Kultur: Zerbrochene Wörter
Das Kunsthaus stellt ab Sonntag Arbeiten von Max Wechsler vor, der 13-jährig aus Berlin vor den Nazis floh und seitdem in Paris lebt
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Auch mit 86 Jahren klettert er noch auf die Leiter, um seine Bilder selbst an die Wand zu hängen. Renate Grisebach, Vereinsvorsitzende des Kunsthauses , ist wie elektrisiert, als sie in die PNN-Redaktion kommt, um Kataloge für die morgige Ausstellungseröffnung von Max Wechsler zu bringen. „So viel Energie“, schwärmt sie von der Kraft der Bilder und ist stolz, dass die Galerie den berühmten Künstler aus Paris nach Potsdam holen konnte.
Der Lebensweg des gebürtigen Berliners hat sein Schaffen stark geprägt. Max Wechsler war 13, als ihn seine Eltern 1939 in einen Zug nach Frankreich setzten: in ein fremdes, ebenfalls unsicheres Land. Er durfte seine deutsche Sprache nicht sprechen, sie hätte ihn verraten. Der Junge jüdischer Abstammung fand Unterstützung bei der Résistance, der er sich später anschloss. Seine Familie wurde indes von den Deutschen ermordet. „Keine Sprache zu haben, isoliert zu sein: das war eine der grausamen Erfahrungen, die sich bis heute im Werk von Max Wechsler eingegraben hat. Sein Bilder sind abstrakt und scheinen doch durchdrungen von der eigenen Biografie“, schrieb Berlins Oberbürgermeister Klaus Wowereit 2006 im Grußwort, als die Villa Oppenheim den Maler das erste Mal in seiner Geburtsstadt präsentierte. Wowereit zeigte sich begeistert über die Wirkung der Arbeiten: „Sie strahlen eine Reinheit und Schönheit aus, die sich dem Betrachter spontan mitteilt. Und dann erlebt man den Schock einer alles durchdringenden Fremdheit: Da sind Zeichen, die sich einer Deutung entziehen.“ Wechslers fast monochrome Kunst erzählt von die ihm aufgezwungene Sprachlosigkeit. „Als Kind hat mich Berlin mit dem ihm eigenen Licht durchdrungen, schwer zu beschreibende Empfindungen begleiten mich bis heute.“ Er hat diese Erinnerung mitgenommen ins Exil. Der plötzliche Entzug der Muttersprache hinterließen in ihm ein Gefühl des Mangels. „Diese Fährte verfolge ich, wie die verschiedenen Werkvariationen es noch erkennen lassen, um mir das Damals der Sprache, des Wortes, des Buchstabens wieder zu Eigen zu machen“, schrieb der in zahlreichen Museen und namhaften Galerien vertretene Künstler.
Seit 1984 verzichtet er auf Farbe und Pinsel. Der Anblick zusammengepresster Zeitungen war Auslöser eines malerischen Werkes ohne Malerei. Gedruckte Schrift wurde fortan zu seinem Material. Einzige Arbeitswerkzeuge sind eine Fotokopiermaschine, Schere, Leim und Binder. Ein vielfaches Kopieren von Kopien entwickelt sich zu einem „subtil geschichteten Raumgeschehen“, so der Kunsthistoriker Andreas Haus, der in die Ausstellung einführen wird. JÄ
Ab So, 5. Februar, 17 Uhr, Ulanenweg 9
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