Kultur: Verwegene Welt schwarzer Pointen
Absurdes und Komisches bei der Langen Nacht der Freien Theater am 12. Mai
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Sie ziehen über Land, spielen auf Dorffesten, in Gaststätten oder Klosterruinen. Sie gehen dorthin, wo sich die Menschen gerne versammeln und beleben ihre Orte mit Theater und Musik. Nur wenige von ihnen haben eine feste Aufführungsstätte. 20 freie, professionelle Theater gibt es mittlerweile im Land Brandenburg und zehn von ihnen sind am Samstag im T-Werk zu Gast. Sie zeigen bei der 3. Langen Nacht der freien Theater ihre vielgestaltigen Gesichter und wollen mit Schauspiel, Figuren- und Straßentheater, Musik, Tanz oder szenischen Lesungen überraschen und begeistern.
Weit über die Landesgrenzen hinaus ist das Wandertheater Ton und Kirschen bekannt. Die international zusammengesetzte Crew wird als Maitre de Plaisir die Besucher bereits auf dem Schirrhof begrüßen. Wer diese munteren Fantasiebeschwörer kennt, ahnt, dass es ein eigenwilliges Willkommenheißen werden dürfte. Zu den „Langgedienten“ dieser Szene gehören auch das Poetenpack, das auf ihre Sommerinszenierung von Kleists „Der zerbrochene Krug“ einstimmt. Und auch die Stadt-Spiel-Truppe ist dabei: mit ihrem absurden „König Ubu“, der mit an Bord geht, wenn der „Sturmvogel“ im Juni gen Polen in See sticht.
„Ansonsten bestimmen diesmal vor allem noch sehr junge Ensembles unser Programm“, sagt T-Werk-Sprecher Jens-Uwe Sprengel. Dazu gehört das multimediale Labor „Oxymoron“ um Tänzerin Anja Kozik, das mit einem Stilmix von Flamenco, Street, Break und Modern Dance eine Fahrt mit der Gespensterbahn antritt: Man weiß nicht, was einen erwartet. Und auch bei den „Gefährlichen Liebschaften“ des Theaters Marameo geschieht Unglaubliches: Aus engsten Verbündeten werden die erbittertsten Feinde – weil die Liebe dazwischen funkt.
Diese zweite Produktion nach „Cyrano de Bergerac“ zu realisieren, ist für Marameo eine finanzielle Zitterpartie, da sich die Stadt nicht an einer Projektförderung beteiligt. „Es ist immer schwierig, größere Sommertheaterproduktionen zu stemmen. Alle müssen gucken, wie sie überleben“, so Jens-Uwe Sprengel. Auch das T-Werk könne seinen Gästen kein Honorar zahlen, „da die Einnahmen längst nicht reichen, um die Unkosten zu decken.“ Bei aller Freude an der Ursprünglichkeit des volksnahen Theaters kämpfen die meisten freien Gruppen stets und ständig mit dem Handicap, dass frei sein eben auch heißt: frei sein von einer steten, zuverlässigen Bezuschussung.
Und dennoch ließen sich auch Claudia Engel und Matthias Ludwig nach ihrem Studium an der Theaterhochschule „Ernst Busch“ auf dieses Wagnis ein. Sie bauten in Gebersdorf bei Dahme einen ehemaligen Dorfkonsum aus und feilen dort nun mit Musikern, anderen Spielern und Bildenden Künstlern an einer ganz eigenen Theatersprache. In Potsdam zeigen sie als „ flunker Produktionen“ ihr „Erfolgsstück“: Eine Inszenierung über den Versuch, sich zwischen verschiedenen Lebensentwürfen zu orientieren. Absurde, abgründige und aufbauende Szenen werden verwoben, um der Sehnsucht nach dem Glück auf die Sprünge zu helfen.
In der Region Prignitz ist die „Theaterspedition“ unterwegs: Zu ihrem Ausflug nach Potsdam bringen sie ein szenisches Liedprogramm in finnischer und deutscher Sprache mit. Dabei prallt Gefühlsbetontes auf Kühl-Rationales. „Auch hier gibt es, wie bei den meisten Angeboten der Langen Nacht, nur einen Ausschnitt, um den Rahmen nicht zu sprengen“, so Jens-Uwe Sprengel. Appetithäppchen verteilt auch das Theater Nadi, das mit seiner neuen Produktion „Himmelkumov und andere Personalitäten“ die verwegene Welt der schwarzen Pointen betritt, die der Dichter Daniil Charms in den 30er Jahren anlegte. Premiere dieser clownesken Stolperei ist am 12. Oktober. Wiederum im T-Werk, denn Nadi hat das Glück einer zuverlässigen Adresse. Heidi Jäger
Karten: 0331-71 91 39/www.t-werk.de; Tageskarte: 12/erm. 8 € / Schüler 6 €
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