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Von Henry Klix: Alles aus der Region

Lendelhaus in Werder ist wieder eine gute Adresse – gestern wurde es zum „Denkmal des Monats“ gekürt

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Werder (Havel) - Der Tresor ist ein alter Bekannter. Er sieht aus, als hätte hier schon Lendels alter Friedrich-Wilhelm die Bareinkünfte seiner Saftfabrik eingeschlossen. Auch weit nach seiner Zeit sicherte der Geldschrank im Lendelhaus Vermögen und Geheimakten der Inhaber: An der Seite klebt eine Inventarnummer des VEB Havelland Werder. Seit 14 Monaten steht das holzverkleidete Schmuckstück neben der Bar des „Restaurants Lendelhaus“. Der Schlüssel ist weg.

Das Lendelhaus mit Freigut birgt noch Geheimnisse. Seine Geschichte beginnt, weit bevor es Kurfürst Johann Georg 1573 zum Freigut ernannte, auf dem Bier gebraut wurde. Nach gescheiterten Nachwende-Großprojekten bemüht sich – am anderen Ende der Zeitskala – seit zweieinhalb Jahren die Berliner Argos Real Estate GmbH mit Christoph Höhne um eine sanfte, schrittweise Wiederbelebung der Anlage, die viele Werderaner noch als Saft- und Marmeladenbude kennen. Die Geschichte des denkmalgeschützten Ensembles soll dabei erlebbar bleiben.

Zu den ersten kleinen und großen Erfolge gratulierte gestern Brandenburgs Infrastrukturminister Jörg Vogelsänger (SPD) persönlich: Höhne bekam die Urkunde der AG Historische Stadtkerne „Denkmal des Monats“. Vogelsänger nutzte die Gelegenheit für einen Appell an den Bundestag, die Städtebauförderung nicht, wie von der Regierung geplant, auf jährlich 305 Millionen Euro zu halbieren. „Das wäre eine Katstrophe“, sagte Vogelsänger, der darauf verwies, dass viele der historischen Altstädte in Brandenburg noch auf die Fördermittel angewiesen seien. „Bei der Sanierung sind erst 70 bis 80 Prozent des Weges geschafft.“

Auch beim Lendelhaus mit seiner Fabrikanlage im Hof ist die Bausubstanz noch nicht komplett gerettet: Für die langgestreckte Remise ist laut Christoph Höhne ein Bauantrag gestellt, eine kleine Herberge hat der Phöbener Architekt Kurt Föhr hier entworfen. Abstimmungen laufen, man befinde sich in der „Kreativphase“, so Höhne. Für das Fabrikgebäude gegenüber strebt er auch eine öffentliche Nutzung an. Welche – das lässt er auf sich zukommen. Bei allen Bausteinen vertraut er auf Ideen aus der Region.

Der Fabrikhof ist schon mit Kunst und Theater belebt: Ton & Kirschen proben hier, Bildhauer Philipp von Appen aus Potsdam hat in der Böttcherei ein Atelier. Einer aus seiner „Don Quichote-Serie“ steht im Schützenhaus, von Appen soll auch für Glindows Kreisel etwas schaffen. „Ich habe seit Mai mehr Kontakte geknüpft als im Potsdamer Kunstwerk in zehn Jahren“, sagt er. Wegen einiger Nachfragen soll es Bildhauerkurse geben.

Dass das Lendelhaus wieder eine gute Adresse ist, ist auch Lars Kaiser und Ralf Tomm zu verdanken. Der eine sorgt mit einer Galerie für zeitgenössische Havelkunst für Leben, der andere mit einem „Laden der Region“, in dem Petzower Sanddornprodukte, Werder-Wein oder Brandenburg-Spezialitäten aus Ferch verkauft werden. Die Potsdamer Educon-Privatschule, deren Azubis dem Projekt auf die Sprünge geholfen hatte, ist nach der Standortschließung nicht mehr im Boot. Weiter läuft es dank Tomm trotzdem.

Türen, Fenster, Dachziegel, Stuck, alte Fässer, wuchernder Hopfen und mal etwas bröckelnde Fassade – alles atmet hier Geschichte. Ein kleines Juwel ist aus den Kellergewölben der Fabrikantenvilla geworden. Hier betreibt Steffi Berkholz seit einem Jahr ihr Day-Spa. Sich im Whirlpool bei romantischer Beleuchtung ein Drei-Gänge-Menü servieren lassen, saunieren oder Massagen genießen – auch das ist heute im Lendelhaus möglich. Es sind noch Kapazitäten frei, doch Weihnachten 2009 hat Berkholz fast 100 Wellness-Gutscheine verkauft. „Das Winterhalbjahr läuft erfahrungsgemäß besser.“

Auch das Gästebuch des Restaurants füllt sich mit erfreulichen Einträgen. Gastronomin Christine Steinbach weiß freilich, dass es zwei Jahre dauern kann, bis sich ihre junge, herzhafte Küche herumspricht. Ab November gibt es wieder die beliebten Martinsgänse. Sie freut sich, dass viele Gäste wiederkommen.

Nur der alte Tresor lässt sich nicht mehr öffnen. Steinbach hat keine Ahnung, was sich darin befindet. Bei Fußbodenarbeiten musste er mal von der Stelle bewegt werden – mehrere Männer und dicke Taue waren beteiligt. „Das Ding wiegt 400 Kilo“, schätzt sie. Eine frühere Mitarbeiterin der Saftfabrik habe unlängst bei einem Restaurantbesuch versichert, dass der VEB Havelland keine schwarze Kassen hatte. Doch wer weiß?

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