Kultur: Von erzählender Natur wortreich ausgeschmückt
Vertrag sichert: Fontane-Briefe dauerhaft in Potsdam
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Er war nicht gerade der Lieblingssohn Fontanes, dafür aber der erfolgreichste. Die Pingeligkeit und Prinzipientreue von Theodor jun. machte sich der Vater indes literarisch zunutze. Der preußisch-akkurate Baron von Innstetten in Fontanes Roman „Effi Briest“ soll ebenso Züge des Familiensprosses tragen wie Wendelin in „Die Poggenpuhls“.
Noch mehr Aufschluss über die Familiensaga wird die Auswertung eines gewichtigen Briefkonvoluts geben, das gestern offiziell in den Bestand des Fontane-Archivs überging. Die Kulturministerin des Landes Brandenburg, Johanna Wanka, und der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Klaus-Dieter Lehmann, unterzeichneten in der Villa Quandt einen Dauerleihvertrag. Nunmehr werden die 104 Briefe, die im Juni 2007 vom Fontane-Archiv Potsdam und der Staatsbibliothek zu Berlin gemeinsam erworben wurden, als Ganzes in Potsdam aufbewahrt.
Man muss sich allerdings nicht unbedingt auf den Weg in die gerade sanierte Villa zu Füßen des Pfingstbergs machen, um nachzulesen, was der Vater 30 Jahre lang seinem Sohn postalisch mitzuteilen hatte. Denn der Vertrag ist mit der Auflage verbunden, die Korrespondenz zu digitalisieren, wie Prof. Johanna Wanka betonte. Sie freute sich, die eigenhändigen Briefe aber auch im Original betrachten zu können: „die verblassende Tinte, die schwungvolle Feder: einfach auch haptisch sehr schön“.
Prof. Klaus-Dieter Lehmann zeigte sich begeistert von dem neuen Zuhause der Briefe: „Ein wunderbarer Ort mit Blick nach außen und nach innen. Hier kann aktive Forschung betrieben werden und die neuen Ergebnisse können mit den großen Ressourcen der Staatsbibliothek vereint werden.“ Es sei zu erwarten, dass ganz neue literaturwissenschaftliche Erkenntnisse ins Haus stünden, „gerade weil Theo als Schablone für Fontanes Romane diente“, sagte die Generaldirektorin der Staatsbibliothek zu Berlin, Barbara Schneider Kempf. Die Briefe seien enorm forschungsrelevant, „denn sie sagen viel über den Schreiber wie über den Empfänger aus.“ Obwohl die Antwortbriefe von Theo jun. nicht mehr vorhanden sind.
320 000 Euro kostete der Erwerb, mitfinanziert durch die Kulturstiftungen der Länder und durch den Stifterverband für die Deutsche Wirtschaft. Zuletzt kam das Konvolut im Oktober 1933 bei einer Versteigerung des Berliner Auktionshauses Meyer & Ernst unter den Hammer. Der letzte noch lebende Sohn Fontanes hatte es in der Zeit der Inflation zum Verkauf angeboten. Die Briefsammlung erreichte aber nicht einmal den damaligen Schätzpreis von 255 Reichsmark.
Die Nachkommen des privaten Sammlers, der die Korrespondenz 1933 ersteigert hatte, wollten es jetzt wieder veräußern und waren froh, dass sie ihren Besitz in Forscherhände geben konnten. „Wir sind einer Auktion zuvorgekommen“, so Hanna Delf von Wolzogen, Direktorin des Fontane-Archivs. Ihre Einrichtung werde nun den zerstreuten Nachlass Fontanes, der sich u.a. auch in Marburg und im Märkischen Museum befindet, virtuell zusammenführen und auch die vermissten Schriften benennen.
„Wir hatten schon zuvor einige der Briefe aus dem ,Theo-Konvolut“ als Abschriften hier, aber mit fehlerhaften Übertragungen. Die Hälfte der Briefe war uns indes völlig unbekannt.“ Fontane hat seinem Sohn zu den unterschiedlichsten Themen geschrieben, und das, seit dieser 12 Jahre alt war – und obwohl sie ein zwiespältiges Verhältnis hatten. „Die Briefe lassen Rückschlüsse auf die Familienkommunikation zu. Man erfährt aber auch etwas zu Verhandlungen mit Verlegern oder zum Fortgang beim Schreiben der Romane.“
Theo wäre selbst sehr gern Schriftsteller geworden, aber Fontane riet ihm ab, weil damit wenig Geld zu verdienen sei und der Sohn es auch angesichts der Bekanntheit des Vaters schwer gehabt hätte. Also wurde Theo stattdessen Jurist und schlug als einziger aus der Familie eine Beamtenlaufbahn ein, so Hanna Delf von Wolzogen.
90 Prozent aller Briefe, die Fontane an Theo schrieb, seien nun also bald von jedermann einsehbar: ob per Internet in New York oder Sydney oder aber dann und wann in einer Ausstellung des Archivs in Potsdam. „Natürlich nur so oft, wie es die Lichtempfindlichkeit zulässt“, so die Wissenschaftlerin.
Einer der spätdatierten Briefe, geschrieben am 21. Juni 1892, deutet auf eine Krise hin, die Fontane zu jener Zeit durchlebte. Der Schriftsteller zog sich aus dem quirligen Berlin zurück, um im schlesischen Schmiedeberg seinen Roman „Effi Briest“ zu schreiben. Da er nicht voran kam, riet ihm sein Arzt, zuvor seine Lebenserinnerungen zu notieren. Was mit „Meine Kinderjahre“ auch geschah. Dieses „Zwischenspiel“ holte Fontane tatsächlich aus dem Schaffenstief heraus: Danach entstand seine Effi, das wohl berühmteste Werk des Romanciers, das heute noch Schulliteratur ist.
So wie seine Bücher sind auch seine Briefe wortreich ausgeschmückt und von erzählender Natur: „Seinem Sohn gegenüber schlug Fontane zumeist einen ernsthaften Ton an. Er gab ihm oft Ratschläge, ohne schulmeisterlich zu sein. Nie gab es einen Bruch, nur kleine Kräche – wie in jeder Familie“, sagte die Archiv-Chefin, nunmehr stolz auf „ihren“ Besitz, aus dem es sicher noch viel herauszulesen gibt .
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