Potsdam-Mittelmark: Eine Diplomatentasche in Moskau
Eine Forschungsstätte zum früheren deutschen Außenminister Walther Rathenau entsteht in Bad Freienwalde / Streit um die Originale
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Eine Forschungsstätte zum früheren deutschen Außenminister Walther Rathenau entsteht in Bad Freienwalde / Streit um die Originale Von Jörg Schreiber Wieder schmuck und rundum saniert ist das um 1800 errichtete Gärtnerhäuschen im Schlosspark von Bad Freienwalde am Oderbruch. Noch in diesem Sommer wird dort das Rathenau-Archiv einziehen, sagt Reinhard Schmook, Geschäftsführer der Walther-Rathenau-Stift-Gesellschaft. Diese war 1991 in Erinnerung an den früheren deutschen Außenminister gegründet worden, der das Freienwalder Schloss 1909 gekauft und restauriert hatte. Nach und nach sollen die bereits 1992 angefertigten Kopien des rund 70 000 Blatt zählenden Nachlasses von Berlin und Freiburg in das Gärtnerhäuschen gebracht werden, sagt Schmook. Die 1945 nach Moskau verschleppten Originale befänden sich dagegen bis heute in Russland. Jüngste Meldungen, wonach die Erben Rathenaus auf die Rückgabe verzichtet hätten, bezeichnete Schmook als „Ente“. Die Familie werde alles tun, um den Fundus zurückzubekommen. Das habe ihm der in der Schweiz lebende Bernd Mossner, Sohn einer Nichte von Rathenau, am Telefon versichert. Es handle sich nachgewiesenermaßen um Familien- und nicht um Staatseigentum und falle damit nicht unter die Beutekunstgesetze. „Russland steht in der selbstgefassten Verpflichtung, Privateigentum zurückzugeben“, sagt Schmook. Der damalige Präsident Boris Jelzin habe 1997 die ersten elf Mappen aus dem Rathenauschen Privatarchiv zurückgebracht. „Da waren wir froher Hoffnung“, sagt Schmook. Nach den jetzigen Meldungen müsse man aber fürchten, dass es sich wieder längere Zeit hinziehen werde. Es gehe ja nicht nur um Manuskripte, sondern auch um Gegenstände wie Rathenaus Diplomatentasche. Die Pläne zur Einrichtung des Rathenau-Archivs in Bad Freienwalde seien von diesen Entwicklungen allerdings völlig unberührt, versichert Schmook. Die Originale – wenn sie zurückgegeben werden – kämen mit großer Wahrscheinlichkeit ohnehin ins Bundesarchiv. In die Stadt am Oderbruch sollen allein die 70 000 Blatt Kopien gebracht werden. Der Teil aus Berlin – der bei der Rathenau-Gesellschaft sowie verschiedenen Forschern liege – komme schon bald nach Freienwalde. Später solle auch der Freiburger Teil folgen, auf dessen Grundlage derzeit eine Rathenau-Edition erarbeitet werde. „Wir wollen den Kopiensatz bei uns vereinigen“, gibt Schmook das Ziel vor. Extra dafür wurde das Gärtnerhäuschen für mehrere hunderttausend Euro von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, dem Potsdamer Kulturministerium und dem Landkreis Märkisch-Oderland saniert und zum Archivgebäude ausgebaut. In den nächsten Monaten sollen dort noch Regale, Schränke und Tische für Leseplätze aufgestellt worden. Das Archiv soll im nächsten Jahr zur zentralen Forschungsstätte für Leben und Wirken Walther Rathenaus ausgebaut werden. Es werde offen sein für jeden, der sich für den Politiker interessiert. Es wäre eine ideale Ergänzung zur Rathenau-Gedenkstätte, die 1991 im Schloss eingerichtet worden war. „Es gibt ein wachsendes Interesse nicht nur an Rathenau, sondern an der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, die sich mit seinem Wirken eng verbindet“, sagt Schmook. Anfragen kämen bis aus Japan. Die 2001 begonnene Restaurierung des 200 Jahre alten Schlosses werde noch länger dauern. In den Zwischendecken sei Schwamm gefunden worden, was die Arbeiten verzögere. Wann die Rekonstruktion abgeschlossen werde, hänge vom Baufortschritt ab. Damit ist die Rathenau-Gedenkstätte in der ersten Etage weiterhin nicht zugänglich. Besucher können sich im Teehäuschen noch bis 25. April die Ausstellung „Rathenau - Preußischer Jude, deutscher Europäer“ anschauen. Die Schau ist täglich außer montags von 9.00 bis 17.00 Uhr (am Wochenende ab 11.00 Uhr) zu sehen.
Jörg Schreiber
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