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Potsdam-Mittelmark: Heimgeholt in den sozialdemokratischen Schoß

Wolfgang Thierse würdigte Rudolf Breitscheid an seinem 60. Todestag in Stahnsdorf

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Wolfgang Thierse würdigte Rudolf Breitscheid an seinem 60. Todestag in Stahnsdorf Stahnsdorf - Der Stahnsdorfer Südwestkirchhof hatte früher einen eigenen Anschluss an die Berliner S-Bahn. Die deutsche Teilung war das Ende dieser Verkehrsanbindung. Als Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) gestern auf dem Südwestkirchhof ankam, bekam er vom Genossen Jens Klocksin gleich die Wünsche der Region zu hören, diese Wunde der Teilung irgendwann wieder zu heilen. Thierse war in gewisser Weise selber gekommen, um eine deutsch-deutsche Geschichte ins rechte sozialdemokratischeLicht zu rücken: das Leben von Rudolf Breitscheid – und die politische Erinnerung an ihn. Gestern waren es genau 60 Jahre her, dass der Sozialdemokrat Rudolf Breitscheid bei einem Luftangriff auf das Vernichtungslager Buchenwald ums Leben kam. Zur Ehrung scharten sich rund 25 Besucher, überwiegend Sozialdemokraten, um sein Grab auf dem Südwestkirchhof. Sie hörten Wolfgang Thierses Klage, dass Breitscheid heute kaum noch jemand kenne. „Das lag auch daran, dass die DDR ihn als Kommunisten vereinnahmte.“ Als einzige Erklärung dafür sah Thierse die zeitweise Beteiligung Breitscheids am Volksfront-Ausschuss 1935, der von der KPD gelenkt wurde. Breitscheid war damals bereits im Exil, geflohen vor den Nationalsozialisten. Der Weg in die SPD sei dem 1874 in gutbürgerliche Verhältnisse geborenen Breitscheid nicht in die Wiege gelegt worden. Seine politische Karriere begann bei der liberalen „Freisinnigen Vereinigung“. Erst nach einer enttäuschenden Wahl 1912 wechselte er die Partei und geriet mit ihr in unruhige Fahrwasser. Der Konflikt über die Unterstützung des Kriegskurses führte zur Abspaltung der USPD, den auch Breitscheid mitvollzog. Er setzte diesen Kurs fort, indem er sich später für die Aussöhnung mit Frankreich stark machte. Die Annäherung an die Kommunisten lehnte er wie viele andere ab. Die USPD ging aber wenige Jahre darauf wieder in der Mutterpartei auf. Ein Lehrbeispiel für gegenwärtige Entwicklungen? „Das zeigt nur, dass die Versuche der Abspaltung von der SPD noch nie zum Erfolg geführt haben“, gab Thierse auf Nachfrage zu Protokoll. Der Bundestagspräsident lobte Breitscheid als einen, der Sozialismus und Demokratie zusammengedacht habe. Nach der Revolution übernahm er kurz das Amt des preußischen Innenministers. Seine eigentliche Berufung war aber die internationale Politik. Viele hätten in ihm Anfang der 30er Jahre den künftigen Außenminister gesehen, so Thierse. Doch es kam anders. Nach Hitlers Aufstieg zum Reichskanzler floh Breitscheid ins Exil. 1941 wurde er vom Vichy-Regime an die Gestapo ausgeliefert. Über Sachsenhausen kam er schließlich nach Buchenwald. „Nach offiziellen Angaben“ – so formuliert das Deutsche Historische Museum – starb Breitscheid dann bei einem alliierten Luftangriff. „Schade“ fand Thierse, dass bis heute keine Biografie von ihm geschrieben worden ist. In Ostdeutschland tragen heute noch viele Straßen den Namen von Breitscheid. Auch die PDS lässt es sich nicht nehmen, zum Todestag des Politikers sein Andenken zu wahren. In den vergangenen Jahren hatten sich schon Mitglieder beider Parteien unverhofft am Grab getroffen, zwischenzeitlich waren die Sozialdemokraten einen Tag ausgewichen. In diesem Jahr wollte man sich den Termin aber nicht diktieren lassen. Am Ende fand sich zwischen den Sozialdemokraten nur ein einziger Nicht-Genosse. Der wollte es sich nicht nehmen lassen, den Bundestagspräsidenten persönlich zu begrüßen: CDU-Bürgermeister Gerhard Enser. Volker Eckert

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