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Kultur: Zwischen Schein und Sein

Bernd Aury zeigt im Kulturministerium Malerei und Fotos, die künstliche Wirklichkeit schaffen

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Bernd Aury zeigt im Kulturministerium Malerei und Fotos, die künstliche Wirklichkeit schaffen Nichts ist so, wie es scheint, wenn man sich die Bilder von Bernd Aury ansieht. Ein leerer Raum mit 70er Jahre-DDR-Tapete und PVC-Boden, auf einer umrahmten Fotografie an der Wand sitzt eine arabische Frau am offenen Fenster, durch die Scheibe scheint die Weite der Mark Brandenburg. Doch alles ist ganz anders, als der Betrachter denkt. Das Porträt ist nicht in Brandenburg, sondern in Frankreich entstanden. Aury rahmte es ein, und hängte es in der leerstehenden Villa einer Tabakfabrik in der Uckermark an die Wand. Die märkische Landschaft hat er am Rechner in das Fenster montiert. Das fotografisch anmutende Werk ist von vorne bis hinten konstruiert, Künstlichkeit pur. Und doch: Wie ein Roman sich fiktiv der Wirklichkeit nähert, so wohnt auch in Aurys Bildern eine große Portion Realismus. In seiner dritten Ausstellung in diesem Jahr zeigt das Brandenburger Kulturministerium seit Dienstag Fotografie und Malerei von Bernd Aury. Seine „An Sichten“ sind groß- und kleinformatige Bilder, die sich mit Grenzgängen und DDR-Geschichte befassen, Arbeiten, die Wirklichkeit fokussieren, in Ausschnitten und verfremdet bis zur Unkenntlichkeit. Seine Arbeiten sind spannende Suchbilder mit Tiefgang. Kein Pinselstrich, kein Objekt, das nicht genaustens durchdacht ist. Aury schafft ästhetische Denkwerke, Suchbilder, die aus autobiografischer Perspektive Zeitgeschichte reflektieren. Stundenlang wohl könnte der zur Vernissage anwesende Künstler interessante Entstehungsgeschichten zu den gehängten Arbeiten aus seinem Gedächtnis hervorholen. In der Schau allerdings bleiben dem Betrachter solche wertvollen Gedankengänge zum Teil verborgen. Eher zufällig stößt man an den Wänden auf Serientitel und Machart seiner Arbeiten, vor dem einzelnen Bild aber wird der Betrachter allein gelassen, gerade in den fotografischen Reihen bleiben Feinheiten, die sich mit einfachen Bildüberschriften erklären ließen, verschlossen. Die Fotoserie von Immigranten vor offenem Fenster mit Blick auf brandenburgische Landschaft ist nach einem Brandanschlag auf ein noch unbewohntes Asylbewerberheim in Dolgenbrodt entstanden. Die Täter hatten den Zuzug angekündigter Ausländer verhindern wollen. Die in den Bildern hergestellte Verbindung von der Weite der märkischen Landschaft und dem unerwünschten, außen stehenden Fremdem geht auf. Bernd Aury war als Soldat in Hirschberg stationiert, an der Grenze zwischen Thüringen und Bayern. Jahre nach dem Mauerfall ging er mit der Kamera zurück und hielt Reste aus der Vergangenheit fest. In Siebdruck auf silbernem Hochglanzkarton zeigt er den früheren Grenzverlauf, leere Landschaft. Er fotografierte Wasser, Wald und Schnee, lässt – passende, aber überflüssige – Gedichte von Peter Huchel über die spiegelnden Flächen fließen. Dabei sind die Stimmungsbilder ausdrucksstark genug, als reine Textillustrationen kommen sie schlecht weg. Der Künstler fotografierte die einstige Grenzkompanie. Heute leben dort ehemalige Militärs, das Haus wurde zum Altersheim umgebaut, erzählt er. Auf dem Bild allerdings deutet nichts darauf hin. Die mit „Findlinge“ überschriebene abstrakte Malerei hängt großformatig im Foyer. Mit Acryl und oxydierten Kupferpigmenten schafft Bernd Aury grünbräunliche, sich über die gesamte Leinwand ziehende Blöcke. Chemische Prozesse haben Risse und Spuren hinterlassen, Geschichte spiegelt sich in den monumentalen Werken. Ausschnitthaft bringt der Künstler Bäume, Häuser, Gegenstände auf die Leinwand. Ein auf den Kopf gestelltes Glas spiegelt sich auf einer Platte. Wald ist vom Boden bis zu den Baumansätzen dargestellt. Die Wirkung ist enorm, die begrenzte Perspektive schafft eine ungewöhnlich ästhetische Wahrnehmung. Fotografie und Malerei von Aury pendelt zwischen fiktiv und real – und wird so zu spannender, subjektiver Wirklichkeitsabbildung. Eine sehenswerte Schau. M.Hartig

M.Hartig

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