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Kunst? Design? „Wohntonne mit Bad“, als Szenario für Obdachlosigkeit in der Zukunft, nennt der Industriedesign-Student Philipp Stingl sein Objekt, das er im Rahmen des Projekts „Ü60 - Design für morgen“ entworfen hat.

©  Waltraud Grubitzsch/dpa

Kultur: Treffen der Weltverschönerer

Am Wochenende finden die ersten Designtage Brandenburg in der Schiffbauergasse statt

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Mit einem Experiment beteiligen sich die Künstler des Potsdamer Kunsthauses Sans Titre an den ersten Designtagen Brandenburg, die ab dem heutigen Freitag in der Schiffbauergasse zu erleben sind. Die Ausstellung „art et design – eine experimentelle Affäre“ zeigt Paar-Arbeiten wie die gemeinsamen Werke des Bildhauers Chris Hinze und des Architekten Frederic Urban, angesiedelt zwischen den Gattungen und Objektkategorien. Dieses Prinzip der Untrennbarkeit der Genre sowie der experimentelle Charakter der Veranstaltung darf getrost ausgeweitet werden auf die gesamten Designtage.

„Es ist natürlich auch ein stückweit ein Experiment“, sagt Katja Dietrich Kröck von der Zukunftsagentur Brandenburg, die die Tage organisiert. Ob sich die Veranstaltung, die erste ihrer Art in Postdam und Brandenburg, für die Organisatoren und Aussteller letztlich rechnen werde, wisse man erst hinterher. Auftraggeber ist das Wirtschaftsministerium: Mit dem neuen Format soll ein möglichst breites Publikum aller Altersgruppen angelockt werden, so Katja Dietrich-Kröck.

Von Freitag bis Sonntag sind Designer, Künstler, Unternehmer, aber auch Neugierige und Besucher, die einfach mal vorbeischauen wollen, in die Schiffbauergasse zu einem breiten Spektrum an Veranstaltungen unter der Dachmarke Design eingeladen. „Wir wollen keineswegs nur Fachleute ansprechen“, sagt Katja Dietrich-Kröck. Ebenso sei man auf alle Altersgruppen eingestellt, so gebe es Mitmach-Angebote für Kinder. Sollte es gut laufen, werde man über eine Wiederholung der Designtage im kommenden Jahr nachdenken, so die Organisatorin.

Dass es gut laufen könnte, zeigen die Anmeldungen für die Konferenz, die am heutigen Freitag stattfindet: Mit 120 Teilnehmern, viele von ihnen aus Berlin, ist sie ausgebucht. Katja Dietrich-Kröck ist überzeugt, dass das auch an den namhaften Referenten aus Potsdam, Berlin, Leipzig und Bayern liegt.

Dass Design viel mehr ist als beispielsweise die Form einer Blumenvase und eigentlich immer im Kopf beginnt, erklärt Julia Leihener, Dozentin des „School of Design Thinking“ am Hasso Plattner Institut. „Seeing what everyone else has seen and thinking what no one else has thought“ ist ihr Motto: Sehen, was jeder sieht, aber denken, was noch keiner gedacht hat. Nur so können gute Ideen entstehen, in der Befreiung.

Martin Grunwald ist experimenteller Psychologe und leitet das von ihm 1996 gegründete Haptik-Forschungslabor an der Universität Leipzig. Design habe viel mit dem Erfühlen und der Wahrnehmung von Oberflächen, Texturen, Konturen und Größenverhältnissen zu tun, sagt Grunwald und hinterfragt die gegenwärtige Entwicklung, in der die optischen Sinne viel entscheidender geworden sind für die Wahrnehmung der Welt. In manch erfolgreichem Produkt steckt Entwicklungsberatung bis hin zur psychophysiologischen Testung des Materials an Probanden.

Natürlich denken viele bei Design vor allem an seltsame und ausgefallene Möbel, modernen Schmuck, Accessoires. Designer entwerfen – der Name ist Programm – heute fast alles, vom Auto bis zum Kugelschreiber. Ihre Anverwandten für Zweidimensionales, die Grafikdesigner, entwerfen Logos und Briefköpfe, Werbung und vermeintlich simple Schilder. Es geht nicht mehr ohne Design.

Um diese Schnittstelle zwischen Kunst und Gebrauch intensiver und mit Genuss kennenzulernen, bieten die Designtage Möglichkeiten zum Stöbern und eigenen Ausprobieren, sich Kennenlernen und Vernetzen, zu Diskussion, Weiterbildung und Entspannung gleichermaßen – ob er sich nun für die Produkte, ausgefallene Küchenlampen oder schrille Mode, oder den Entwicklungsprozess von der Kulturgeschichte bis zu innovativen Techniken und Marktwirtschaft interessiert.

Hinzu kommt, dass der gewählte Standort, die Häuser der Schiffbauergasse, förmlich einlädt zum Nachdenken über Chancen und unerwartete Befindlichkeiten im Zuge eines langen Gestaltungsprozesses, über festgefahrene Strukturen und Innovation. Und dass es sich in diesem Zusammenhang durchaus lohnen kann, den Veranstaltungsort einmal bewusst zu erlaufen. Die Schiffbauergasse, so Katja Dietrich-Kröck, biete mit der perfekten Raumstruktur ein geeignetes Schaufenster, in dem sich die Designer Brandenburgs vernünftig präsentieren sollen.

Ein Blick über den Tellerrand ermöglicht der Sonntag: Die Villa Schönigen hatte sich – ebenso wie Kunsthaus Sans Titre – als Kooperationspartner erfreut zur Verfügung gestellt. Die Ausstellung dort: „Grenzgänge“ von fünf Berliner Künstlern, Werke zwischen Kunst und Design. Einer von ihnen, Anselm Reyle, wird dort am Sonntag über seine Art der Grenzüberschreitung sprechen – die Nähe der Villa Schöningen zur Glienicker Brücke weckt hier weitere Assoziationen. Mit einer besonderen Straßenbahn darf zwischen Schiffbauergasse, Kunsthaus Sans Titre und Villa Schöningen gependelt werden: Die Design-Tram wurde extra für dieses Event von zwei Potsdamer Designern ausgestaltet. Seit einer Woche fährt die Bahn bereits durch Potsdam. Bunte Sitze, Sprechblasen an den Fenstern, wollen wachrütteln, neugierig machen und nicht zuletzt einladen zu den Designtagen.

Weitere Informationen unter

www.designtage-brandenburg.de

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