerien, Mosambik oder Angola in der DDR tätig. Über das Buch wurde bei seiner Präsentation nicht gesprochen. Anscheinend hielten die Gesprächspartner Almuth Berger und der CDU-Landtagsabgeordnete Sven Petke die Veröffentlichung an diesem Abend erstmals in der Hand. Widersprüchliches war von den Diskutanten nicht zu vernehmen, da die Fragen des Moderators Heinz Kleger eher brav und nicht auf Reibungen aus waren. Toleranz und Integration hießen die Themen in der Gesprächsrunde. Almuth Bergers und Sven Petkes Beiträge hatten nichts Emotionales, sondern blieben sachlich. Beide sprachen von den Licht- und Schattenseiten in puncto Ausländerpolitik Brandenburgs. Integration sei eines der größten Defizite, das zu beklagen sei, so der Landtagsabgeordnete. Er und die Ausländerbeauftragte bedauerten, dass im Koalitionspapier SPD-CDU das Wort Integration von Einwanderern nicht vorkomme. Petke meinte, dass das Erlernen der deutschen Sprache für die Zuwanderer von großer Wichtigkeit sei, denn dies würde die Chancengleichheit erhöhen. „Doch auch die Akzeptanz der Rechtsordnung gehört zur Integration dazu.“ Ängste bei den Deutschen und bei den Zuwanderern um die eigene Zukunft müssen dringend abgebaut werden, denn sie tragen zur Toleranz nicht bei. Der Beitrag eines Zuhörers gab darüber Auskunft, dass bei vielen Menschen diese Ängste vorhanden sind, insbesondere bei der Vergabe von Arbeitsplätzen. Ein schwieriges Thema. Darauf wusste man an diesem Abend keine Antwort zu geben. Klaus Büstrin Birgit Kletzin (Hg.), Fremde in Brandenburg, Lit-Verlag Münster, 12 Euro

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