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Produzentengalerie M: „Bombay Glitter meets Arctic Ocean“: Wie heißer Kitt die Welt zusammenhält
Ellinor Euler und Ilka Raupach erhielten den Kunstförderpreis „InterStip“. Die Potsdamer Produzentengalerie M zeigt jetzt die Arbeiten der weit gereisten Frauen.
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Potsdam - Neue Erfahrungen findet man am besten in der Ferne – das geht Künstlern, die ja ohnehin immer auf der Jagd nach Inspiration sind, nicht anders. Eine der bekanntesten Künstlerreisen ist vermutlich Johann Wolfgang Goethes Fahrt nach Italien. Fast wie bei heutigen Städtetrips war seine Fahrt allerdings fast ausschließlich beschränkt auf Sehenswürdigkeiten, die ein weltmännischer Künstler, ganz dem damaligen Bildungskanon entsprechend, im Laufe seines Lebens gesehen haben musste.
Was für wirklich interessante Orte heutige Künstler besuchen und wie sich die fremden Einflüsse in ihren Werken niederschlagen, ist seit dem 20. August in der neuen Ausstellung „Bombay glitter meets Arctic Ocean“ in der Produzentengalerie M zu sehen. Den beiden Künstlerinnen Ellinor Euler und Ilka Raupach wurde 2014 der Kunstförderpreis „InterStip“ verliehen. Das Arbeitsstipendium wird jedes Jahr vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg vergeben und soll Künstlern Projekte im Ausland ermöglichen.
Die studierte Architektin und Künstlerin Ellinor Euler ging mit der Förderung nach Indien – ein Land, das sie schon oft bereist hat. Diesmal lebte und arbeitete sie mehrere Monate in der Künstlerresidenz „Site“ in Vadodara im Bundesstaat Gujarat. Ihr Arbeitsplatz: eine fensterlosen Metallfabrik. Hier war sie tatsächlich mit dem konfrontiert, worüber hier oft geredet – und selten hingeschaut – wird. Die Auswirkungen einer globalisierten Welt, die ihren Hunger nach Konsum in den Fabriken der Schwellenländer und der Dritten Welt unter desaströsen Arbeitsbedingungen stillen lässt. Euler entschied sich dafür, mit den Klischees, die sich über Indien in die Köpfe der Daheimgebliebenen gebrannt haben, zu spielen. Ihre glitzernden und knallbunten Werke scheinen direkt einem Bollywoodfilm entsprungen zu sein. Sie hat schillernde Pailletten mit einer Heißkleberpistole auf Holzboxen, Strukturbleche oder handgeschöpftes Papier gebannt. Bei manchen Arbeiten wird der Heißkleber selbst zum Material, in allen Formen und Farben hat sie ihn aufgetragen. So entstanden räumliche Strukturen – und Objekte, die nicht nur hochdekorativ sind. Mit ihren Heißkleberobjekten schlägt Euler eine Brücke zwischen Industrie und Kunst. Manchmal nahe an der Grenze zum Kitsch, dann wieder mit viel Poesie erzählen sie von einem Indien voller Gegensätze.
In ganz andere Welten tauchte die in Caputh lebende Ilka Raupach ein. Im Oktober 2014 nahm die ausgebildete Elfenbeinschnitzerin und Bildhauerin an einem einmaligen internationalen und interdisziplinären Austausch teil. Künstler, Wissenschaftler, Architekten und Lehrer segelten 14 Tage im Rahmen des Programms „The Arctic Circle“ auf dem Schiff Antigua durch den Arktischen Ozean rund um Spitzbergen. Die unwirtliche Eislandschaft, die Raupach schon immer faszinierte, hat deutliche Spuren in ihrem Schaffen hinterlassen. Ihre Arbeiten erinnern an die Studien eines Forschungsreisenden vergangener Jahrhunderte. Die Skulpturen und Objekte aus Alabaster, Gips, Speckstein, Porzellan oder Glas wirken wie prähistorische Fundstücke aus dem ewigen Eis. Larven- und insektenartige Gebilde, Klauen und Stachel oder der Embryo eines Finnwals. Daneben finden sich detailreiche Monotypien von Insekten auf Papiertapeten. Ihre ebenfalls in der Ausstellung gezeigten Fotografien zeigen eine beeindruckende Natur, dick in Schnee und Eis gehüllt. Fast kann man die Kälte und Einsamkeit dieses Ortes spüren. Obwohl die Künstlerin mit verschiedenen Medien arbeitet, ist ihre Werkschau in sich stimmig und kontrastiert gut mit den glitzernden und farbintensiven Werken von Euler. Sarah Stoffers
„Bombay Glitter meets Arctic Ocean“ in der Produzentengalerie M, Charlottenstraße 122, ist bis zum 27. September von Mittwoch bis Freitag von 11 bis 17 Uhr und samstags und sonntags bis 18 Uhr geöffnet
Sarah Stoffers
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