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Immer größer. Die Windräder der neuen Generation sind nicht mehr 100, sondern 200 Meter hoch. Auf dem Bild wird ein solches modernes Windrad in einem älteren Windpark bei Frankfurt (Oder) aufgestellt.

© dpa

Potsdam-Mittelmark: 2000 Meter bis zum Windpark

Die Kreis-SPD will deutlich größere Abstände von Windparks zu Siedlungen durchsetzen. Die Bundesregierung hat das durch eine Länderöffnungsklausel tatsächlich möglich gemacht

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Potsdam-Mittelmark - Es ist ein Antrag, der es in sich hat: Der SPD-Unterbezirk Potsdam-Mittelmark will zum Landesparteitag durchsetzen, die Mindestabstandsflächen für Windkraftanlagen im Land deutlich zu erhöhen. Die SPD-geführte Landesregierung und die Landtagsfraktion sollen, wie es in dem Antrag heißt, darauf hinwirken, dass ein Mindestabstand zu Siedlungen von eins zu zehn der Anlagenhöhe eingehalten wird.

Bei den modernen Windkraftanlagen, die eine Höhe von 200 Metern erreichen, wäre das eine Distanz von zwei Kilometern. In der bisherigen Rechtsprechung galten höchstens 1000 Meter als durchsetzbar, um der Bevorzugung von Windkraftprojekten Rechnung zu tragen. Die Privilegien wurden im Baugesetzbuch noch in der Regierungszeit Helmut Kohls festgelegt.

Der neue SPD-Unterbezirkschef Matthias Schubert aus Kleinmachnow sieht nun durch eine Länderöffnungsklausel die Chance, die Mindestabstände in Brandenburg deutlich raufzusetzen. Tatsächlich hat der Bundestag im Frühjahr – vor allem auf Druck der bayerischen Landesregierung – fast unbemerkt ein umstrittenes Gesetz beschlossen, das den Ländern erlaubt, mehrere Kilometer Abstand zwischen Häusern und Windrädern vorzuschreiben. Es ist am 1. August in Kraft getreten. Den Bundesländern wird bis Ende kommenden Jahres Zeit gegeben, die laut Baugesetzbuch geltende Privilegierung von Windkraftanlagen hinsichtlich der Abstände einzuschränken.

Diese Chance sollte im Land Brandenburg ergriffen werden, meint Matthias Schubert. „Brandenburg ist bei dem Ausbau der Windenergie bundesweit Spitze.“ Die geplante Bebauung von zwei Prozent der Landesfläche mit Windkraftanlagen sei bereits zu 1,4 Prozent realisiert worden. Der Bedarf sei unter Berücksichtigung der Kapazitäten in den vorhandenen Kohlekraftwerken mehr als gedeckt, sodass Strom in erheblichem Umfang exportiert werden könne, sagte Schubert. „Dies ist ein Erfolg, auf den wir stolz sein können.“

Die Erfahrungen würden allerdings zeigen, dass Anwohner durch die von Windkraftanlagen ausgehenden Geräusche erheblich belästigt werden. Außerdem würden die Windkraftanlagen der neuen Generation mit Höhen von bis zu 250 Metern die Wohnbevölkerung durch ihren Schattenwurf belästigen. „In den 90er- Jahren waren noch Anlagen bis 100 Meter die Regel. Insoweit passen wir den Schutzabstand nur der zunehmenden Höhe der Anlagen an“, meint Schubert. Dass der Landesparteitag den Antrag am 13. Dezember beschließt, ist dennoch eher unwahrscheinlich. Schubert selbst sagt, dass es „vorsichtig gesagt erheblichen Gegenwind“ aus der Partei für den Vorschlag gebe.

Der kommt auch von der Regionalplanung Havelland-Fläming. Sie setzt im Auftrag der Landkreise Potsdam-Mittelmark, Havelland, Teltow-Fläming und der Städte Potsdam und Brandenburg (Havel) die planerischen Ziele der Region für größere Gebietseinheiten im Regionalplan um. Am 16. Dezember soll die Regionalversammlung einen neuen Regionalplan verabschieden, in dem auch neue Eignungsflächen für 24 Windparks ausgewiesen sind – und zwar mit Abstandsflächen von 1000 Metern zu Siedlungen. Auch Höchstgrößen für die Windparks und Mindestabstände von fünf Kilometern zwischen ihnen sind im Regionalplan festgezurrt.

Torsten Naubert, stellvertretender Leiter der Planungsstelle, warnt vor erheblicher Rechtsunsicherheit, wenn das Land Brandenburg von der Länderöffnungsklausel Gebrauch machen sollte. Er zweifelt auch an den Argumenten der Kreis-SPD. „Eine zehnfache Abstandsregelung müsste sehr gut begründet werden, um vor den Gerichten auch Bestand zu haben“, so Naubert gestern gegenüber den PNN. Er sieht die Gefahr, dass eine solche Regelung von Windparkbetreibern erfolgreich angefochten werden könnte.

Der Regionalplan sei das einzige Instrument, mit dem die Ansiedlung neuer Windparks in der Region gesteuert werden kann. „Nach jetzigem Stand könnten ohne eine solche Steuerung doppelt so viele Windparks bei uns gebaut werden.“ Selbst wenn das Land neue Mindestabstände festlegen sollte, die vor Gerichten bestätigt werden, sollte man den Regionalplan jetzt beschließen, meint Naubert. Die Mindestabstände könne man gegebenenfalls immer noch vergrößern. Er fürchtet aber, dass Investoren die Zeit der Rechtsunsicherheit und juristischen Auseinandersetzungen nutzen könnten, um Maximalforderungen durchzusetzen.

Zweifel an der Öffnungsklausel der Bundesregierung hat auch der Verwaltungsrechtler Ulrich Battis. Die Faktor-zehn-Regelung, wie sie jetzt unter anderem Bayern und Sachsen umsetzen wollen, nannte er „abstrakt“, sie bedürfe einer genaueren Untersuchung. So oder so bleibe es bei der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes, dass der Windenergienutzung „substantieller Raum“ verbleiben muss.

Es würde der Rechtslage widersprechen, wenn die Länder „durch die Hintertür“ die kommunale Klimapolitik vereiteln, so Battis im April bei einer Anhörung des Bundesumweltausschusses. Ein solcher Eingriff in die Planungshoheit der Kommunen sei verfassungswidrig.

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