Kultur: „Willkommen im Wohlfühlkino“
Gegen den bundesweiten Trend: Wie es die Potsdamer Off-Kinos schaffen, Besucher zu halten
Stand:
Gegen den bundesweiten Trend: Wie es die Potsdamer Off-Kinos schaffen, Besucher zu halten Die Branche schlägt die Hände über dem Kopf zusammen. Zehn Prozent weniger Besucher in deutschen Kinos als in den ersten sechs Monaten des vergangenen Jahres, schätzt die FFA Filmförderanstalt (die genauen Zahlen werden im Juli vorgelegt). Und das nach einem super Jahr 2004, das endlich, nach langer Kino-Dürre, für Aufbruchstimmung sorgte. (T)Raumschiff Surprise, Harry Potter, Der Untergang, Troja, Herr der Ringe. Millionen Besucher. Die Kinokasse hat nur so geklimpert. Doch das war 2004. Heute ist die deutsche Kinolandschaft wieder angeknackst. Nur in Potsdam ist sie noch so gut wie in Ordnung, bis auf den Untergang des historischen Kinos Melodie. Das Angebot dieser Woche zum Beispiel: Märchenfilme, Filmgespräch, politisches Kino im Filmmuseum. Woody Allen mit der endlich mal wieder gelungenen Komödie „Melinda und Melinda“ und das französische Filmmuss „Die Frau des Leuchtturmwärters“ im Thalia Babelsberg. Im UCI in den Bahnhofspassagen der Verbrecherjäger „Batman“ und das „Schwiegermonster“ mit Jane Fonda und Jennifer Lopez. Und die Leute gehen hin. Das Filmmuseum hat sogar leicht mehr Besucher als 2004, das Thalia ungefähr genauso viele – das UCI allerdings zählt ein Minus von rund acht Prozent. Aber auch das ist zwei Prozent besser als der deutsche Trend. Was machen die Potsdamer Kinos besser? Filme sind kein Selbstläufer mehr“, sagt Dorett Molitor vom Filmmuseum. Ihr Haus setzt auf Film als Thema, auf Kooperationen mit dem Medienboard, dem Literaturkollegium, Schulen und Projekten. Filme werden im Kombipack mit Podiumsdiskussionen serviert, Regisseure stellen ihre Werke vor. Besonders gut laufen im Marstall inzwischen deutsche Filme. „Die sind viel besser geworden“, sagt die Museums-Frau. „Muxmäuschenstill“, „Good Bye Lenin“, „Alles auf Zucker“. Mit ausgelöst hat den Qualitätssprung die neue Generation an Filmemachern, die jetzt die Hochschulen verlässt, meint sie. Und das heute Drehbuchschreiben besser gefördert und unterstützt wird. Das Museum setzt weiter auf „Bonbons der Filmwelt“, deutsche und europäische Autoren- und Kinderfilme, das Lolafestival, Filme von der Berlinale. Und selbst wenn die blauen Polstersitze mal ziemlich leer bleiben, ist das kein Drama. Schließlich wird das Haus mit öffentlichen Geldern gesponsort, um Außergewöhnliches zu zeigen. Auch im Thalia gehören deutsche Filme zur Hitliste. „Alles auf Zucker“steht in diesem Jahr auf Platz 1, gefolgt von Sophie Scholl (3) und Willenbrock (5). Rund 60 Prozent der Filme sind in dem Arthouse-Kino deutsch oder europäisch, 40 Prozent kommen aus aller Welt und den USA, sagt Chef Thomas Bastian. Viele tolle Filme auf dem Markt, fast 500 pro Jahr, sagt er. Ein Überangebot auch für Kinogänger. Die müssen sich für einen Film entscheiden – gehen aber nicht öfter ins Kino. Über die DVDs, an denen die Produzenten viel besser verdienen, als an dem Vertrieb der Kinofilme, will er nicht nachdenken. „Daran kann ich nichts ändern“, sagt der Thalia-Chef. Er betreibt lieber „Kundenpflege“, kommt seinen Gästen mit Kinderbetreuung und einer Kontaktbörse für Kinofans entgegen. „Willkommen im Wohlfühlkino“, ist das Motto seines Kinos überschrieben. Daneben hat er die Technik für die Zukunft getrimmt, nach einer Testphase 2004 zeigt das Thalia jetzt auch digitale Filme. Weniger Besucher als 2004. Das könnte daran liegen, dass es in diesem Jahr keine so großen, erfolgreichen Streifen gab, sagt René Pilz vom UCI. Das Kino will Besucher nun mit Aktionen und Events rund um den Film in die acht Kinosäle locken, mit Aids Gala und Mitternachtspremieren. Das Multiplexkino zeigt alle „wichtigen“ Neustarts und ist bei der „Langen Nacht der Kinos“ dabei. Zur Zeit befasst man sich in seinem Haus aber auch mit einer ganz anderen Frage: Wie bekommt man älteres Publikum ins Kino? Das wiederum dürfte auch die anderen Potsdamer Lichtspieltheater interessieren. Egal ob Actionkino, Arthouse oder Filmmuseum, ob mit Popcorn oder ohne. Marion Hartig
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: