Potsdam-Mittelmark: Ein Ort der Lebenden
Friedhöfe und ihre Bepflanzung 51. Dendrologische Wintertagung
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Friedhöfe und ihre Bepflanzung 51. Dendrologische Wintertagung Von Erhart Hohenstein Im Jahr der Gärten und der Landschaft, das von Kulturland Brandenburg ausgerufen wurde, sollten die Friedhöfe nicht vergessen werden. Anlagen wie der Stahnsdorfer Südwestkirchhof, mit 206 Hektar einer der größten in Deutschland überhaupt, oder der Neue Friedhof in Potsdam stellen in ihrer parkähnlichen Gestaltung und Bepflanzung nicht schlechthin Bestattungsplätze, sondern vor allem Orte für die Lebenden dar. Sie können sich hier ihrer Verstorbenen erinnern und in der grünen Umgebung fern vom Alltagsstress zu sich selbst finden. Davon ging die bereits 51. Dendrologische Wintertagung des Brandenburgischen Kulturbundes im Potsdamer Alten Rathaus aus. Das von Jörg Wacker, dem stellvertretenden Gartendirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, geleitete Landesaktiv Dendrologie hatte dafür „Friedhöfe und Gehölze“ zum Schwerpunktthema gewählt. Schon im Ägypten der Pharaos waren, wie Marina Heilmeyer vom Berliner Botanischen Museum darlegte, Begräbnisplätze mit Bäumen bepflanzt, deren Schatten die Verstorbenen vor der Sonne schützen, deren Früchte sie nähren und deren Kronen ihren Seelen Zuflucht bieten sollten. Im alten Griechenland gab es kein Grab ohne Bepflanzung, mit der symbolisch die Erdgöttin Gäa ihre dahingeschiedenen Kinder wieder in ihr Reich aufnahm. Auf den römischen Friedhöfen wuchsen Zypressen als Ausdruck der Trauer. Davon waren die Begräbnisstätten des Mittelalters weit entfernt. Simone Meinel, Mitarbeiterin der Sächsischen Landeskirche, entwarf ein gruseliges Bild. Nachdem Kaiser Karl der Große im 8. Jahrhundert das Verbrennen der Leichen verboten hatte, wurden die Toten in der und, da der Platz schnell knapp wurde, an der Kirche zur Ruhe gebettet. Diese Kirchhöfe dienten gleichzeitig als Viehweide, für Märkte und öffentliche Veranstaltungen, ja sogar für Tanzfeste – trotz der unangenehmen Ausdünstungen aus dem Untergrund. Außer der Dornenhecke, die an Christi Märtyrertod erinnerte, die Toten bannen und Tiere abhalten sollte, gab es keine Bepflanzung, auch nicht der Grabstätten. Nach nur wenigen Jahren mussten, vor allem wenn die Pest oder eine andere Seuche grassierte, die Leichen wieder ausgegraben werden, um Platz für neue Verstorbene zu schaffen. Die Knochen wurden durch Auskochen von Fleischresten befreit und in Beinhäusern aufbewahrt. Solch einen Kirchhof gab es auch in Potsdam an der Katharinenkirche (später Nikolaikirche), wie der Leiter der 15 Potsdamer Friedhöfe, Gunther Butzmann, darstellte. Schon Martin Luther forderte1527 eine Bestattung an einem „feinen stillen Ort“ vor den Toren der Stadt, „darauf man mit Andacht gehen und stehen könnte“. So erhielt auch Potsdam im 17. Jahrhundert vor dem Berliner Tor einen Pest- und dann um 1680 auch Stadtfriedhof, nach dessen voller Belegung 1753 einen zweiten vor dem Nauener Tor. Obwohl teils durch Grabdenkmale geschmückt, entsprachen sie Luthers Forderungen bei weitem nicht und schon gar nicht den Vorbildern aus der Antike. Nicht von ungefähr wurden sie Gottesacker genannt. Auch die Ausdünstungen blieben, so dass König Friedrich Wilhelm II. den Friedhof vor dem Nauener Tor in der Nähe des von ihm bevorzugten Neuen Gartens 1796 kurzerhand schließen ließ – das war auch die Geburtsstunde des Alten Friedhofs an der Heinrich-Mann-Allee. Nach der Umwidmung des dortigen v. Beyerschen Gutes vergingen laut Butzmann ganze acht Tage (!) bis zur ersten Bestattung. 1863-66 kam dann jenseits der Straße auf 8 Hektar Forstfläche der Neue Friedhof hinzu. Beide sind als Parke gestaltet, reich mit Bäumen und Gehölzen und harmonierenden Bauten besetzt. Damit hatte sich auch in Potsdam eine Entwicklung vollzogen, die mit der Friedhofsreform um 1800 eingeleitet wurde. Darüber sprach auf der Wintertagung die Kunsthistorikerin Dr. Annette Dorgerloh, Humboldt-Universität Berlin. Erst zu dieser Zeit gelang es endgültig, die religiös begründete Nähe der Begräbnisstätten zur Kirche zu überwinden und sie im Stil von Landschaftsparks zu gestalten. Welch hohen Pflegeaufwand solche Friedhöfe erfordern, verdeutlichte Olaf Ihlefeldt, der den ab 1906 angelegten Stahnsdorfer Südwestkirchhof verwaltet.
Erhart Hohenstein
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