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Bundespolitik? Cornelia Behm will künftig vor allem in ihrem Garten für Ordnung sorgen – dem schönsten Ort Kleinmachnows, wie sie sagt. Nach drei Legislaturperioden wird ihr Name am Sonntag nicht mehr auf dem Wahlzettel erscheinen.

© Tobias Reichelt

Potsdam-Mittelmark: Ein Quälgeist packt seine Sachen

Nach elf Jahren im Bundestag wird die Grünen-Politikerin Cornelia Behm aus Kleinmachnow nicht mehr zur Wahl antreten

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Kleinmachnow - Es wird eng im Arbeitszimmer. Akten türmen sich auf dem Teppich, Papierberge auf dem Tisch, der Couch, der Schrankwand. Es sind die bedruckten Überreste von elf Jahren politischer Arbeit im Bundestag, die sich hier unter dem Dach des gelb angestrichenen Kleinmachnower Wohnhauses in den vergangenen Tagen angesammelt haben. Wenn am Sonntag in Deutschland gewählt wird, wird die Grünen-Politikerin Cornelia Behm die letzten Papiere aus ihrem Parlamentsbüro in Berlin geholt und nach Hause in ihr kleines Arbeitszimmer geholt haben.

Cornelia Behms Name wird nicht mehr auf dem Wahlzettel stehen. Die 61-Jährige gehört zu den mehr als 100 Bundestagsabgeordneten, die sich nach der Wahlperiode verabschieden, darunter Franz Müntefering oder Wolfgang Thierse. Nach drei Legislaturperioden will Cornelia Behm aufhören. Die Region verliert damit eine ihrer bekanntesten und lautesten Stimmen grüner Umweltpolitik.

Lange Jahre war Behm die einzige Grüne Mandatsträgerin aus Brandenburg auf Bundesebene, eine Vorreiterin. Die zierliche Frau mit den dunklen Haaren und der runden Brille hat sich davon nie beeindrucken lassen. Einer Statistik der „Zeit“ nach zählte sie zuletzt zu den aktivsten brandenburgischen Mandatsträgern, gleich nach SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Forst-, Jagd- und Fischereipolitik, Verkehr und ländliche Entwicklung waren ihre Themen. In acht Jahren Oppositionsarbeit quälte sie die Bundesregierung mit immer neuen Anfragen – und nicht nur die.

Auch Baulobbyisten und Binnenschiffer hat Behm mit ihrem vehementen Einsatz gegen den Ausbau der Kleinmachnower Schleuse verprellt. Zuletzt wurde sie von den Ausbaubefürwortern nicht mal mehr zur öffentlichen Auseinandersetzung eingeladen. Zu riskant schien die Debatte mit der Nörglerin, die sich auskennt, die immer wieder nackte Zahlen zu Sinn und Unsinn des millionenteuren Ausbaus vortrug. Sie und viele andere Mitstreiter vor Ort setzten sich durch. Der Bund sagte den Ausbau ab.

Vielleicht lag es auch an ihrem „ewigen Gemäkel“, sagt Behm. Wer genau hinsieht, bemerkt ein Lächeln, das ihr bei dem Gedanken über die Lippen huscht. Warum aufhören damit? „Ich finde, man muss loslassen können“, sagt Behm beim Rundgang durch den schönsten Ort Kleinmachnows, ihrem Garten. Lange vor Ablauf der Legislatur habe sie sich entschieden, sagt sie ruhig. Sie will Platz machen für Jüngere. Sie will Zeit für die Familie, den 93-jährigen Vater, die vier Enkelkinder, ihren Mann und die Rabatten, die immer mehr verwildern. Ihr Mann mag das, sie nicht.

Geplant habe sie ihr Leben als Bundestagspolitikerin nie, die Tage, die um halb acht mit der Fahrt zur Arbeit nach Berlin beginnen und erst Mitternacht enden. Dass es so kommt, konnte doch keiner ahnen, als 1989 die Mauer fiel, sagt Behm. Mit ihrem späteren Mann Axel Mueller engagierte sie sich in den Wendejahren für das Bündnis „Demokratie jetzt“ in Kleinmachnow. Sie trat zu den ersten freien Kommunalwahlen an und zog für „Bündnis 90“ ins Gemeindeparlament ein. Behm blieb zwölf Jahre, sie studierte Landwirtschaft nach der Arbeit, forschte in Laboren und war für das Brandenburgische Umweltministerium tätig.

Politikerin blieb Behm im Nebenberuf, bis sie im Jahr 2001 eine Bürgermeisterkandidatur in ihrem Heimatort wagte. In ihrem Kleinmachnow, in dem sie von Kindheit an lebte, in dem ihr Vater Hans Gräwert einst eine Gärtnerei betrieb.

Das Dorf, aus dem sie nie herauskam, sagt Behm. Bürgermeisterin wurde sie nie. Wolfgang Blasig, heute Landrat in Mittelmark, gewann die Wahl. Damit war die grüne Lokalpolitikerin plötzlich umso bekannter und drei Monate später ging sie aus dem Streit ihrer Partei um den einzigen Bundestagsplatz in Brandenburg als Siegerin hervor. „Gut, dass du sitzt “, begann sie damals ihrem Mann von der Neuigkeit zu erzählen, die schlussendlich jede Menge Unordnung in ihrem Garten und ihrem Arbeitszimmer schaffen sollte.

„Die Lust an der Politik hat nicht nachgelassen“, sagt Behm. Mit der SPD und Gerhard Schröder als Kanzler begann sie für die Grünen im Bund Politik zu gestalten. Es sei Stress gewesen. „Man musste immer alle überzeugen.“ Die Mehrheit war dünn, bis sie nach drei Jahren zerbrach. Schröder ging, Angela Merkel kam und Behm war in der Opposition.

Leiser wurde sie nicht. Die Kleinmachnowerin stellte Anträge und Anfragen. Nicht nur für die Schleuse hat sie gekämpft. Nein, auch für ein Bleiverbot für Jäger. Erfolgreich hat Behm an einem Verbot für Robbenprodukte mitgewirkt. Schnelles Internet auf dem Lande, das war ein weiteres ihrer Themen. „Ich bin stolz, dass es ins Bewusstsein gerückt ist, dass die ländliche Entwicklung mehr Geld benötigt“, sagt Behm.

Jetzt beginne ein Leben nach der Abgeordnetentätigkeit. Mit ihrem Mann will sie nach Kroatien reisen. „Das habe ich mir gewünscht.“ Ein politisches Mandat will sie nicht mehr anstreben, auch wenn sie oft gefragt werde. „Wir werden uns aber in das örtliche Leben einmischen.“ Sie habe keine Angst, dass ihr langweilig wird. Im Garten gebe es noch so viel zu tun. „Aber erst“, sagt Behm, „werde ich die vielen Papierstapel in unserem Arbeitszimmer beseitigen.“

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