
© Andreas Höfer/Filmmuseum
Kultur: „Wir brauchen keine Monroe“
Foyerausstellung im Filmmuseum über den Amateurfilm in Brandenburg von 1950 bis 1990
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Es war ein durchkontrolliertes System. Trotz Nischen. Als wohl finsterstes Beispiel für die Überwachung der Hobbyfilmer in der DDR gilt das Amateurfilmcentrum Frankfurt (Oder), in dem gleich sieben Informelle Mitarbeiter der Staatssicherheit auf das Treiben der rund 20 Cineasten angesetzt waren. Doch trotz politischer Anleitung und Kontrollen entwickelten sich durchaus eigene Sichten in den rund 120 Amateurfilmstudios und bei den Einzelamateuren, die es zwischen 1950 und 1990 im Land Brandenburg gab. Eine eher unbekannte Hinterlassenschaft, obwohl in dieser Zeit mehr als 1 000 Filme entstanden sind. Doch nur wenige – wie das Frühwerk von Andreas Dresen – sind heute der Öffentlichkeit bekannt.
Um diesen Erinnerungsschatz zu heben, recherchiert das Filmmuseum gemeinsam mit dem Museumsverband Brandenburg in einem Forschungsprojekt seit einem Jahr diese vergessenen Filme. Die am heutigen Donnerstag eröffnende Ausstellung „Amateurfilm in Brandenburg 1950-1990. Arbeit an der Wirklichkeit“ im Foyer des Filmmuseums zeigt erste Ergebnisse.
Die Kuratoren Ralf Forster und Matthias Struch vom Filmmuseum trafen eine Auswahl, die die verschiedensten Facetten dieses künstlerisch ambitionierten Amateurfilms jenseits der privaten Urlaubs- und Familienwelt zeigen. Während unter Glas viele Dokumente und Fotos sowie optische Drehbücher präsentiert werden, die das Spannungsverhältnis der Amateure mit der offiziellen Kulturpolitik belegen, laufen an der Wand auf vier Monitoren Filmausschnitte: vom Propagandafilm, Trickfilm, über die Satire bis zum Arbeitsschutzfilm und der Dokumentation. Darunter auch der Streifen „Scombermix“, dessen Titel sich auf eine Fisch-Mix-Büchse aus DDR-Zeiten bezieht, von der man nie recht wusste, was sich in ihr befand. Die 1987 in Potsdam gegründete subversive Gruppe „Man Ray“ mit Fayd Jungnickel, Tom Zickler (heute Produzent vieler Til-Schweiger-Filme) und Alexander Schubert, inzwischen Comedian, machte daraus eine expressionistisch anmutende Geschichte. In ihrem Film zieht ein Mann wie einst Caligari durch die Nacht und tötet eine Frau. Am Ende sieht man, wie er etwas durch den Fleischwolf dreht.
„Es gab eine Reihe von Leuten, die man zu den subversiven Filmemachern zählen kann, die klar ästhetische und politische Opposition bezogen“, betont Matthias Struch bei einer Vorabbesichtigung der Ausstellung. Vor allem in den späten siebziger Jahren hätten sich außerhalb der offiziellen Strukturen die Gegenbewegungen verstärkt. Künstler entdeckten den Super-8-Film als subversives Medium und auch kirchliche Gruppen artikulierten sich auf diese Weise. So auch der Filmklub der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten um Manfred Gretschel aus Schöneiche, der zum Beispiel das Problem des Autoersatzteilmangels thematisierte. Ein anderer Film von ihm zeigte, wie ein Mann zum Arbeitsamt kommt und dem Beamten mitteilt, dass er mit seinem Leben unzufrieden sei und etwas anderes machen wolle. In der DDR gab es indes überhaupt kein Arbeitsamt, denn es durfte offiziell ja auch keine Arbeitslosen geben.
Andere Filme befanden sich strikt auf Parteilinie, spiegelten beispielsweise die Formen der Durchmilitarisierung wider, wie es sie in Pionierlagern oder in der Gesellschaft für Sport und Technik (GST) gab. „So kann man sehen, wie Kinder in Spielpanzer kriechen und für Manöverspiele begeistert wurden. Dafür findet man heute kaum noch Belege.“ Es sei zwar mitunter schwer erträglich, solche Filme zu sehen, sagt Matthias Struch, aber als Quelle seien sie in jedem Fall interessant. Schließlich bewahren sie Zeitgeschichte.
Sehr beeindruckt habe ihn indes der Film „Als die Anemonen blühten“, den der rührige Filmklub des VEB Lokomotivbau Elektrotechnische Werke „Hans Beimler“ Hennigsdorf (LEW) produzierte. Dieser Streifen erzähle eindringlich, in strenger Formensprache und fast kommentarlos, wie Häftlinge des Konzentrationslagers Sachsenhausen auf dem Todesmarsch nach Nordwesten zusammengezogen worden sind. Sie lagerten im Belower Wald nahe Wittstock ohne Versorgung und Unterkunft hinter Stacheldraht im Wald. Zahlreiche Bäume tragen noch heute die Inschriften, die von diesen Häftlingen stammen: die Belower Zeichen.
Der Staat kontrollierte zwar intensiv, förderte aber auch den Amateurfilm. Die Studiomitglieder konnten sich qualifizieren und die 16mm-Technik nutzen. Außerdem wurden sie von der Arbeit freigestellt, was allerdings oft zum Unmut der Kollegen führte. Die Filme zeigte man nicht nur in den Betrieben, sondern mitunter auch im Fernsehen, wie in der Reihe „Greif zur Kamera, Kumpel“.
Um den Nachwuchs kümmerte man sich ebenfalls. So gab es in Stegelitz ein Pionierfilmstudio, das wiederholt Besuch von „Professor Flimmrich“ erhielt, der wiederum die Filme der Kinder in seiner populären Nachmittagssendung im Fernsehen der DDR vorstellte.
Wie um Verstärkung geworben wurde, zeigt in der Ausstellung auch eine Schaufensterwerbung des Amateurfilmzirkels Senftenberg. Darauf ist ein Foto von Marilyn Monroe zu sehen mit der Unterschrift „Wir brauchen keine Monroe“, nach der Devise: Wir haben eigene Leute. Sie müssen nur kommen.
Andreas Dresen kam ans Bezirkskabinett für Kulturarbeit Potsdam, als er seine Heimatstadt Schwerin verließ und auf dem Sprung an die Filmhochschule Babelsberg war. Vor Beginn des Studiums drehte er in dem Potsdamer Hobbyclub seinen letzten Film als Amateur: „Schritte des Anderen“, für den er auf dem internationalen Amateurfilmfestival in Graz 1987 die Goldmedaille bekam. Darin erzählt er über das Aneinandervorbeileben in einer Hausgemeinschaft. Doch als sich Nachbarn aus ihrer eigenen Wohnung ausschließen, finden sie in der Not zueinander. Eine Kostprobe dieses 16mm–Films ist ebenfalls in der Ausstellung zu sehen.
Andreas Dresen zeigte seine Amateurfilme oft auf Zeltplätzen, also im öffentlichen Raum, aber nicht offiziell genehmigt. Er ging bei seinen „Drefa Sommertouren“ einfach zum Zeltwart und fragte um Erlaubnis. Und die bekam er zumeist. Es gab eben auch Nischen.
Eröffnung der Foyerausstellung heute um 19.30 Uhr mit anschließendem Kurzfilmprogramm. Einführung durch Kurator Ralf Forster. Der Eintritt ist frei
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