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Bäume sollen weichen: die Wirtschaftsförderung Brandenburg prüft ein 300 Hektar großes Areal als neuen Gewerbestandort

© Lutz Hannemann / Lutz Hannemann 14482 POTSDAM

„Ein zweites Tesla im Wald“: Geplanter Industriestandort am Autobahndreieck Potsdam in der Kritik

Es ist eines von wenigen freien Gebieten im Speckgürtel Berlins und damit bei Unternehmen heiß begehrt. Doch das geprüfte Areal ist nicht umunstritten.

300 Hektar umgeben von zwei Autobahnen, einer Bundesstraße sowie einem Güterbahnhof mit Verbindungen nach Nord und Süd: Das von der Wirtschaftsförderung Brandenburg (WFBB) im Auftrag des Landeswirtschaftsministeriums geprüfte Gebiet zwischen Autobahndreieck Potsdam und Güterbahnhof Seddin für einen neuen Industriestandort liegt verkehrstechnisch günstig. Doch das Areal durchzieht eine große Waldfläche mit Landschaftsschutzgebiet. An der Fläche beteiligte Brandenburger Kommunen sehen das Vorhaben kritisch.

Die Ausgliederung aus dem Landschaftsschutzgebiet, dem Potsdamer Wald- und Havelseengebiet, sowie die Wasserknappheit in der Region - der Seddiner See, nicht weit entfernt von dem geprüften Areal, hatte im Sommer so niedrige Pegelstände wie lange nicht aufgewiesen - bereiten nicht nur Umweltschützern Sorge.

Wo kommt das Wasser her?

Carina Simmes, Bürgermeisterin Seddiner See

„Es wird kein Wasser aus dem Wasserwerk Neuseddin geben“, sagte die Bürgermeisterin der Gemeinde Seddiner See, Carina Simmes (BVB/Freie Wähler) „Wo kommt das Wasser her für die dort ansiedelnden Betriebe?“ Aus der Gemeinde gebe es viele kritische Stimmen.

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Autozulieferer oder Kunststoffproduzenten

Die Wirtschaftsförderung hatte im November bekannt gegeben, dass das 300 Hektar große Areal zwischen dem Güterbahnhof und den Autobahnen A10 und A9 als „Hochtechnologiestandort“ geprüft werde. Laut WFBB sollen an den Standort nachhaltig produzierende Unternehmen, keine, die viel Verkehr erzeugten oder viel Wasser verbrauchten, hieß es. Solche seien von vorneherein ausgeschlossen. Das könnten Autozulieferer sein genauso wie Kunststoffproduzenten, sagte WFBB-Sprecher Alexander Gallrein. Die WFBB spricht von rund 4000 Arbeitsplätzen, die an dem Standort entstehen könnten und Einzugsbereichen bis nach Sachsen-Anhalt.

Wasserleitungen aus dem Süden Brandenburgs?

Das Grundwasser des Seddiner Sees wolle man nicht anzapfen, hieß es bei der Vorstellung des Projektes in der Kreistagssitzung Potsdam-Mittelmark. Überlegt werde, ob man von Südwesten, wo die Grundwassersituation noch eine bessere sei, Wasser in das trockene Gebiet legen könne. „Gereinigtes Abwasser hat auch einen positiven Einfluss auf den Seddiner See“, sagte Peter Effenberger von der WFBB in der Sitzung in Bad Belzig.  Auf der Fläche müsste gerodet werden. Ausgleich soll durch 320 Hektar Neuaufforstung geschaffen werden.

Wir haben hier eine Toplage, was die Schiene betrifft.

Stephan Kathke, Gutachter

Laut WFBB ist es das noch einzige freie Gebiet in der Größenordnung so nahe an der Grenze zu Berlin. Durch die vorhandene Infrastruktur weise es eine „hervorrangende Lage“ aus. „Wir haben hier eine Toplage, was die Schiene betrifft“, so Gutachter Stephan Kathke, bei der Vorstellung des Projektes im Kreistag.

Nachfrage um 60 Prozent gestiegen

Laut WFBB ist die Nachfrage nach Flächen in der Metropolregion von 2008 bis 2017 um 30 Prozent gestiegen. Von 2019 bis 2020 habe sich diese Nachfrage nochmals um 30 Prozent erhöht. Man habe 30 Anfragen von großen industriellen Unternehmen mit einem Investitionsvolumina von über 100 Millionen Euro. Im Umkreis von Berlin gebe es keine freie Fläche mehr in einer Größe über 150 Hektar. Das mache den Standort sehr begehrt, so Kathke. Laut WFBB werde kein anderer Standort in Brandenburg aktuell für Neuansiedlungen so umfassend geprüft wie der in der Mittelmark.

60
Prozent ist die Nachfrage nach freien Flächen in der Metropolregion seit 2008 gestiegen.

Doch so rar unverbaute Flächen auch sind, auch aus der Spargelstadt Beelitz gibt es kritische Stimmen gegen das Vorhaben. Zwar ist die Stadt nicht direkt beteiligt. Durch den dortigen Stadtwald soll aber eine Straße zur Auffahrt Beelitz-Heilstätten verlaufen.

„Zweites Tesla“

„Ein solches Mega-Projekt mitten in den Wald zu setzen, ist hier in dieser von Trockenheit geplagten Region völlig unverantwortlich. Wir brauchen den Wald, für unser Klima und den Schutz des Grundwassers“, so Thomas von Gyzicki, bündnisgrüner Abgeordneter im Landtag für die Region Potsdam-Mittelmark. Einer Umwandlung dieser Fläche in ein Industriegebiet sollte nicht zugestimmt werden, so Gyzicki.

Die Kunersdorfer Straße führt mitten durch den Wald, in dem ein Gewerbegebiet entstehen könnte.
Die Kunersdorfer Straße führt mitten durch den Wald, in dem ein Gewerbegebiet entstehen könnte.

© Andreas Klaer,PNN,Tsp / Andreas Klaer

Winfried Ludwig von der Initiative Waldkleeblatt kritisierte: „ein zweites Tesla mitten im Wald und in der Nähe eines austrocknenden Seddiner Sees?“. Wie die Märkische Allgemeine berichtete, waren die Vertreter der Fraktionen in der Stadtverordnetenversammlung gegen das Vorhaben.

Bürgermeisterin der flächenmäßig ebenfalls beteiligten Gemeinde Schwielowsee, Kerstin Hoppe (CDU) sagte, es fehlten vertiefende Gutachten für eine abschließende Entscheidung. Mit Blick auf den Wald und das Trinkwasser sehe sie das Vorhaben ebenfalls kritisch. „Über unsere Köpfe hinweg geht es jedenfalls nicht“, so Hoppe.

Endgutachten bis Ende Januar

Die Wirtschaftsförderung will nun erst einmal ein Endgutachten bis Ende Januar erstellen. Dann sollen sich die Kommunen und der Kreis entscheiden, ob weitere vertiefende Gutachten zur Wasserproblematik und der Ausgliederung des Landschaftsschutzgebietes vorgenommen werden sollen. „Wir wollen ein für alle transparentes Verfahren“, sagte WFBB-Sprecher Gallrein.

Carina Simmes, Bürgermeisterin der Gemeinde Seddiner See, sagte, man wolle sich weiteren Gutachten nicht in den Weg stellen. Die Gemeinde ist mit 230 Hektar Fläche am meisten betroffen. „Erst, wenn wir weitere Informationen haben, können wir die Risiken und die Chancen gegeneinander abwägen.“

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