GEMÄLDEAUSSTELLUNG: Unbefangene Annäherung
Mäzen Hasso Plattner gibt im Kutschstall Einblick in seine Ostkunst-Sammlung für die Kunsthalle
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Sie spielten im Potsdamer Ausstellungsgeschehen zu DDR-Zeiten kaum eine Rolle: Bernhard Heisig, Willi Sitte, Wolfgang Mattheuer oder Werner Tübke. Die DDR-Kunstheroen mieden die märkische Bezirksstadt, die sich nicht als Zentrum für zeitgenössische Kunst wie Leipzig, Dresden, Halle und Berlin präsentieren konnte. Nur hin und wieder gab es große Kunstereignisse, wenn Otto Niemeyer-Holstein, Wieland Förster, Uwe Pfeifer, Hubert Globisch oder Wolfgang Wegener ihre Bilder in der Stadt zeigten. Nach der Wende – von Ausnahmen privater Galeristen abgesehen – hatte die einstige Ostkunst einen nicht immer leichten Stand in der Landeshauptstadt.
Der Software-Milliardär Hasso Plattner hat es sich zur Aufgabe gemacht, ostdeutsche Kunst, die vor und nach der Wende entstand, zu sammeln und sie in einer Kunsthalle, die er auf seinem Privatgelände am Jungfernsee bauen will, vorzustellen. Von seinem ursprünglichen Gedanken, das Kunsthaus in Potsdams Mitte zu errichten, ist er leider abgewichen.
Zwar konnte man auf den Bildern von Heisig, Tübke, Mattheuer & Co. auch Kritisches konstatieren, aber die Künstler haben sich bisweilen – manchmal auch unfreiwillig – selbst staatsnah inszeniert. Die nach mehr als zwei Jahrzehnten gängigen Vorstellungen, in der DDR-Kunst stecke fast nur „sozialistischer Realismus“, wird glücklicherweise heutzutage immer mehr abgebaut. Auch Hasso Plattner kann mit seiner Sammlung von ostdeutscher Kunst dazu beitragen, Klischeebilder ins Gestern zu vertreiben. Jedenfalls scheint es, dass er sich relativ unbefangen an die ehemaligen Ost-Künstler und deren Kunst nähert. Die Verwicklungen und die Gemeinsamkeiten von widerständiger und angepasster Kunst waren für den aus dem Westen stammenden Plattner natürlich nicht so präsent wie für die Ostdeutschen.
Hasso Plattners mäzenatisches Kunsthallen-Vorhaben ist auf ein großes öffentliches Interesse der Potsdamer Öffentlichkeit und darüber hinaus gestoßen. Darum lädt er ab Dienstag dazu ein, seine Sammlung im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte (Kutschstall) in Augenschein zu nehmen. Zumindest den Anfang seiner Sammlung, der hier mit 28 Bildern präsent ist. Die bedeutende Plastik „Der Jahrhundertschritt“ von Wolfgang Mattheuer wird erst ab September im Kutschstall-Hof aufgestellt und dort für unbestimmte Zeit zu sehen sein.
Es scheint so, dass heute auf dem Kunstmarkt wirklich hervorragende Kunst aus der ehemaligen DDR rar geworden ist. Es waren wohl andere Sammler schneller als Plattner. Vor allem Bilder, die die private Seite der Künstler zeigen, sind im Kutschstall zu sehen, weniger die großen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen oder metaphernreiche Interpretationen.
Im Kutschstall hängen nun idyllisch-gediegene Landschaften von Wolfgang Mattheuer, allesamt in den sechziger bis achtziger Jahren entstanden. Von Willi Sitte ist das hübsch anzuschauende Ölbild „Alexisbad“ von 1973 dabei. Bernhard Heisig kommt mit gefälligen Landschaftsbildern aus der Prignitz. Aber auch mit Arbeiten, die sich in die Geschichte begeben. In den Auseinandersetzungen mit Friedrich dem Großen entdeckt man wieder den „alten“ Heisig: die große Dynamik und pointierte Erzählweise. Als wunderbare Bilderfinder und handwerklich exzellente Künstler erweisen sich Werner Tübke in seinem Gemälde „Der Narr und das Mädchen“ (1982) sowie Ulrich Hachulla mit dem Karneval-Diptychon (1984/85). Arno Rinks Gemälde „Lots Töchter“ von 2007, dessen Geschichte er im Alten Testament fand, gehört in seiner Sinnlichkeit und Kraft, seinem feinen erzählerischen Duktus zum Höhepunkt der Ausstellung. Auch Gerhard Richter ist dabei. Er verließ 1961 die DDR und gehört heute weltweit zu den bekanntesten Malern Deutschlands. Von ihm entdeckt man ein abstraktes Bild.
Ein privater Sammler wird immer nach seinem eigenen Geschmack und seinen Neigungen vorgehen. Da kann man sich nicht einmischen. Ein Kunstfreund wie Plattner wird sicherlich vertrauensvolle und kenntnisreiche Berater in Sachen DDR-Kunst finden. Die jetzige Sammlung, die seit einem Jahr im Entstehen ist, soll sich aber am Programm der Galerie Schwind (Leipzig/Berlin/Frankfurt am Main) orientieren.
Im Kutschstall sind so manche staatsnahe Künstler versammelt. Es sei aber auf diejenigen hingewiesen, die im einstigen sozialistischen Staat individuelle Wege gingen, jenseits der „Zwangsjacke“ von Ideologie und Kunst, beispielsweise der Kreis um Strawalde (Jürgen Böttcher). Auch die frühen Negativmontagen Edmund Kestings, die mit dem Zerrspiegel der Wirklichkeit arbeiten, sind zu nennen, genauso wie die großen Einzelgänger Gerhard Altenbourg und Carlfriedrich Claus. Oder Künstler wie Albert Ebert, die in der empfindsamen Beobachtung des Alltags ihre Nische fanden. Oder die Potsdamer Hubert Globisch oder Wolfgang Wegener, deren stille Bildwelten von zumeist hoher Malkultur zeugen.
Die Sammlung ist erst im Entstehen. Dies sollte in Ruhe und Gelassenheit geschehen, sie sollte zunächst nicht mit der Öffentlichkeit liebäugeln. Und dann, wenn die Kunsthalle eröffnet sein wird, könnte es doch sein, dass man von Überraschungen überwältigt wird.
Ausstellung „Einblick und Ausblick“, bis 16. September, Kutschstall, Di- Do 10 bis 17 Uhr, Fr 10- 19 Uhr, Sa/So10-18 Uhr.
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