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Von Heidi Jäger: Die Liebe zur Langsamkeit

Drei Künstler stellen ab heute ihren Magischen Realismus aus Österreich in der Galerie Töplitz aus

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Werder (Havel) - Sie wollen den Augenblick einfrieren und malen im stillen Protest gegen die Rasanz der Zeit. Ihre Einladung, innezuhalten, ist zugleich eine Einladung in die Welt der Magie. Gern spaziert der Betrachter in den lichtdurchfluteten Landschaften von Hanno Karlhuber, erfreut sich an den schön-gefährlichen Fliegenpilzen von Susanne Steinbacher oder versucht, die verhüllten Gestalten von Benedetto Fellin zwischen christlichem Abendland und fernöstlichem Buddhismus zu enthüllen.

Drei namhafte Vertreter des „Magischen Realismus aus Österreich“ sind auf die Blüteninsel gekommen, um heute das Ausstellungsjahr in der Galerie Töplitz vielstimmig einzuläuten. Schon früh haben die Freunde ihren Weg gefunden, den sie trotz Stock und Stein zielstrebig verfolgen. Den nötigen Rückenwind erhielten sie von Professor Rudolf Hauser, bei dem sie an der Akademie für Bildende Kunst in Wien studierten und der als einer der Hauptvertreter der Wiener Schule des Phantastischen Realismus gilt. „Diese Kunstrichtung entstand nach dem Zweiten Weltkrieg in Folge des Informationsdefizites der jungen Maler. Viele entdeckten plötzlich den Surrealismus für sich und führten ihn mit der technischen Perfektion der Alten Meister und des in Wien beheimateten Phantastisch-Barocken zusammen“, so Hanno Karlhuber. Doch Jahrzehnte später geriet diese auch international an Bedeutung gewonnene präzise Malweise in Misskredit. „Der Markt wurde förmlich überschwemmt und plötzlich gab es keine Galerie mehr, die diese Kunst noch fördern wollte“, so der 1946 in Dresden geborene Karlhuber.

Er selbst begann die Flucht nach vorn, gründete seine eigene Galerie, denn er wollte sich nicht von seinem Weg abbringen lassen. Den Fußstapfen des Malprofessors war er früh entwachsen, so wie auch seine beiden Freunde. „Ich habe die Poesie der Banalität für mich entdeckt“, so Karlhuber, der auch zwei Jahre in Japan Malerei studierte, doch nichts davon für sich übernehmen konnte. Dafür lernte er seine Frau dort kennen und ihr gemeinsames Töchterchen verewigte er mit zwei großen Luftballons in seinem Bild „Erlebnis“ spielend auf der Wiese. Solche Alltagssituationen taucht der Künstler immer wieder in ein geheimnisvolles Licht, das an Caspar David Friedrich erinnert. Plötzlich erscheint am Horizont eine Telefonzelle, durchkreuzen Kondensstreifen von Flugzeugen wie ein magisches Rätsel den Himmel. Jedes Detail ist real und wirkt doch im Zusammenspiel seltsam entrückt.

Assoziationen zu Malern der Leipziger Schule, wie zu Werner Tübke oder Wolfgang Mattheuer, entstehen nicht nur bei den Bildern von Hanno Karlhuber, sondern auch bei denen von Benedetto Fellin. „In der DDR wurde das Figurale sehr gefördert, gab es auch den phantastischen Realismus, wenn auch nicht Wiener Prägung“, so der 1956 geborene Fellin. Wie er betont, vermissen es heutige Akademiestudenten oft, die feinen Techniken zu erlernen. Die mit ihr verbundene Genauigkeit braucht indes einen langen Atem. Unter ein, zwei Monaten ist ein Bild im Sinne des Magischen Realismus nicht zu haben. Wie Karlhubers „Flugbild“, in dem er detailversessen ein Wolkengebirge mit unendlich vielen Spitzen neu erschuf. „Man spricht scherzhaft auch vom masochistischen Realismus“, sagt Fellin, der in Südtirol geboren wurde und dessen Vater ein berühmter Maler der Avantgarde war. „Das komplette Gegenteil von meiner Malerei.“ Der Sohn fühlte sich den gotischen Heiligenbildnissen eines Cranach oder Dürer näher. Den Wunsch der Großeltern, Pfarrer zu werden, schlug er indes aus. Doch den Göttern versagte er seine Liebe nicht. Nun wandelt er zwischen den Religionen, malt den Dalai Lama in den Heiligen Berg hinein, fördert die untergegangene Mayakultur zutage, malt gegen die Prüderie des Katholizismus. Und immer wieder gibt es auf seinen Bildern ein Telefon, eine „Good Connection“, wie er eine seiner collagenhaften Malerei nennt, auf der eine verhüllte Figur zum Hörer greift und ein Engel am anderen Ende der Leitung ist. Man sollte den Draht zu den Göttern nicht verlieren, so die Botschaft.

Beim genauen Hinsehen erzählen auch die Stillleben von Susanne Steinbacher kleine Geschichten, vor allem über das labile Gleichgewicht. Wie ihr Schmetterling, den sie aus zig Geldscheinen bastelte und dann abmalte: als Symbol der Metamorphose und für das Flatterhafte der Finanzen. „Meine Kunst kommt aus dem Naturstudium und aus der Magie der Dinge, die mitunter eine allegorische Bedeutung auch zu meiner Biografie bekommen.“ Wie in der „Musikalischen Korrespondenz“. Auf diesem Stillleben sind eine afrikanische Stegharfe, die Kora, mit einer Geige, die sie selbst spielt, vereint. „Ich habe einen Sohn von einem Afrikaner und dieses ,Zusammenspiel’ der Instrumente kam ganz aus meinem Bauch heraus.“

Gern zeigen die Künstler jetzt ihre Arbeiten in Töplitz. „In einer ländlicher Region gibt es oft nicht so viele Vorurteile wie in einer städtischen Galerie“, so Karlhuber. Außerdem lieben sie alle das Landleben. Und das können sie nun – gefördert von der Kulturstiftung des Bundes und dem Österreichischen Kulturforum – für zwei Wochen in Töplitz genießen, wenn sie nicht gerade auf Kulturpfad nach Berlin sind. Aber inmitten eines Blütenmeers lässt sich garantiert besser gegen die Rasanz der Zeit „rebellieren“.

Vernissage heute um 17 Uhr in der Galerie Töplitz. Zuvor musizieren um 16 Uhr in der Dorfkirche nebenan Stipendiaten der Paul-Hindemith-Gesellschaft Berlin.

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