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Potsdam aus der Ferne nah. Reflexionen auf Preußen.

© Pfingstberg-Förderverein

Kultur: Wimmelbilder für Erwachsene

Zwei Schweizerinnen zeichnen Potsdam: Ausstellung im Pomonatempel

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Wer kennt das nicht: Ein langweiliges Meeting, aus dem man nicht flüchten kann, ein ermüdendes Telefonat, dröger Unterricht. Gern verselbstständigt sich dann der Stift in der Hand, entstehen wundersame Kritzeleien auf Rändern von Schreibblöcken und Papierschnipseln. „So ähnlich haben wir auch gearbeitet“, sagen Anna Röthlisberger, die in Bern Visuelle Kommunikation studiert, sowie die Grafik-Studentin Selina Röseler, ebenfalls aus Bern in der Schweiz. Die beiden jungen Frauen haben die erste Ausstellung der Sommersaison im Pomonatempel gestaltet, die am Pfingstwochenende eröffnet wurde.

„Gezeichnete Reflektionen aus 200 Jahren Preußische Eitelkeit“ ist der Titel von acht großformatigen Bildern, die man eher Plakate oder Tapetenstücke nennen möchte. Da außerdem auf Rahmen verzichtet wurde, erinnern die unzähligen kleinteiligen, detailgetreuen schwarzen Zeichnungen, die sich auf weißem Hintergrund drängen, tatsächlich an kreatives Pausengekritzel. Für die Ausstellung hatten sich die Studentinnen auf eine Ausschreibung des Fördervereins Pfingstberg gemeldet. Als es an die Umsetzung ging, mussten die Bilder neben dem regulären Uni-Pensum entstehen. „Also zeichneten wir in der U-Bahn, in der Vorlesung, abends zu Hause, wo und wann wir Zeit hatten“, sagen sie. Die einzelnen Elemente, mit schwarzem Kugelschreiber oder Filzstift gezeichnet, wurden dann eingescannt und für das Gesamtbild zusammengesetzt.

Der Potsdam-Bezug war eine Herausforderung: Keine von beiden war jemals in der preußischen Metropole gewesen. Sie informierten sich per Wikipedia über Potsdams Stadtgeschichte, sahen sich Luftbilder über den Garten rund um den Pomonatempel an. Denn in den Bildern sollten sich Historie und Gegenwart verflechten, preußische Monarchen, ihre Eitelkeiten und Träume mit denen heutiger Potsdamer verschmelzen. Und so muss man sich viel Zeit, sehr viel Zeit nehmen für die Wimmelbilder, auf denen es so unendlich viel zu entdecken gibt, in einer stilistischen Breite von künstlerisch gehobenem Comic bis hin zu feinsten grafischen Elementen. Das nachträgliche Zusammenschieben der Einzelteile erzeugt stellenweise einen plastischen Effekt, der gut zu dem Nebeneinander der unterschiedlichsten Figuren passt. Wie in einer gedankenlosen Collage müssen sie nun miteinander auskommen: Einhörner und Lollipops, ein Cello und ein Lautsprecherturm. Eine Art Tapetenmuster aus verschmolzenen Wespen und Oktopoden; Fachwerkhäuser und Trachten aus der Schweiz, indianische Masken, und dazwischen ein Typ, der aussieht wie der alte Schopenhauer persönlich. Als Hintergrund ein anonymes Nahverkehrsnetz. Und mittendrin ein großer Elefant. Natürlich sind auch Friedrich der Zweite und seine Gemahlin versteckt, doch genauso finden sich Jugendliche in Kapuzenshirts, anonymisiert durch dunkle Sonnenbrillen.

Aus den Fenstern eines modernen Hochhauses schauen dessen Bewohner, und an einer Imbissbude gehen drei alte Damen vorbei. Nun, da sie endlich Potsdam besucht haben, würden sie eigentlich gern noch einmal von vorn anfangen zu zeichnen, sagen sie. Schon bei den bisherigen Bildern waren ihnen nie die Ideen ausgegangen, nun hätten sie aber mehr Stoff denn je zum Zeichnen im Kopf. Vielleicht klappt es ja mit einem Austauschsemester in Berlin, sie würden beide gern für eine Weile in die Nähe Potsdams zurückkommen. Steffi Pyanoe

Bis zum 24. Juli, samstags, sonntags und an Feiertagen von 15-18 Uhr im Pomonatempel auf dem Pfingstberg. Der Eintritt ist frei

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