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Kultur: Von Fäden und Raupen

Ausstellung und Performance zum Thema Seide im Potsdamer Kunstwerk: Näh- und Körperarbeit Hand in Hand

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Auf einer Leiter steht die Frau und hämmert an die Wand, dass es beinahe echt wirkt. „Sie“ ist eine Videoinstallation, aber die Leiter steht wirklich da. So empfängt das Kunstwerk in Kooperation mit Studentinnen der Kunst im Lehramt von der Universität Potsdam den Neugierigen zu einer Ausstellung über Seide, die mit Installationen und Performances gekoppelt ist. Die beiden unterschiedlichen Ausdrucksweisen entfalteten in der Kombination bei der Eröffnung am Freitagabend eine große Lebendigkeit.

In den oberen Räumen des renovierten Gebäudes sind die Arbeiten der Gruppe von Künstlerinnen des Kunstwerks zu sehen, die sich mit dem ursprünglich kostbaren Stoff auseinandergesetzt haben und mit Nadel und Faden ihren Visionen Gestalt verliehen. Zwar seien sie an der Raupenzucht gescheitert, aber dafür gibt es in Brandenburg ja viele Beispiele, wie Eva Kowalski in ihrer Eröffnungsrede noch einmal deutlich machte. Im Park Sanssouci hängt noch die stolze weiße Maulbeere ihre Zweige bis zum Boden, aber von den Hinterlassenschaften der über 2000 Seidenbauern, die man im 18. Jahrhundert in die Mark holte, ist heute nur noch wenig zu sehen. Weil das mit der Raupenzucht nicht klappte, ersetzten die Frauen die Tiere durch Seidenbällchen und erinnern mit den so gefüllten Terrarien an die vergangene brandenburgische Tradition.

Die Faszination der Seide ist immer wieder neu, und selbst wenn man sie in jedem Asia-Laden für wenig Geld erstehen kann, freuen sich die Finger doch, wenn sie über den glatten, glänzenden Stoff fahren. Das darf man wahrscheinlich bei den ausgestellten Werken nicht tun, aber man möchte gerne mal hinlangen, zum Beispiel an das tiefe Rot des „Feuer“ genannten Wandbehangs von Eva Kowalski, oder an die Brauntöne ihrer „Erde“ und an die Blauchangierungen ihrer „Luft“.

Edda Gehrmann meditiert mit einem Wandtuch in goldenen und gelben Farben über den Johannes-Spruch „Ich bin das Licht, das in die Welt gekommen ist...“ und tatsächlich wirkt es wie ein heller Sonnenstrahl. Dass man auch ironisch mit der Seide umgehen kann, beweist Christel Rebuschat mit dem „Geschenk an den Krawattenmuffel“, in dem sie feine Quadrate aus Krawattenstoff zu einem Spiel aus geometrischen Figuren, Punkten und Linien kombinierte.

Die ruhigen Stoffarbeiten kontrastierten bei der Eröffnung mit den raumgreifenden Installationen der Studentinnen, die sich mit Metamorphosen des Körpers auseinandersetzten. Dazu gehört auch die Frau auf der Leiter. Und am anderen Ende des Saales im Untergeschoss arbeitete eine Studentin in einer Art Duschkabine daran, sich immer mehr einzuigeln. Sie klebte DIN-A-4 Blätter an die Innenwand der Kabine, auf die von außen mittels Diaprojektor Utensilien des Alltags wie Handys und Bücher als lautlose Fotokommentare projiziert wurden. Während sie sich ihrem autistischen Tun hingab, wickelten sich drinnen drei Studentinnen in einer Performance zu monotonen Klängen immer mehr in ihre Seidenumklammerung ein. Daneben lagen menschengroße Säcke auf dem Boden, die sich wie Seidenraupen bewegten, aufrichteten und wieder zurückfielen in ihren Kokon.

Später wurden die sehr zahlreichen Zuschauer mit einem weißen Faden zu einer Masse gesponnen und schauten sich die Tanzperformance einer anderen Gruppe an, deren Metamorphose ebenfalls an die kleinen Insekten erinnerte, aber auch die Veränderung des Mädchens zur Frau versinnbildlichen konnte. Die assoziationsreiche Darbietung bewies, dass Näh- und Körperarbeit manchmal Hand in Hand gehen können.

Lore Bardens

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