Kultur: Zwei Kulturen in einem Konzert
Musik für Gambe und Santur aus Europa und Persien im Havelschlösschen Klein–Glienicke
Stand:
„Wärme und Zärtlichkeit“ heißt eine Tonart für die Jugend in der klassischen persischen Musik. Zwar gehörten die Zuhörer im Havelschlösschen bei Geigenbauer Tilman Muthesius eher zur mittleren Generation, doch ein bisschen davon ist sicher in keinem Alter fehl am Platz. Daran dachten vielleicht Christiane Gerhardt, Gambe, und Rusbe Torkasvand Hezhad, Santur, als sie genau diese Tonart für ihr Märchen-Konzert mit alter Musik aus Persien und Europa auswählten. Ein musikalisches Experiment und eine Premiere: Abwechselnd spielten und rezitierten die Musiker aus der berühmten Sammlung „1001 Nacht“.
Einen besseren Hintergrund als diesen uralten Schatz der Weltkultur ließ sich zu dem „Cross-Over-Experiment“ von Christiane Gerhardt und Rusbe Torkasvand Nezhad kaum denken, zumal sich die Musiker als eindringliche Erzähler entpuppten. Die aus vorislamischer Zeit stammenden Märchen aus 1001 überlebten Jahrhunderte und lösten nach ihrer Wiederentdeckung 1704 in Frankreich einen veritablen Orientkult aus. Die Umstände, die dazu geführt haben, warum der König Scharyar jede Nacht eine Jungfrau heiratet und am Morgen danach eine Frau tötet, ergeben auch heute noch amüsanten Erzählstoff.
Das entscheidende Kunststück des Konzerts bestand aus Transkriptionen von Stücken aus dem Gambenrepertoire, speziell dem Barock, und klassischen persischen Musikstücken sowie deren Amalgamisierung zu etwas Neuem. Hier Tanzstücke aus Suiten und Sonaten – dort unbekannte Melodien und filigrane Improvisationen auf hohen Stahlsaiten in kleinsten Tonräumen. Das erscheint gewagt und ergab unterschiedlichste Klangfarben. Der kräftige, sehnige Gambenton vereinte sich mit dem feinnervigen, durchdringenden Klingeln und Zirpen der Santur zu ungewohnten Klängen. Passend zu den jeweiligen Textstellen bildeten sich eine Vielzahl von musikalischen Ausdrucksformen.
Nicht nur die Musik von Orient und Okzident ist fundamental verschieden, sondern auch die Instrumente. Die meistens sechs Saiten der Gambe werden gezupft oder mit dem Bogen gestrichen. Das persische Instrument Santur ist eines der ältesten der Welt und gilt als Vorläufer des Cembalos und des Klavier. Es wird mit feinen Holzschlegeln auf einer Art Hackbrett mit 72 Saiten über dreieinhalb Oktaven gespielt. Unterschiedliche Stimmungen und Tonleitersysteme sowie generelle Differenzen in den Musiktraditionen lassen gemeinsames Spiel nicht unbedingt natürlich erscheinen.
Doch Christiane Gerhardt und Rusbe Rorkasvand Nezhad, die seit einigen Jahren im Ensemble „Celeste Sirene“ spielen, gelang es, beide Kulturen miteinander sprechen zu lassen. Das Ergebnis besitzt exotischen Klangreiz, klingt neuartig und ansprechend. Nur feinere Ohren bemerkten, dass die Instrumente nicht immer miteinander harmonierten. Was nicht am subtilen Zusammenspiel beider Musiker lag, sondern an den unterschiedlichen Stimmungen der Instrumente, zu denen sich die persische Handtrommel, Tombak, und eine Rahmentrommel gesellten. An diesem Abend zeigte sich, dass die Kulturen, so unterschiedlich sie im Einzelnen auch sein mögen, überall die gleichen, wenn auch nicht dieselben, Grundpfeiler besitzen: Musik, Kunst und Literatur.
Nach dem Konzert folgten kulinarische Köstlichkeiten aus Persien und interessante Gespräche – ein anregender, Sinne und Geist erwärmender Salonabend, der dem ausrichtenden Kultursalon Potsdam e.V. sehr gut zu Gesicht stand.Babette Kaiserkern
Babette Kaiserkern
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: