Kultur: Vom Verschwundenen erzählen
Heute startet „Als wir die Zukunft waren“ in den Kinos. In Potsdam gab es dazu ein Filmgespräch
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Sie wurden in ein noch nicht lange gegründetes Land hineingeboren, dass das bessere Deutschland sein wollte. Auch deshalb legte es seinen Kindern die Zukunft wie eine Last auf die Schultern, misstraute aber gleichzeitig ihren Ideen. Später studierten sie an der Filmhochschule in Potsdam-Babelsberg, wurden Kollegen in den DEFA-Studios. Sieben Regisseure – Gabriele Denecke, Lars Barthel, Peter Kahane, Thomas Knauf, Ralf Marschalleck, Hannes Schönemann und Andreas Voigt – erinnern sich an ihre Kindheit in den 50er und 60er Jahren in der DDR. Als Preview war „Als wir die Zukunft waren“ am Dienstagabend im vollbesetzten Kino des Filmmuseums zu sehen.
Dass aus der lange gehegten Idee, Biografisches aus eigener Perspektive zu erzählen, ein Film werden konnte, ist auch der Unterstützung von RBB-Redakteur Rolf Bergmann zu verdanken, wie Produzentin Barbara Etz sagte. In jeweils 10-minütigen Episoden werden Erinnerungen lebendig, die so unterschiedlich sind wie die Wahl der erzählerischen Mittel: poetische Verdichtung, Archivmaterial, Schwarz-Weiß-Fotos, Amateurfilme, Animation und anderes mehr. Unter der Oberfläche der Erinnerung an Familientreffen und –konflikte, Pionierpflichten, Ausflüge und Gerüche, Radiosendungen und erste verstohlene Blicke auf Frauen, dem Verlust des Vaters, an Fernweh und Rebellion, wird jedoch in jeder der Episoden die Geschichte einer Desillusionierung sichtbar. Ob schmerzhafte Kindheitserfahrung oder politisch motivierte Verhaftung als Jugendlicher – der Glaube an eine Gesellschaftsordnung namens Sozialismus ging verloren noch bevor sie erwachsen waren.
Ein gemeinsames Gespräch der Regisseure an einem einsamen Ort bildet den Rahmen der „7 Geschichten aus einem verschwundenen Land“, wie der Untertitel des Films lautet. Die dem Film zugrunde liegenden Motive werden höchstens angedeutet. Und vielleicht lag es eben genau daran, dass das von Jeannette Eggert moderierte Filmgespräch mit Lars Barthel, Peter Kahane, Thomas Knauf, Ralf Marschalleck, Hannes Schönemann, Andreas Voigt und Barbara Etz – Gabriele Denecke war leider verhindert – wie die Fortsetzung eines spannenden Arbeitsprozesses wirkte. Beinahe alle Filmemacher empfanden das 10-minütige Format als sehr schwierig, weil eigentlich zu kurz: Peter Kahane hätte sich mehr Raum gewünscht um die Konflikte zu erzählen, Hannes Schönemann sah sich gezwungen, seine Arbeitsweise zu ändern, um den 10 Minuten gerecht zu werden.
Nur für Lars Barthel war klar: Wenn man sich dem Prozess des Findens der eigenen Wahrheit wirklich stelle, sei es zu schaffen, dem in dieser Kürze eine Form zu geben. Ralf Marschalleck wollte von Prägungen erzählen. Sie alle hätten sich immer in der Auseinandersetzung mit dem Westen entwickelt. Nicht nur in der Frage, ob es umgekehrt im Westen auch eine Auseinandersetzung mit der „Anti-Welt“ DDR gegeben habe, gab es unterschiedliche Meinungen unter den Regisseuren. Vielleicht deshalb wünscht man sich noch weitere Filme, die Geschichten aus dem Land erzählen, das es nicht mehr gibt. Susanne Klappenbach
„Als wir die Zukunft waren“ startet am heutigen Donnerstag in den Kinos.
Susanne Klappenbach
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