Kultur: Verliebt und verloren in Korea Filmgespräch mit Sung-Hyung Cho
Wenn Marga Sim von dem Abschiedsbrief ihres Mannes erzählt, bricht lange vergrabener Schmerz durch. In den 1950er-Jahren hatte sie sich in einen der jungen Nordkoreaner verliebt, die während des Krieges mit Südkorea zur Ausbildung in die DDR geschickt worden waren.
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Wenn Marga Sim von dem Abschiedsbrief ihres Mannes erzählt, bricht lange vergrabener Schmerz durch. In den 1950er-Jahren hatte sie sich in einen der jungen Nordkoreaner verliebt, die während des Krieges mit Südkorea zur Ausbildung in die DDR geschickt worden waren. Sie hatten mit ihm eine Familie gegründet. Als Nordkorea wenige Jahre später, Anfang der 60er-Jahre, vor dem Hintergrund des Konfliktes zwischen China und der Sowjetunion die Studenten nach Hause rief, musste auch ihr Mann gehen. Mehrere Jahre hoffte sie, ihm mit der kleinen Tochter in sein Heimatland folgen zu können. Bis in seinem letzten Brief stand, sie solle dableiben und denken, er sei gestorben: Er hatte seine Cousine heiraten müssen.
Vom Schicksal dreier Frauen – Marga Sim, Renate Hong und Ruth Runge –, die mit ihren nordkoreanisch-deutschen Kindern in der DDR zurückgelassenen wurden, erzählt der Dokumentarfilm „Verliebt, verlobt, verloren“ von der 1966 in Südkorea geborenen Sung-Hyung Cho. Gemeinsam mit einer ihrer Protagonistinnen, Ina Grauer, stellte die Regisseurin den Film am Freitagabend im Thalia-Kino vor.
2006 hatte die Filmemacherin die Geschichte der Renate Hong gelesen, die ein Historiker in Südkorea veröffentlicht hatte, die ein ähnliches Schicksal wie Marga Sim erlitt. „Mich faszinierte diese unglaubliche Geschichte, die aus ganz alten Zeiten her aufscheint und ich wollte wissen, was für eine Frau Renate ist“, erzählte sie. Über den Historiker bekam Sung-Hyung Cho Kontakt zum Verein der deutsch-nordkoreanischen Familien. Dort überzeugte sie mit ihrem Dokumentarfilm „Full Metal Village“, mit dem sie sich gerade auf Kinotournee befand, zunächst Renate Hong von ihrem Filmvorhaben. Und auch Ina Grauer, die Tochter von Marga Sim, fand sie dort.
Die freundschaftliche Vertrautheit zwischen Sung-Hyung Cho und Ina Grauer, die im Gespräch spürbar war, muss lange gewachsen sein. Zunächst glaubte die Potsdamerin Ina Grauer nämlich keineswegs an einen Film über die in den 60er- Jahren zurückgebliebenen deutsch-nordkoreanischen Familien und an Sung-Hyung Chos Bemühungen, etwas über das weitere Leben der Männer und Väter in Erfahrung zu bringen. „Aber als ich dann ‚Endstation der Sehnsüchte‘, den zweiten Heimatfilm der Regisseurin, gesehen hatte, habe ich ihr vertraut“, sagte Ina Grauer und erzählte, wie unauffällig, quasi unmerklich die Filmaufnahmen während ihrer Vereinstreffen entstanden seien. Überhaupt hob sie die große Geschicklichkeit der Regisseurin hervor: Gelöst und offen berichtete Ina Grauer, wie ihr Sung-Hyung Cho vor der Abreise nach Nordkorea am Flughafen eine Kamera in die Hand drückte, „die HD-fähig war“. Damit konnte sie Touristenvideos drehen, bei denen ihre nordkoreanischen Aufpasser sogar freundlich halfen, ordentliche Bilder zu finden – ein glücklicher Zufall. Auch die anderen im Film verwendeten Aufnahmen aus Nordkorea sind Amateurbilder, aufgenommen von Renate Hongs Sohn Peter. Denn obwohl Sung-Hyung Cho dafür sogar ihre Staatsbürgerschaft änderte – die aus Südkorea stammende Filmemacherin wurde Deutsche – bekam die Regisseurin keine Genehmigung, die Kinder von Renate Hong, Marga Sim und Ruth Runge bei ihrer Spurensuche nach dem Leben der verschwundenen Vätern in Nordkorea mit der Filmkamera zu begleiten. „Trotz allem habe ich versucht, das Land gemäßigt zu zeigen“, betonte Sung-Hyung Cho, die bereits für „Endstation der Sehnsüchte“ in Nordkorea gedreht hatte.
Ein Zuschauer wollte wissen, ob aus der kleinen Gruppe deutscher Frauen und Kinder, die, wie er gelesen hatte, damals nach Nordkorea übergesiedelt war, immer noch Menschen dort lebten. „Die letzte Frau, die übergesiedelt war, kam 1974 in die DDR zurück“, erzählte Ina Grauer und ergänzte, dass das Leben in Nordkorea zu dieser Zeit sehr hart gewesen sei.
„Verliebt, verlobt, verloren“ ist Sung-Hyung Chos dritter Heimatfilm. „Aber nicht der letzte“, versprach die Filmemacherin, die ihren nächsten Film wieder in Nordkorea drehen will: „Um Ina zu zeigen, wie der nordkoreanische Alltag aussieht.“ Weil die Regisseurin Geburtstag hatte, wollte das Publikum die sympathische und humorvolle Regisseurin mit einem Ständchen erfreuen. Dass es dabei ihren Namen nicht intonieren konnte, wirkte wie ein Kommentar auf das Thema Heimat. Susanne Klappenbach
Der Film „Verliebt, verlobt, verloren“ wird am kommenden Wochenende erneut im Thalia gezeigt. Weitere Informationen unter www.thalia-potsdam.de
Susanne Klappenbach
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