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Die vom Berliner Kollektiv "Klebebande" gestaltete Fassade des Kesselhauses nimmt die Backsteinarchitektur des Waschhauses auf. 

© Ottmar Winter

Tape Art in Potsdam: Warum das Kesselhaus in neuen Farben erstrahlt

Vierecke, Dreiecke, Balken: Ein Berliner Künstlerkollektiv hat die Fassade des Kesselhauses neu gestaltet und in kräftige Farben getaucht. Der Look stammt aus den 60er-Jahren.

Potsdam - Dieser Ort hatte es wahrlich nicht leicht. Aber wenn am Ende eines langen Prozesses alle Beteiligten aus tiefstem Herzen „toll“ sagen, dann ist wohl etwas richtig gemacht worden. „Wir haben es hier mit einer Win-win-win-Situation zu tun, sagte Waschhauschef Mathias Paselk am Mittwoch zur Eröffnung des neuen Kesselhauses. 

Denn hier griffen viele Parteien produktiv ineinander: die Universität Potsdam war mit Studierenden des neuen Studiengangs „Kunst im Lehramt“ dabei, die mit Potsdamer Schüler:innen Tape-Art ausprobierten – die Resultate sind vor Ort zu sehen. Die Plattform für Kulturelle Bildung Brandenburg hat das Projekt finanziert. 

Und der Veranstaltungsort Waschhaus, zu dem das Kesselhaus gehört, schärft seinen Ruf als Ort der Künste und Soziokultur zusammenbringen will. Win-win-win: Der Begriff wurde bei der Eröffnung immer wieder aufgenommen. 

Die Geschichte des Kesselhauses kennt Rückschläge, aber offenbar keine Verlierer. Kein Neubau ist hier zu feiern, sondern die Neuerfindung eines bestehenden Baus aus dem Geiste der Kunst, genauer: der Tape Art. 

Das ist eine Kunstform, die in den 1960er-Jahren entstand und zur Urban Art gezählt wird, zur Kunst im städtischen Raum. Wesentliches Material sind Klebebänder, die auf Fassaden und anderen Oberflächen aufgebracht werden und als Schablonen dienen.

Potsdamer Denkmalamt lehnte ersten Entwurf ab

Sie hinterlassen klare, geometrische Formen. So auch auf dem neuen Kesselhaus. Dreiecke, Vierecke, Linien schieben sich hier in verschiedenen Rottönen ineinander. Der exzentrische Formenmix ist ein Hingucker, die Farben jedoch eine Anleihe an die Backsteinarchitektur im direkten Umfeld. 

Das Berliner Tape-Art-Kollektiv, von links nach rechts: Bodo Höbing, Bruno Ridderbusch und Kolja Bultmann.
Das Berliner Tape-Art-Kollektiv, von links nach rechts: Bodo Höbing, Bruno Ridderbusch und Kolja Bultmann.

© Ottmar Winter/PNN

Das neue Kesselhaus passt sich ein – aber nicht ohne optisch ein wenig zu frotzeln. Das Haus betont seine Zugehörigkeit zum Waschhaus, reibt sich rein visuell aber auch an den Nachbarn. Die Künstlergruppe hinter dem Projekt ist das Berliner Tape-Art-Kollektiv Klebebande. 

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Das in verspieltem Rot auftretende Kesselhaus ist bereits der zweite Anlauf. Ein erster, farblich wilderer Entwurf war vom Potsdamer Denkmalamt abgelehnt worden – nur zwei Wochen, bevor die Arbeiten beginnen sollten. Die Begründung: „Das Gebäude sollte in den Hintergrund treten.“ 

Kesselhaus war zuvor ein geschmähtes Gebäude

Da waren die Farben schon bestellt, sagt Kolja Bultmann von der Klebebande. „Darauf sind wir dann sitzen geblieben.“ Was einer der Gründe dafür ist, warum das Projekt eine „rein künstlerische“ Arbeit ist, sagt er. „Verdient haben wir damit nichts.“ 

An dem Projekt haben die Künstler nach eigenen Angaben nichts verdient.
An dem Projekt haben die Künstler nach eigenen Angaben nichts verdient.

© Ottmar Winter PNN

„Dass das Potsdamer Denkmalamt als eines der strengsten überhaupt gilt, wussten wir erst hinterher.“ Als er das bei der Eröffnung sagt, erntet er viele Lacher. Dass dennoch auch Kolja Bultmann das jetzige Ergebnis toll findet, liegt an der seltenen Möglichkeit, auf „einer so riesigen Leinwand zu malen.“ 

Die Chance, den öffentlichen Raum mitzuprägen, ist für ihn „ein Privileg, das nicht viele haben“. Das Kesselhaus, in direkter Nachbarschaft zum Waschhaus, war lange Zeit graues Sorgenkind in der Schiffbauergasse.

Im direkten Vergleich kommt die Kesselhaus-Fassade am Waschhaus so lebhaft rüber wie noch nie.
Im direkten Vergleich kommt die Kesselhaus-Fassade am Waschhaus so lebhaft rüber wie noch nie.

© Ottmar Winter/PNN

Denkmalamt erlaubt Fassade nur für fünf Jahre

In diesem so sehr um Belebtheit ringenden Kulturquartier sah es bis vor Kurzem aus wie ein fahler Fremdkörper ohne eigenen Charakter. Das alte Kesselhaus, ein in den 1880er-Jahren errichteter Backsteinbau, war im Zuge der Sanierungsarbeiten zwischen 2003 und 2010 abgerissen, ein neuer erbaut worden. 

Der Neubau war ein funktionaler Anbau des Architekten Wolfhardt Focke. Allerdings wurde dieser Neubau nie ganz das, was er hätte werden können. „Die Fassade im grauen Beton zu belassen, war nicht so gedacht“, sagt Christina Emmerich-Focke

Die jetzige Fassadengestaltung soll nur eine von vielen zukünftigen sein.
Die jetzige Fassadengestaltung soll nur eine von vielen zukünftigen sein.

© Ottmar Winter/PNN

Die Frau des Architekten Wolfhardt Focke war als Überraschungsgast bei der Eröffnung dabei. Auch Wolfhardt Focke selbst äußert sich begeistert, dass an der Fassade jetzt etwas passiert. 

Als Bauschaffender habe man es immer mit Kompromissen zu tun, der Neubau des Kesselhauses sei ein Beispiel dafür. Der Gestaltung hat er gern zugestimmt. Er befürwortet die Idee, dass das Gebäude eines mit „wechselnden Anzügen“ wird.

Waschhaus-Chef Paselk bestätigt, dass das neue Antlitz nur fünf Jahre bleiben soll – eine Vorgabe des Denkmalamtes. Was danach kommt, weiß er nicht. 

Aber er betont: Das Kesselhaus ist geografisch gesehen das Herz der Schiffbauergasse. Dass dieses Herz jetzt bunt schlägt und sich künftig auch mal wieder verändern kann, dürfte dem Leben in der Gasse gut tun.

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