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Fünf Stunden Schlaf? In der Nacht zum Dienstag wollte es eine Gruppe von Fluglärmgegnern vor der Staatskanzlei austesten.

© A. Klaer

Potsdam-Mittelmark: „Da lasse ich mich lieber auspfeifen“

Demo im Schlafanzug: Platzeck stellt sich vor Staatskanzlei den Fluglärmgegnern und zeigt sich standhaft

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Potsdam-Mittelmark / Potsdam - Sie haben gepfiffen, gebuht und demonstrativ geschlafen – geholfen hat es nichts: Mit der Forderung nach einem absoluten Nachtflugverbot am künftigen Großflughafen BER beißen die Bürgerinitiativen der Region bei der Landesregierung weiter auf Granit. Bei einer Kundgebung gestern vor der brandenburgischen Staatskanzlei stellte sich Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) zwar den rund 700 Fluglärmgegnern. Doch unter Schmährufen verteidigte er den Kurs seiner Regierung. Die befürwortet bislang, nur zwischen 0 und 5 Uhr Flüge zu verbieten. Auch in diesem Zeitfenster sollen Ausnahmen zugelassen werden.

Die Landesregierung sei in der Verantwortung, so Platzeck: Dafür, dass auch in 20 Jahren in Brandenburg noch Löhne gezahlt würden und dafür, dass der Flughafen laufe. „Denn er gehört nicht dem Großkapital, sondern den Steuerbürgern Berlins und Brandenburgs“, sagte der Ministerpräsident. Den Havelseen-Gemeinden versprach er, dass sie „mitnichten in 1300 Metern Höhe überflogen werden“, sondern wesentlich höher.

Außerdem attackierte er die CDU-Landeschefin Saskia Ludwig. Die hatte kürzlich eingeräumt, dass der Flughafen aus heutiger Sicht am falschen Standort errichtet wurde. Bei einer Erweiterung müsse über Alternativen nachgedacht werden. Platzeck konterte, es sei die CDU gewesen, die 1996 den Standort über das Land Berlin und den Bund „durchgedrückt“ habe. „Das ist kein verantwortliches Handeln. Da lasse ich mich lieber auspfeifen“, sagte er.

Gegen die drohenden Nachtflüge wird zurzeit an mehreren Fronten mobil gemacht. Wie berichtet, läuft seit geraumer Zeit ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht. Anwohner hatten gegen die Genehmigung geklagt, nach der auch in den Randzeiten zwischen 22 und 0 sowie zwischen 5 und 6 Uhr geflogen werden darf. Bis ein Urteil ergeht, könne die Landesregierung ihren Ermessensspielraum nutzen und von sich aus eine bessere Regelung treffen, forderte der Sprecher der Initiative „Fluglärmfreie Havelseen“, Peter Kreilinger. Bislang habe sie „nur versucht, die rechtlich maximal zulässige Regelung zugunsten von Air Berlin durchzudrücken“.

Zudem liegen zurzeit in allen Rathäusern der Region Unterschriftenlisten für eine Volksinitiative aus. Damit soll der Landtag gezwungen werden, sich mit diesem Thema „Nachtflugverbot“ zu beschäftigen. Aus der Region Werder (Havel), Schwielowsee, Michendorf und Nuthetal seien bislang rund 2000 Unterschriften zusammengekommen, schätzte Peter Kreilinger. 20 000 werden gebraucht.

Die Forderung nach einem Nachtflugverbot hat die Bürgerinitiativen zusammengeschweißt, auch das wurde gestern deutlich. Neben Bürgern aus dem Potsdamer Umland waren auch „Schlafmützen“ aus Berlin und den Landkreisen Dahme-Spree und Teltow-Fläming zu sehen. Besonders kämpferisch gab sich der Bürgermeister der Gemeinde Blankenfelde-Mahlow, Ortwin Baier (SPD). „Von Müggelsee bis Schwielowsee, von Zossen bis Lichtenrade – wir stehen zusammen“, rief er ins Mikrofon. Er bekräftigte die Befürchtung, dass in den Randzeiten Nacht für Nacht 113 Flugzeuge über Brandenburg brausen könnten und warnte vor den gesundheitlichen Folgen.

Brandenburgs Ministerpräsident bekam am Ende noch einen „Denkzettel“ auf den Weg: Mit Schwung entrollte sich gegenüber seinem Dienstsitz ein großes Banner, auf dem er als Sandmann dargestellt war. In einer Sprechblase ließ man ihn sagen: „Ich streue euch Sand in die Augen“. Und es wurde tatsächlich geschlafen: Nach der Veranstaltung rollten sich einige Ausdauernde neben der Straße in Decken, um bis Dienstagmorgen um fünf Uhr auszuharren. Sie wollten zeigen, dass fünf Stunden Schlaf zu wenig sind.

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