zum Hauptinhalt

Kultur: Unterwegs mit Brian, Farid und Abdul

Die Regisseurinnen Antje Kruska und Judith Keil stellten ihren Film „Land in Sicht“ im Thalia vor

Stand:

„Wenn die Afrikaner hören, dass du in Deutschland bist, denken sie, du bist ein gemachter Mann“, sagt Brian. „Aber es ist das totale Gegenteil von dem, was man in Afrika denkt.“ Brain kommt aus dem Kamerun, er lebt jetzt in einem Heim für Asylbewerber in Bad Belzig. Auch Farid aus dem Iran und Abdul aus dem Jemen leben jetzt in Bad Belzig. Was die drei Flüchtlinge miteinander verbindet, ist die Hoffnung, in Deutschland ein besseres Leben zu finden.

Ein Jahr lang haben die Regisseurinnen Antje Kruska und Judith Keil die drei Männer auf ihrer Suche nach dem neuen, besseren Leben beobachtet, sie bei ihren Versuchen und Schwierigkeiten, in der deutschen Gesellschaft anzukommen, mit der Kamera begleitet: bei der Hoffnung auf ein Bleiberecht oder darauf, die Familie nachholen zu können, der Suche nach Arbeit oder Liebe, oder beim Umgang mit Behörden. Ihr Dokumentarfilm „Land in Sicht“ lief am Dienstagabend in der Reihe „Aktuelles Potsdamer Filmgespräch“ im ausverkauften Thalia-Kino.

Bereits 2010 für das Projekt „20 X Brandenburg“ hatten Judith Keil und Antje Kruska in einem Heim für Asylbewerber gedreht. Danach entstand der Plan, Asylbewerber über einen längeren Zeitraum zu begleiten, für den sie viel Unterstützung von Fernsehredaktionen fanden.

„Filme leben immer durch die Nähe zu den Protagonisten,“ sagte die Regisseurin Antje Kruska, die zusammen mit ihrer Kollegin Judith Keil und dem Kameramann Marcus Winterbauer zum Gespräch gekommen sind. Ob es Judith Keil oder Antje Kruska war, die dieses Charakteristikum ihrer beider Filmarbeit erwähnt hat, verwischt sich in der Erinnerung leicht: Die seit 18 Jahren gemeinsam arbeitenden Filmemacherinnen scheinen so aufeinander eingespielt, dass es zwischen ihnen kaum einer Abstimmung bedarf, wer antwortet. Kameramann Marcus Winterbauer arbeitet ebenfalls schon lange mit den beiden Regisseurinnen zusammen. „Es ist immer sehr intensiv“, sagte er, „ein Sich-Einlassen auf Situationen, die man planen möchte und schon greifen will – und dann ist man doch überrascht, was gedreht werden kann.“ Man glaubt ihm die Herausforderungen der Arbeit sofort, als er von dem Dreh in der Discothek erzählt, bei dem es eine Schlägerei gab und wegen einer Herzattacke zweimal der Rettungswagen vor der Tür stand.

Dem Film „Land in Sicht“ gelingt es, die deutsche Wirklichkeit mit den Augen der Protagonisten sehen zu lassen: Es sind Szenen voller wunderbarer Situationskomik, wenn etwa der ehemalige Hauptmann und Scheich Abdul – das entspricht im Rang ungefähr einem Bürgermeister – im Arbeitsamt verzweifelt seinen Gott anruft, weil er nicht versteht, was man von ihm will, oder die Sozialarbeiterin dem Iraner Farid auf einem Volksfest erklärt, worum es bei der Darbietung der Bauchtanzgruppe geht.

„Wir haben es uns natürlich so gewünscht, dass die verschiedenen Sichten und Vorstellungen aufeinanderprallen“, sagte Judith Keil, und Antje Kruska ergänzt später, dass sie dieses Lachen nicht als ein Auslachen, sondern ein sympathisches, identifizierendes Lachen sieht. Für Kameramann Marcus Winterbauer ist die Komik in vielen Szenen eher eine sensible Gradwanderung im Umgang mit Menschen, die hierhergespült wurden.

Dass es ihnen ebenso wichtig ist, Brian, Farid und Abdul im Hier und Jetzt zu zeigen, ohne sie zu bewerten, wie auch die Welt der deutschen Behörden ohne vorgefertigte Schablone mitzuerzählen, betonten die Regisseurinnen.

Trotz der quälend und ungelösten Situationen, in der sich Brian, Farid und Abdul befinden, ist „Land in Sicht“ ein hoffnungsvoller Film. Ganz besonders dafür gab es viel Zuspruch vom Publikum. Und: Der Film wird in die Welt gehen. Er erhielt bereits den Goethe-Preis und wird von 150 Goethe-Instituten ins Programm genommen. Gabriele Zellmann

Gabriele Zellmann

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })