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KulTOUR: Kunstinsel Werder: Ich wollt, ich wär’ ein Huhn ...

Mehr als 50 Künstler und Designer präsentierten sich auf der „Kunstinsel Werder“.

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Werder (Havel) - Alles ist Kultur – Kultur ist alles, wenn man darunter die Denk- und Lebensweise eines Volkes versteht. Noch gibt es das ja. Da macht auch die siebente Auflage der „Kunstinsel Werder“ auf dem historischen Markt keine Ausnahme. Von einer Berliner Agentur gesteuert, von der Stadt nicht ungern gesehen, findet das Spektakel im Dunstkreis von Kunst, Design und Kunsthandwerk stets Ende August statt. Ein gewisser Missionsgeist ist immer dabei: Werder möge mehr als nur „Baumblüte“ sein, oder werden! Da ist man wohl – Stichwort Stadtgalerie, Theaterchen, Kino – ein bisschen hinten dran.

Aber so sind sie eben, sei ihnen deshalb wenigstens Werders Frischluft gegönnt. So oder anders, die Maler, Schmuck- und Lederzeug-Produzenten, die Textil-Kreativen, Keramiker und Puppenbauer, Töpfer, Erfinder origineller Accessoires, die Damen und Herren vom Fach kommen ja nicht alle von der Metropole, auch aus Dresden, Caputh oder von noch weiter, wie das Bildhauer-Ehepaar vom „Sperenberger Bahnhof“, nämlich aus den Niederlanden.

Mehr als Fünfzig aus der kunsthandwerklichen und der künstlerischen Zunft waren am Wochenende hier in schneeweiß-spitzigen Zelten untergebracht, Gasse um Gasse, Reihe um Reihe. Erster Eindruck, als man Samstagmittag ins Städtchen hereinkam: Autos aus ganz Deutschland ohne Ende, Menschen über Menschen, als ob die Potsdamer Schlössernacht hierher verlegt worden wäre. Dann ein kleiner Rundgang durch die Berliner Offerte. Man spürte sofort, dass hier größter Wert auf Seriosität gelegt wird, kein Rummelniveau, kein Ramsch, kein Trödel.

Vom Angebot her nur Ausgewähltes mit Geschmack, viel Unikates. Ein braver, geradezu stiller Markt, nur das Hämmern der Bildhauer gab von Zeit zu Zeit einen Rhythmus. Aber die Leute wollten es vielleicht so, einfach mal von Stand zu Stand flanieren, hier parlieren, dort etwas mitnehmen, Rabatt war nicht, die Produzenten, so konnte man oft hören, wollten vom „Event“ ja auch etwas haben, völlig rechtens übrigens.

Dafür hatte mancher Standbetreiber ein urgesundes Misstrauen gegen den Notizblock und Fotoapparat des Berichterstatters. Wo es der Natur abgeschaute Gänseblümchen, Stiefmütterchen, Hutpilze und ähnliche Wunder der Natur in Keramik gab, war die Angst vor dem Ideenklau da, wo Kalle, Oskar, Horst und Richard gezeigt wurden, drei- und vierrädrige Laufräder für die Kleinsten also, witterte man einen Kontrollgang des Amtes, die städtische Behörde ist ja allmächtig, weil sie so wahr ist. Doch nach Reporters Presse-Outing war alles wieder im Lot.

Was für ein breites Angebot: Qi-Gong-Keramik aus Sachsen, hübsche Mädchen- und Jungenbekleidung noch ohne den Wahn vom „Unisex“, Handpuppen, deren intelligenteste Ovids „Metamorphosen“ im Original zitieren konnte.

Katzenkeramik mit und für Schlappohren, daneben ein fesches Huhn samt Schriftzug „Ich wollt, ich wär ein Huhn“, sinnige Sinnsprüche für die Küche, etwa „Man nehme ein gutes Glas Wein und schütte es in den Koch hinein“, Sandbilder ohne Tiefgang, ein Hobby-Skulpturist aus dem Bremer Raum, der uralten, im Moor versunkenen Eichen „Kunst“ abringen will, Bernstein und Schmuck, Seifen und Handgewebtes, ein Stand mit Cossebauder Gebrauchskeramik, schöner als die bei „König Drosselbart“. Gehobener Standard fürs Home als Castle also, fürs Schöne, für die Gemächlichkeit in Frieden. Mehr kann man nicht verlangen. Alles ist ja Kultur, doch war Kultur hier wirklich alles? Gerold Paul

Gerold Paul

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