
© Andreas Klaer;
Von Klaus Büstrin: Und doch mit Erfolg
20 Jahre Galerie am Neuen Palais: Aktuelle Jubiläumsausstellung mit 90 Kunstwerken
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Dem Vorhaben Jürgen Oswalds, eine Kunstgalerie zu eröffnen, stand so mancher skeptisch gegenüber. Sogar ablehnend. Bekannte Potsdamer Künstler, denen nach dem Ende der DDR so mancher staatliche Auftrag wegbrach und die in Sachen Marketing ganz allein auf sich angewiesen waren, lehnten eine Unterstützung für Oswald ab. „Hier stellen wir nie aus. Das Ganze hat den Charme eines Internierungslagers.“
In den ersten Jahren nach der Wende schossen auch in Potsdam privat geführte Galerien wie Pilze aus dem Boden. In den Neunzigern konnten mit deren Hilfe so manche Künstlerin und mancher Künstler mit einem regen Verkauf ihrer Bilder rechnen. Eine große Anzahl von Kanzleien oder Praxen wurden nämlich eröffnet. Und das Einrichten mit originaler Kunst gehörte zum guten Ton. Überlebt haben seitdem aber nur wenige Galerien. Darunter auch diejenige, die in der Nähe des Neuen Palais ihr Domizil hat.
Freilich, aus der Kantine des VEB Wohnungsbaukombinats musste erst eine ansehnliche und besucher- sowie kunstfreundliche Galerie geschaffen werden. Jürgen Oswald, der Quereinsteiger, ließ nicht locker: Trotz der wenig Mut machenden Äußerungen von Potsdamer Künstlern wollte er in der Nähe des Neuen Palais eine Kunstgalerie eröffnen. Er hat es geschafft. Mit Unterstützung vieler Kunstfreunde aus dem Osten und Westen Deutschlands. 216 Künstler haben in den zwei Jahrzehnten ihres Bestehens in der Galerie am Neuen Palais ausgestellt. Nicht nur deutsche, sondern unter anderen auch amerikanische und französische Maler und Grafiker.
Am Eingang zum Park Sanssouci ist die Begegnungsstätte für Künstler und Kunstfreunde seitdem ein Kontrastprogramm für Besucher, die zuvor ausschließlich das Zeitalter des Rokoko und des Klassizismus betreten haben. In der Galerie am Neuen Palais kann man Kunst unserer Zeit besichtigen. In den Sommermonaten ist es möglich, unter schattigen Bäumen im Galeriegarten zu sitzen und einen Kaffee zu trinken. Doch Touristen Sanssoucis sind nicht die emsigsten Galeriegäste, erzählt Jürgen Oswald. Eher kommt man ganz gezielt, um diese oder jene Ausstellung mit einem ganz bestimmten Künstler zu erleben.
Seit 20 Jahren verfolgt der Galerist mit der tatkräftigen Unterstützung seiner Frau Gabriele ein Programm, das Kontinuität besitzt und das ihn stets fasziniert: der zeitgenössische Realismus. „Was für wunderbare Geschichten werden auf den Bildern erzählt“, so sein Eindruck.
In diesen Wochen hat er Künstlerinnen und Künstler eingeladen, zwei Jubiläumsausstellungen zu gestalten. 21 Maler, Grafiker und Plastiker haben sich zur jetzigen zweiten Staffel eingefunden, um dem Galeristen zu gratulieren. Rund 90 Bilder und Skulpturen sind zur Betrachtung und natürlich zum Verkauf freigegeben. Die Vielzahl der ausgestellten Werke verbietet es, eine umfassende Einschätzung über den jeweiligen Künstler und seine Kunst vorzunehmen. Die meisten sind längst gute Bekannte und bei Jürgen Oswald immer wieder präsent.
Eine freundlich lichte Ausstellung kann der Gast insgesamt ins Visier nehmen, natürlich wird auch Hintersinniges, Bissiges und Witziges nicht ausgespart. Zwei atmosphärisch dichte Mini-Ölbilder mit Nordseelandschaften der Berlinerin Edith Siedersleben begrüßen den Besucher. Gegenüber das Stillleben ihres Mannes Rolf-Dieter Siedersleben: verwelkende Lilien in einer von Rost zerfressenden Blechdose. Das intime Ölbild nennt der Künstler ironisch: „Vom Inbegriff des Schönen“.
Auch sein kleines Bild „Wir bauen uns eine Kreuzkirche“ ist so gemeint. Ein sakraler Bau aus Spielkarten ist entstanden. Im Turm fehlt nur noch ein Blatt. Natürlich, das mit dem Kreuz muss es sein. Bei den Esoterikern steht diese Spielkarte unter anderen für Ordnung, Struktur, gefestigte Beziehungen. Vom fröhlichen Gemeinschaftssinn erzählt der Maler und Filmemacher Dietmar Buchmann in seinem Gemälde „Die Arche Noack“. Ist die Familie oder sind Freunde darauf zu sehen? Egal. Dichtgedrängt befindet sich jedenfalls eine kleine Gruppe auf einem Boot, teilweise verkleidet, als ob sie zum Fasching ausfährt. Eine Tuba überragt die Gesellschaft. So, als ob sie sich in dieser lauten Spaßgesellschaft Gehör verschaffen möchte.
„Ich in meiner Bude sitzend“, so nennt Bernd Spriewald sein großformatiges Gemälde. Fast fotografisch wirkt dieses unnahbare Selbstporträt mit den vielfältigen Utensilien, die der Maler in seinem Atelier aufbewahrt. Von großer Nähe und Hinwendung zu den Dargestellten künden Frank W. Heines „Meine Weibsbilder“ – vier Öl-Porträts von wunderbarer farbiger Harmonie und genauer Beobachtung ganz unterschiedlicher Charaktere. Wolf-Dieter Pfennigs köstliche Blätter in Aquarell- oder Grafiktechnik nehmen in ihrer nach wie vor erstaunlichen Frische und Fabulierlust gefangen. Mit wenigen Strichen lässt der Potsdamer das oft problematische Spannungsverhältnis zwischen Mutter und Tochter zum unüberhörbaren Geschrei anwachsen. Selbstbewusst die Tänzerinnen in ihren gestrafften Körpern, die sich gern mit einem gekünstelten Lächeln ausstellen.
Einer der Höhepunkte dieser Jubiläumsausstellung sind die Gouachen des Rangsdorfer Malers Ronald Paris. Sie erzählen von seiner Reise nach Indien. Farbig wie das Leben in jenem Land, so vielfältig wird es von dem Künstler wiedergegeben, detailreich, spannungsvoll, malerisch. Man kann mit ihnen eintauchen in eine für uns fremde Welt und Kultur.
Rainer Sperl, heute selbst ein angesehener Galerist in der Landeshauptstadt, ist von Anfang an mit der Galerie am Neuen Palais verbunden. Als Künstler gratuliert er mit skurril-witzigen Skulpturen aus Terrakotta. Beispielsweise mit einem sitzenden Eisbären, der jedoch seinen nervigen Betrachtern verzweifelt zuruft: „Ich möchte kein Eisbär sein“. Der Galerist Oswald kann längst auf die Miesmacher verzichten. Das hat er in 20 Jahren bewiesen.
Galerie am Neuen Palais, Jubiläumsausstellung bis 8. Mai, Fr. bis So 13 bis 18 Uhr, am Neuen Palais 2A
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